Mitarbeiterentwicklung: So steigern Sie die Kritikfähigkeit Ihrer Azubis

Wer gegenüber einem Azubi Kritik äußert, der hat das Ziel, bei diesem eine Verhaltensänderung zu erreichen. Das gilt im besonderen Maße für die Ausbildung und setzt voraus, dass Auszubildende für Kritik empfänglich sind. Wenn Sie das erreichen, sind die anvisierten Verhaltensänderungen deutlich näher gerückt.
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Auszubildende funktionieren natürlich nicht immer so, wie Sie sich das als Ausbilder wünschen. Genau das macht Ihren Job auch so spannend – schließlich haben Sie es mit Menschen zu tun. Gerade bei jungen Menschen können Sie aber keineswegs voraussetzen, dass diese ein offenes Ohr für Kritik haben.

Wer mit 16 bis 20 Jahren eine Ausbildung anfängt, der ist von seinen bisherigen Erfahrungen geprägt. Die Art, wie das Elternhaus und die Lehrer in der Schule Kritik geäußert haben, macht Ihnen als Ausbilder das Leben leicht – oder auch besonders schwer.

So fördern Sie die Kritikfähigkeit in Ihrem Unternehmen

Keineswegs alle Auszubildenden sind es gewohnt, mit Kritik umzugehen. Gar nicht so selten nimmt ein junger Auszubildender Kritik zu persönlich oder macht sogar ganz dicht. Dann können Sie nicht mehr mit ihm über diese Angelegenheit sprechen.

Hier wird offensichtlich, dass die für eine Ausbildung notwendige Kritikfähigkeit noch nicht vorliegt. Wie fördern Sie diese? Dabei helfen Ihnen insbesondere 2 Maßnahmen:

1. Übermitteln Sie den Auszubildenden, dass Kritik zum Arbeitsalltag dazu gehört

Sie vermitteln gleich zu Beginn der Ausbildung, dass jeder Auszubildende mit positivem und negativem Feedback rechnen muss. Das gilt auch für die leistungsstärksten unter den Auszubildenden.

Jeder sollte damit rechnen, dass ein Ausbilder oder Vorgesetzter mit konstruktiver Kritik, mit Verbesserungsvorschlägen und mit kritischen sowie motivierenden Worten auf ihn zukommt.

Ein Auszubildender, der nie Kritik erfährt, ist offensichtlich unterfordert. Er sollte daher um höherwertige Aufgaben bitten. Vermitteln Sie das den Azubis! 
 

2. Fordern Sie Ausbilder auf, Kritik zu äußern

Es kann auch eine weitere Ursache haben, dass ein Azubi nicht kritisiert wird: Die in der entsprechenden Abteilung zuständigen Ausbilder haben selbst keine Ansprüche oder sind zu bequem, am und mit dem Auszubildenden zu arbeiten.

Daraus leitet sich der 2. wichtige Aspekt ab: Alle an der Ausbildung beteiligten Personen – also nicht nur die Auszubildenden – müssen die Bedeutung von Kritik kennen und dementsprechend handeln.

Ihre Aufgabe ist es, die Leistung von Azubis tatsächlich zu begutachten und zu bewerten. Dazu gehört auch Kritik, die stets zu äußern ist.

Kritikfähigkeit von Auszubildenden fördern Sie auch dann, wenn der Azubi in der Ausbildung regelmäßiges Feedback erfährt – auch kritisches. 


Natürlich müssen auch Sie als Ausbildungsverantwortlicher und jeder an der Ausbildung Beteiligte Ihre eigene Kritikfähigkeit unter Beweis stellen. Daher prüfen Sie auch bei Kritik, die von Auszubildenden geäußert wird, ob diese berechtigt ist und konstruktiv vorgetragen wird.

Wenn Sie beides bejahen, dann hat der Auszubildende offenbar vollkommen zu Recht auf ein Defizit hingewiesen. Dafür gebührt ihm Dank und die Aufmunterung, diesen Weg fortzusehen. Es wäre ein großer Fehler, auf diese Kritik beleidigt oder ignorant zu reagieren.

