Achtung: Obwohl sich diese Vorschrift im SGB IX (= Gesetz über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) findet, gilt sie für alle Mitarbeiter, also egal, ob nichtbehindert, behindert oder schwerbehindert!
Für kündigungswillige Arbeitgeber stellt sich damit Frage:
Ist Ihre krankheitsbedingte Kündigung schon dann unwirksam, wenn Sie zuvor kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt haben?
Die Antwort lautet einhellig „nein“.
Das bedeutet aber nicht, dass Sie deshalb gänzlich auf das Eingliederungsmanagement verzichten können. Denn schließlich müssen Sie ja vor jeder Kündigung prüfen, ob es nicht mildere Maßnahmen als die Entlassung gibt (so genanntes Ultima-Ratio-Prinzip). So eine mildere Maßnahme kann ein betriebliches Eingliederungsmanagement sein (LAG Berlin, 27.10.2005, 10 Sa 783/05).
So sieht es auch das LAG Hamm (29.3.2006, 18 Sa 2104/05):
Danach kann die Kündigung wegen lang andauernder Erkrankung aber auch ohne vorheriges betriebliches Eingliederungsmanagement wirksam sein, sofern
- der Mitarbeiter nicht schwerbehindert ist,
- völlig ungewiss ist, ob er jemals wieder arbeitsfähig wird, und
- eine Versetzungsmöglichkeit auf einen freien leidensgerechten Arbeitsplatz nicht besteht.
Das LAG Düsseldorf (Urteil vom 29.01.2009, Az. 9 Sa 699/08) ergänzt:
Wenn Sie als Arbeitgeber kein BEM durchführen, müssen Sie sehr genau begründen, warum Sie sich davon keine Änderung der Situation erhoffen konnten. Sprich: Warum es Ihnen beispielsweise nicht möglich ist, den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen (den Sie übrigens sogar extra „freimachen“ müssten!).
Achtung: Auch wenn Sie ein BEM durchgeführt haben, im BEM aber nicht geprüft wurde, ob eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen, ggf. 'freizumachenden' Arbeitsplatz möglich ist, kann die Kündigung unwirksam sein!
Und das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 29.01.2009, Az. 16090/08) hat entschieden:
Wenn Sie als Arbeitgeber kein BEM durchführen, ist eine krankheitsbedingte Kündigung auch dann unverhältnismäßig, wenn sie bei rechtzeitiger Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements hätte vermieden werden können.
Achtung: Steht fest, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen, und lässt sie oder er sich deshalb umschulen, müssen Sie als Arbeitgeber im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements unter Einbeziehung der zuständigen Stellen zu prüfen, ob und inwieweit eine Weiterbeschäftigung nach erfolgreicher Umschulung möglich ist und geeignete frei werdende Stellen im zumutbaren Rahmen freizuhalten.
Doch was heißt das nun alles?
Für Sie heißt das, dass Sie sich vor einer Kündigung zumindest fragen müssen, ob die Arbeitskraft des zu kündigenden Mitarbeiters nicht schrittweise wieder aufgebaut werden kann.
Tipp: Hier zeigt sich der Nutzen eines Krankheitskontrollblatts. Prüfen Sie anhand der dortigen Eintragungen etwa, ob es einen Mitarbeiter gibt, bei dem ein Eingliederungsmanagement in Frage kommt. Falls dem so ist, nehmen Sie auch einen ernst gemeinten Eingliederungsversuch vor und halten Sie Ihre hierbei getroffenen Maßnahmen fest.