Was Sie tun müssen, wenn der Lieferant mit gestiegenen Kosten argumentiert

Preiserhöhungsverlangen von Lieferanten sind praktisch immer nach der gleichen Masche gestrickt: Bestimmte Kostenblöcke seien gestiegen und trotz intensiver Bemühungen müsse man einen Teil dieser Kostenerhöhung an den Kunden weitergeben. Ohne es zu wissen, ist der Lieferant damit oft in eine Falle getappt, die der Einkäufer nur kennen und erkennen muss, um sie für seine Interessen zu nutzen: Der Lieferant hat mit Kosten argumentiert!

Doch wie Jens Holtmann, Chefredakteur, zu berichten weiß, kennen sich die Einkäufer tragischerweise nicht immer ausreichend mit den harten Fakten der Preisanalyse und des Kostenwesens aus. Sie verzichten damit auf eine der schärfsten Waffen in der Preisverhandlung. Nach Jens Holtmann machen Lieferanten oft diese drei Fehler:

1. Fehler: Vollkostenrechnung

Ihr Lieferant argumentiert damit, dass mit Ihrer Preisforderung nicht mal seine Herstellkosten gedeckt würden. Was für eine Steilvorlage für Sie als Einkäufer! Zum einen hat er sicher Herstell- und Selbstkosten verwechselt: Selbstkosten sind die Herstellkosten zuzüglich der anteiligen Verwaltungs- und Vertriebskosten (je nach Unternehmensstruktur und Produkt ein großer Kostenblock!).

Tipp: Finden Sie heraus, ob Ihr Verhandlungspartner am Tisch Kenntnisse über Kalkulationsverfahren und Kostenwesen besitzt, denn damit hat er ja argumentiert! Zum anderen hat er signalisiert, dass sein Unternehmen die Vollkostenrechnung anwendet: ein durchaus immer noch übliches Verfahren, das aber gravierende Nachteile hat, die der Einkäufer zu seinem Vorteil nutzen kann.



Tatsache ist
, dass bei der Vollkostenrechnung ein Großteil der Kosten, nämlich die ständig steigenden Gemeinkosten, über willkürliche Verteilschlüssel auf die Kostenträger (das sind die Verkaufsprodukte) verteilt wird. Sonst wären es keine Gemeinkosten, sondern so genannte Einzelkosten, die dem Produkt zweifelsfrei genau zugerechnet werden können.

Die Willkür der Gemeinkostenverteilung zeigt sich beispielsweise darin, dass die Materialgemeinkostenzuschläge meistens auf Basis der Beschaffungskosten ermittelt und umgelegt werden: Der Wert des Produkts hat mit der Verursachung von Gemeinkosten aber sehr wenig zu tun: Geringwertige, aber sehr großvolumige oder schwere Teile können erheblich mehr Gemeinkosten verursachen als teure Kaufteile!

Tipp: Fordern Sie von Ihrem Lieferanten, die willkürliche Verteilung von Gemeinkosten auf „Ihre“ Kaufteile zu unterlassen und stattdessen mithilfe der Teilkostenrechnung einen marktgerechten Deckungsbeitrag pro Verkaufsprodukt zu ermitteln.

Ihr Verhandlungsvorteil: Sie zahlen keine willkürlichen Gemeinkostenanteile, die oftmals nicht marktgerecht sind und bei einem Unternehmen mit schwarzen Zahlen auch zum großen Teil schon gedeckt sind: nämlich die ganzen Fixkosten, die Sie gerade noch einmal(!) bezahlen sollen!

2. Fehler: Der fehlende Unternehmensgewinn

Ihr Lieferant klagt, dass sein Unternehmen keinen oder fast keinen Gewinn mehr mache; dies sei untragbar, wie Sie als Einkäufer sicher verstehen würden.



Tatsache ist
, dass der Unternehmensgewinn insbesondere bei mittelständischen Unternehmen nicht der alleinige Indikator für das Wachstum und den Erfolg der Firma ist. Unabhängig davon, ob der Verkäufer Ihnen die Wahrheit oder nur seine „kostendeckende Wahrheit“ gesagt hat: Der Unternehmensgewinn kann und wird auf verschiedene Art und Weise reduziert, um Haftungsrisiken und die Steuerlast der Firmeninhaber zu drücken.

Tipp: Lassen Sie sich die Unternehmensstruktur Ihres Lieferanten genau erläutern:

  • Gehören Grundstück und Gebäude dem Lieferanten selbst? Oder gehören sie der Familie der oder des Gesellschafter(s) und werden sie an Ihren Lieferanten vermietet?
  • Gehören die Produktionsmaschinen zum Firmenvermögen Ihres Lieferanten? Oder ebenfalls den Gesellschaftern oder seiner nächsten Verwandtschaft und werden sie von der Produktionsgesellschaft gemietet?
  • Wie viele Geschäftsführer hat Ihr Lieferant? Und wie viele davon gehören zum näheren „Dunstkreis“ der Gesellschafter und haben noch nie eine betriebliche und wertschöpfende Tätigkeit wahrgenommen?

Alle drei genannten Varianten sind beliebte und aus Gesellschaftersicht auch nachvollziehbare Maßnahmen, um einerseits im Fall eines Haftung-GAU den Schaden zu minimieren und andererseits um Gewinne nicht über die Kapitalgesellschaft, sondern eine steuerlich günstigere Personengesellschaft zu versteuern.

Und alle drei Maßnahmen reduzieren bewusst den Unternehmensgewinn, so dass ein Klagen über ein mangelndes Betriebsergebnis aus Einkäufersicht eine vertriebsrethorische Taktik darstellt.



Ihr Verhandlungsvorteil
: Der Verkäufer Ihres Lieferanten muss erkennen, dass er sich mit seiner Argumentation „vergaloppiert“ hat: Ihm fehlt nun ein wichtiges Argument, und mindestens demjenigen Anteil der Preiserhöhung, den er von Ihnen für dieses Pseudo-Argument haben wollte, werden Sie nun bestimmt nicht zustimmen. Der Verkäufer wird sich dann auch insgesamt zurückhaltender verhalten: Er achtet darauf, sein Gesicht nicht zu verlieren, und in diese Gefahr hat er sich selbst gebracht!

3. Fehler: Kostenerhöhung wegen Investitionen

Nach Auffassung Ihres Lieferanten müssen die Verkaufspreise erhöht werden, weil er für seine Kunden investiert, z. B. in eine Lager-Erweiterung, in einen Hallen-Neubau oder eine zusätzliche Produktionsmaschine.



Tatsache ist
, dass Ihr Lieferant investiert, um aus der Investition einen Ertrag zu schöpfen! Die Kosten für die Investition sind daher auf die zusätzlichen Aufträge oder die neuen Kostenträger (= Verkaufsprodukte) zu verteilen. Bestehende Produkte sind davon zumeist nicht berührt – und wenn, dann positiv (z. B. durch effizientere Produktionsmaschinen, die die Teile günstiger produzieren können!).

Tipp: Sie sind auf jeden Fall nicht bereit, Maßnahmen beim Lieferanten finanziell zu unterstützen, die Ihre Produkte verteuern!

Ihr Verhandlungsvorteil: Wie oben hat sich der Verkäufer durch ein Argument, das keines ist, selbst in eine schwierige Lage gebracht: Er wird mit seiner Forderung zumindest teilweise nicht „durchkommen“ und hat aufgrund der offensichtlichen Fakten, die gegen ihn sprechen, ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und er weiß nun, dass Sie einen Wissensvorsprung haben und er zukünftig vorsichtiger agieren muss!