Wenn der Anlass für die Kritik entfällt, erwähnen Sie das

Gleichzeitig ist es wichtig, Kritik wieder zurückzunehmen. Das bedeutet nicht, dass Sie zur geäußerten Kritik später nicht stehen. Sie sollten Kritik vielmehr dann zurücknehmen, wenn der Azubi durch seine Leistungen oder durch sein Verhalten dazu keinen Anlass mehr gibt.

Beispiel:

  • Ein angehender Kaufmann im Groß- und Außenhandel hat mehrfach zu spät veranlasst, dass eine bestimmte eingehende Ware eingelagert wird. Sie stand des Öfteren zu lange draußen und war der Witterung ausgesetzt. Sie haben das kritisiert, wenngleich kein Schaden entstanden ist. Das ist auch gut so, denn einem Schaden soll natürlich vorgebeugt werden. Wenn dieser Azubi nach Ihrer Kritik in der Lage ist, seine Routinen so umzustellen, dass eingehende Ware nicht mehr unnötig lange draußen steht, ist viel erreicht. Sie können die geäußerte Kritik dann zurückziehen, indem Sie ihn ausdrücklich für seine Lernfähigkeit und sein Verständnis loben.

Richtig kritisieren: Warum Sie bestimmte Kommunikationswege meiden sollten

Wer Kritik äußert, der sollte sich im Klaren darüber sein, dass diese zu negativ und demotivierend ankommen könnte. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies insbesondere dann passiert, wenn die Kritik auf elektronischem Weg geäußert wird.

Wird beispielsweise per E-Mail kritisiert, dann ist Missverständnissen Tür und Tor geöffnet. Das Kommunikationsmedium E-Mail lässt nonverbale Signale wie Augenzwinkern oder Lächeln nicht zu.

Darüber hinaus können weder die Geschwindigkeit (Eile) der Informationsübertragung noch die Tonlage, in der sie geäußert wird, vom E-Mail-Empfänger abgeschätzt werden.

Beachten Sie: Besonders tückisch ist die Übertragung von Kritik per E-Mail, wenn öffentliche Kopien an andere Personen – wie einen Personalverantwortlichen oder Vorgesetzten – gesendet werden.

In den meisten Mailprogrammen ist das mit dem CC-Button sehr einfach machbar – viel zu einfach. Die Folge ist in der Regel, dass sich der Azubi an den Pranger gestellt fühlt – aus meiner Sicht völlig zu Recht.

SMS und WhatsApp sind als Medium für Kritik denkbar ungünstig

Nicht nur die Kritikübertragung per E-Mail, sondern erst recht über andere elektronische Medien sollte vermieden werden. So laden Nachrichten über SMS und WhatsApp geradezu zu Missverständnissen ein.

In aller Regel nimmt der Empfänger einer kritischen Nachricht die Informationen darin viel negativer auf, als sie sind. Dieser Effekt wirkt sich negativ auf das Ausbildungsklima, die Motivation des Betroffenen und das Ausbilder-Azubi-Verhältnis aus.

Beachten Sie: Möglicherweise wird die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit bei Nutzung dieses Mediums aber auch nicht erkannt. Damit müssen Sie rechnen, denn schließlich gelten WhatsApp & Co. als freundschaftlich-lockere Kommunikationsmittel.

Nur wenn’s schnell gehen muss: Kritik per Telefon

Auch ein Telefonat kann ein persönliches Gespräch nicht ersetzen. Es gibt dem Absender einer Nachricht zwar mehr Möglichkeiten, seine Kritik in die richtigen Bahnen zu leiten. Das gilt beispielsweise für den Ton, der ja sprichwörtlich die Musik macht.

Es darf allerdings niemals unterschätzt werden, dass ein Lächeln und ein Augenzwinkern vom Empfänger einer telefonischen Nachricht nicht wahrgenommen werden. Dies kann Missverständnisse erzeugen.

Kritik muss immer konstruktiv sein – das meint auch Ihr Azubi

Ein ganz entscheidender Faktor auf dem Wege zu einer Verhaltensänderung des Azubis ist, dass die Kritik konstruktiv sein sollte.

Oder anders ausgedrückt: Ist die Kritik nicht gerechtfertigt oder erscheint sie nicht gerechtfertigt, dann ist eine nachhaltige Verhaltensänderung des Auszubildenden in weite Ferne gerückt. Sie als Ausbilder haben daher stets zu prüfen,

  • ob die Kritik und das Ausmaß der Kritik der Situation angemessen sind,
  • ob die Angelegenheit gut genug kommuniziert wurde, damit deren Angemessenheit auch vom Azubi erkannt werden kann.

