Bei der Verdachtskündigung sind die Anforderungen sogar noch strenger. Das hängt damit zusammen, dass Sie die Tat nicht nachweisen müssen (und können). Die strengen Anforderungen sollen deshalb vermeiden, dass bei einem (vermuteten) Fehlverhalten immer eine Verdachtskündigung als scheinbar einfachste Kündigungsvariante vorgeschoben wird. Außerdem besteht immer die Gefahr, dass ein Unschuldiger verdächtigt wird und seinen Arbeitsplatz verliert.
Objektiver und dringender Tatverdacht
Zunächst benötigen Sie für eine Verdachtskündigung einen objektiven und dringenden Tatverdacht.
Objektiver Tatverdacht
Der Verdacht muss immer durch bestimmte Tatsachen begründet sein. Reine Gerüchte oder bloße Vermutungen reichen also nicht aus: In der Nachtschicht verschwinden immer wieder Gegenstände – und das immer nur, wenn der Mitarbeiter Werner arbeitet.
Dringender Tatverdacht
Bei kritischer Prüfung aller Indizien muss eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, dass gerade ein bestimmter Mitarbeiter die Tat begangen hat: Die Gegenstände, die verschwinden, haben ein ordentliches Gewicht. Herr Werner ist der einzige, der mit dem Auto kommt. Die anderen fahren Bus und könnten die Gegenstände gar nicht abtransportieren.
TIPP
Um zu prüfen, ob Ihr Verdacht für eine Kündigung ausreichend ist, stellen Sie sich am besten die folgende Kontrollfrage: „Wenn ich einem Dritten alle Tatsachen und Indizien vortrage, die ich habe, wird er den Verdacht dann als gerechtfertigt ansehen oder nicht?“ (vgl. BAG, 10. 2. 2005, 2 AZR 189/04, NZA 2005, 1056). Verdachtsstärkend und somit eine Rechtfertigung für die Verdachtskündigung kann etwa sein, dass
- Ihr Mitarbeiter einschlägig vorbestraft ist,
- immer wieder bei dem gleichen Arbeitnehmer gleiche oder ähnliche Verdachtsmomente auftreten,
- die Staatsanwaltschaft wegen des Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren gegen Ihren Mitarbeiter einleitet oder gar Anklage erhebt oder
- Ihr Mitarbeiter selbst Verdachtsmomente gegen sich schürt, indem er sich etwa bei Befragungen in Widersprüche verstrickt.
Was Sie in jedem Fall vor der Verdachtskündigung beachten müssen
Sie verwenden die soeben aufgelisteten Merkmale nur zur Untermauerung Ihres schon bestehenden Verdachts.
Ungenügend ist es also, wenn Sie Ihren Verdacht allein daraus ableiten, dass gegen einen Mitarbeiter staatsanwaltlich ermittelt wird („Wer Ärger mit dem Staatsanwalt hat, der klaut bestimmt auch …“).
Das reicht den Arbeitsrichtern nicht! Sie müssen also schon belegen können, warum Sie einen Verdacht gegen Ihren Mitarbeiter hegen, auf welche Indizien und Tatsachen Sie sich dabei stützen und dass im Übrigen deswegen sogar die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt (vgl. LAG Mainz, 3. 3. 2006, 3 Sa 860/05, juris). Ihr objektiver und dringender Tatverdacht muss außerdem zum Zeitpunkt der Verdachtskündigung vorliegen.
Denn in einem eventuellen Kündigungsschutzprozess wird die Rechtmäßigkeit der Verdachtskündigung immer anhand der unstreitigen oder im Wege der Beweisaufnahme festgestellten Umstände beurteilt, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Verdachtskündigung vorgelegen haben.
Allerdings: Im Prozess wird auch immer der Erkenntnisstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt. „Übersetzt“ heißt das: Ihr Arbeitnehmer kann im Prozess durchaus Tatsachen vortragen, die zum Zeitpunkt der Verdachtskündigung vorgelegen haben und den dringenden Verdacht dann als unberechtigt erscheinen lassen. Und diese Tatsachen müssen Ihnen nicht einmal bekannt gewesen sein!
Andererseits gilt: Auch Sie können noch Tatsachen nachschieben, die den Verdacht erhärten. Dies gilt aber nur für solche Fakten, die zum Kündigungszeitpunkt der Verdachtskündigung schon bestanden haben (aber Ihnen nur nicht bekannt waren bzw. von Ihnen noch nicht vorgetragen wurden). Tatsachen, die erst nach dem Zugang der Verdachtskündigung entstanden sind, etwa weitere Vorfälle, die den Verdacht erhärten, bleiben somit außen vor.