Wenn sich Arbeitsverträge an Tarifverträge „anlehnen“, bedeutet das tarifliche Bezahlung der Mitarbeiter

Ganz oder gar nicht: Wenn Ihr Unternehmen Arbeitsverträge an tarifliche Regelwerke „anlehnt“, bedeutet das: Die tariflichen Bedingungen gelten. Es steht nicht zur Disposition, ob die entsprechende Entlohnung nur zum Teil oder gar nicht umgesetzt wird. Dies geht aus mehreren Entscheidungen des Arbeitsgerichts (ArbG) Siegburg hervor, die gerade veröffentlicht wurden (AZ: 5 Ca 1181/16 vom 20.10.2016, AZ: 1 Ca 1676/ 16 vom 17.11.2016, AZ: 3 Ca 1180/16 und Az. 3 Ca 1308/16 vom 25.11.2016).

Erzieherinnen in einer Kindertagesstätte klagten auf die Einhaltung ihrer Arbeitsverträge, die sich an den BAT, nunmehr TVöD VKA, anlehnen. Die Mitarbeiterinnen vertraten die Ansicht, dass ihre Entlohnung entsprechend dem Tarifvertrag und damit höher ausfallen müsse. Der Arbeitgeber, eine Elterninitiative, konterte mit einer Kündigung und dem Angebot, die Arbeitsverhältnisse zu einer geringeren Vergütung weiterzuführen.

Die Begründung: Die gestiegenen Gehälter seien existenzgefährdend für den Betrieb. 3 Kammern des ArbG waren mit den Klagen beschäftigt, und alle 3 entschieden zugunsten der Erzieherinnen: Die Arbeitsverträge bezögen mit dem Wortlaut „lehnen sich an“ eindeutig den Tarifvertrag ein. Das führt nach Auffassung der Kammern zur Lohnerhöhung. Die Änderungskündigungen seien unwirksam. Der Arbeitgeber habe nicht dargelegt, alle Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Sanierung ausgeschöpft zu haben.

Achtung! Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Sollte der Arbeitgeber Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln einlegen, erfahren Sie davon umgehend in „Lohn & Gehalt aktuell“.

Wann Ihr Unternehmen sich nach den Regelungen eines Tarifvertrags richtet

Gilt ein Tarifvertrag für Ihr Unternehmen, darf es von dessen Regelungen im Arbeitsvertrag nicht abweichen.

Ausnahme: Der Tarifvertrag enthält eine entsprechende Klausel.

Die Anwendung eines Tarifvertrags kann im konkreten Fall über mehrere Wege erreicht werden:

  1. Ein Tarifvertrag gilt, wenn sowohl Ihr Unternehmen als auch die Arbeitnehmer über eine Verbandsmitgliedschaft in den Tarifvertragsparteien an den Tarifvertrag gebunden sind (Tarifbindung). Hier hat der Tarifvertrag unmittelbare und zwingende Wirkung.
  2. Ihr Unternehmen ist auch ohne Verbandsmitgliedschaft an einen Tarifvertrag gebunden, wenn es sich dabei um einen Firmen- bzw. Haus-Tarifvertrag handelt, der exklusiv für Ihren Betrieb abgeschlossen wurde.
  3. Daneben besteht eine Bindung der Arbeitsvertragsparteien an einen Tarifvertrag, wenn dieser für allgemeinverbindlich (§ 5 Tarifvertragsgesetz (TVG)) erklärt worden ist. Hier gilt die unmittelbare und zwingende Wirkung ebenfalls.
  4. Der Inhalt eines Tarifvertrages kann außerdem zur Anwendung kommen, wenn Ihr Unternehmen und der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag darauf Bezug genommen haben, z. B. durch die Formulierung „anlehnen“.