Wägen Sie also ab, bevor Sie Kritik äußern, ob diese verhältnismäßig ist oder nicht. Gehen Sie zu diesem Zweck ähnliche Vorfälle der letzten Jahre durch, in denen Sie ebenfalls kritisiert haben. Das Ausmaß Ihrer Kritik sollte unbedingt in dieses Muster passen.

Auszubildende vergleichen nämlich und bewerten die Qualität eines Ausbilders oft danach, ob der Umgang mit Azubis in Krisensituationen angemessen war und ist und ob alle gleich behandelt werden.

Wenn Sie sich selbst eine Formulierung zurechtgelegt haben, die Sie für angemessen halten, dann denken Sie zusätzlich darüber nach, ob Ihr Handeln transparent genug ist. Der Auszubildende sollte unbedingt erfahren, warum Sie genau so – mit dieser Härte – reagieren und die Angelegenheit nicht einfach mit einem erhobenen Zeigefinger oder gar einem Lächeln abhaken.

Konstruktive Kritik-Gespräche: 6 Tipps für Ausbilder, um richtig zu kritisieren

1. Legen Sie Ihr persönliches Ziel fest.

  • Bereits bei der Gesprächsvorbereitung sollten Sie sich im Klaren darüber sein, was genau Sie mit der Kritik erreichen wollen.
  • Sind Sie sich dessen nicht bewusst, dann können Sie es dem Auszubildenden nicht deutlich machen. Eine Verhaltensänderung wird damit unmöglich.

2. Argumentieren Sie sachlich.

  • Emotionen haben in pädagogischen Gesprächen zwischen Ausbilder und Auszubildenden nichts zu suchen. Insofern sollten Sie die Sachebene nicht verlassen.
  • Geht es um eine aktuelle Angelegenheit, dann prüfen Sie erst recht, ob die Emotionen zwischenzeitlich verflogen sind.
  • Ansonsten werden Sie das Gesprächsziel mit Sicherheit nicht erreichen.

3. Seien Sie konstruktiv, indem Sie Ihre Kritik nicht zu allgemein äußern.

Wenn Sie dem Azubi lediglich mitteilen, dass er im Umgang mit Arbeitsmitteln Defizite habe, dann zieht er daraus möglicherweise nicht die richtigen Schlussfolgerungen. Teilen Sie ihm vielmehr konkret mit, welche Arbeitsmittel gemeint sind, welche Arbeitsweise er an den Tag gelegt hat und welche Sie erwarten.

4. Äußern Sie keine persönliche Kritik.

  • Kritisieren Sie das Verhalten oder die Leistung des Auszubildenden, aber keineswegs seine Person als Ganzes.
  • So sollten Sie dem Azubi beispielsweise niemals sagen, dass er faul ist.
  • Drücken Sie es besser folgendermaßen aus: “Sie haben gestern die Arbeit XY liegen lassen, obwohl Sie noch Zeit hatten und mit dieser Tätigkeit beauftragt worden waren. Das ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung. Bitte überprüfen Sie Ihre Einstellung zu Ihrer Arbeit und Ihrer Ausbildung.”

5. Werden Sie in kritischen Situationen niemals ironisch.

  • Gerade in kritischen Situationen sind Sprüche zur allgemeinen Erheiterung mehr als unangebracht.
  • In lockerer Atmosphäre kann man dem Azubi zwar schon mal zurufen, in welcher Kneipe er denn gestern Abend wohl versackt sei. In einer aufgeschaukelten und emotional geladenen Situation könnte so etwas allerdings zum Eklat führen.

6. Geben Sie klare Linien vor.

  • Ein Kritikgespräch, das den Anspruch erhebt, Verhaltensänderungen zu bewirken, sollte immer zukunftsorientiert sein.
  • Es ist Ihre Aufgabe, dem Azubi zu vermitteln, welches konkrete Verhalten Sie in Zukunft von ihm erwarten.
  • Daran können Sie ihn dann messen. 

Und Sie werden sehen: Wenn Sie diese Regeln für eine gute und konstruktive Kritik beachten, rückt eine Verhaltensänderung in erreichbare Nähe.