Alleinarbeit und besondere Personenschutzmaßnahmen – in diesen Fällen müssen Arbeitgeber handeln

Alleinarbeit und besondere Personenschutzmaßnahmen – in diesen Fällen müssen Arbeitgeber handeln

Unternehmer haben die gesetzliche Verpflichtung, geeignete Maßnahmen zum Arbeitsschutz und zur Arbeitssicherheit im Unternehmen zu implementieren. Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz dienen der Verhütung von Arbeitsunfällen und sollen die Mitarbeitergefährdung minimieren. Schutzmaßnahmen sind vor allem an Arbeitsplätzen wichtig, an denen Mitarbeiter in Alleinarbeit tätig sind.
Inhaltsverzeichnis

Dieser Artikel geht darauf ein, was Alleinarbeit gemäß rechtlicher Definition bedeutet und in welchen Branchen Alleinarbeit üblich ist. Darüber hinaus wird behandelt, welche gesetzlichen Vorschriften Unternehmen bei Alleinarbeit beachten müssen und warum eine Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz entscheidend ist. Alleinarbeit kann gefährlich sein. Dies trifft im Besonderen auf werdende Mütter in der Schwangerschaft oder auf schwerbehinderte Mitarbeiter zu. Welche besonderen Schutzmaßnahmen für diese beiden Personengruppen gelten, beschreibt der Artikel ebenfalls.

Definition der Alleinarbeit aus gesetzlicher Sicht

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) definiert als Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und der gesetzlichen Unfallkassen die Vorschriften und Regeln zum Arbeitsschutz und zur Arbeitssicherheit in Deutschland. In der DGUV Regel 100-001 im Unterpunkt: „Grundsätze zur Prävention“ wird Alleinarbeit wie folgt definiert:

„Alleinarbeit liegt vor, wenn eine Person allein, außerhalb von Ruf- und Sichtweite zu anderen Personen, Arbeiten ausführt.“

Typische Branchen mit Alleinarbeit und ihr spezifisches Gefahrenpotenzial

Millionen von Menschen arbeiten jeden Tag in Alleinarbeit. Beispielsweise sind Außendienstmitarbeiter den größten Teil des Tages auf sich gestellt. Mitarbeiter in Nachtschichten, im Wach- und Sicherheitsgewerbe, Arbeiter in der Landwirtschaft sowie Handwerker und Reinigungsmitarbeiter sind ebenfalls die meiste Zeit des Tages in Alleinarbeit beschäftigt. Ähnlich verhält es sich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in ihrem persönlichen Büro ungestört und ohne eine weitere Person arbeiten.

Durch die Corona-Pandemie ist Alleinarbeit attraktiver und notwendiger geworden. Seit Mitte 2020 sind Millionen von Angestellten im Homeoffice beschäftigt. Sie sind ebenfalls in den meisten Fällen in Alleinarbeit tätig, wenn kein Familienangehöriger in Sichtweite in der Wohnung anwesend ist.

In vielen Branchen, in denen Alleinarbeit üblich ist, ist das Gefahrenpotenzial für Arbeitsunfälle gering. Ein Abteilungsleiter in seinem Einzelbüro ist beispielsweise keiner erhöhten Gefährdung in Bezug auf einen Arbeitsunfall ausgesetzt. Unter Einhaltung aller üblichen Sicherheitsmaßnahmen und Unfallverhütungsvorschriften ist seine Tätigkeit ebenso unkritisch wie die von Millionen anderer Büromitarbeiter.

Trotz der geringen Gefährdung sollten Unternehmen proaktiv hinterfragen, in welchen Bereichen im Office weitergehende Maßnahmen im Arbeitsschutz und der Arbeitssicherheit notwendig sind. Das Entschärfen von Stolperfallen oder ein professioneller Überspannungsschutz im Office kann Unfälle verhindern und die Sicherheit der Beschäftigten fortlaufend verbessern.

Im Rahmen der Corona-Pandemie gelten für die ehemals unkritischen Berufszweige ebenfalls verschärfte Personenschutzmaßnahmen. Das Tragen von medizinischen Masken, das regelmäßige Testen der Belegschaft und weitere betriebsinterne Maßnahmen verhindern, dass sich SARS-CoV2 im Betrieb ausbreiten kann. Alleinarbeit in diesen Bereichen kann aufgrund von Corona ein notwendiger Schritt sein, um die Gefährdung der Mitarbeiter zu senken.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Alleinarbeit grundsätzlich erlaubt ist und von Millionen von Arbeitnehmern praktiziert wird. Wird Alleinarbeit allerdings in gefährlichen Arbeitsbereichen durchgeführt, müssen abweichende Personenschutzmaßnahmen und eine dezidierte Gefährdungsbeurteilung realisiert werden.

Regeln für gefährliche Arbeiten in Alleinarbeit – das sagt die DGUV

Im betrieblichen Umfeld gibt es viele Situationen, in denen eine Tätigkeit als gefährlich eingestuft werden kann. Arbeiten Mitarbeiter beispielsweise mit Gefahrstoffen, Chemikalien oder giftigen Dämpfen, geht von ihrer Beschäftigung eine erhöhte Gefährdung aus. Ähnlich verhält es sich mit Betriebsangehörigen, die mit Starkstrom oder im Allgemeinen mit Strom- oder Energiequellen arbeiten. Bei gefährlichen Tätigkeiten denken viele Mitarbeiter zurecht ebenso an die Bedienung von Maschinen, Geräten oder Fahrzeugen. Ihr Unfallrisiko kann eminent sein und muss aus diesem Grund professionell betrachtet werden.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) verordnet mit eindeutigen Vorschriften welche Personenschutzmaßnahmen bei gefährlichen Arbeiten notwendig sind. In der DGUV Regel 100-001 wird im § 8 ausgeführt:

„Wenn eine gefährliche Arbeit von mehreren Personen gemeinschaftlich ausgeführt wird und sie zur Vermeidung von Gefahren eine gegenseitige Verständigung erfordert, hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass eine zuverlässige, mit der Arbeit vertraute Person die Aufsicht führt.“

Neben individuellen Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsmaßnahmen gehört es bei gefährlichen Arbeiten zu den essenziellsten Personenschutzmaßnahmen, eine Aufsichtsperson zu beschäftigen, die im Notfall über die Qualifikation verfügt und Gefährdungen objektiv einschätzen kann.

Alleinarbeit und Gefährdungsbeurteilung

Alleinarbeit bedeutet per Definition, dass keine Aufsichtsperson in Sichtweite ist. Gleichzeitig ist Alleinarbeit nicht grundsätzlich verboten. Die DGUV Regel 100-001 erklärt weiter:

„Wird eine gefährliche Arbeit von einer Person allein ausgeführt, so hat der Unternehmer über die allgemeinen Schutzmaßnahmen hinaus für geeignete technische oder organisatorische Personenschutzmaßnahmen zu sorgen.“

Alleinarbeit ist in vielen Arbeitsbereichen alternativlos. Um trotzdem bei Gefährdungen und Notfällen Hilfsmaßnahmen einleiten zu können, sind Arbeitgeber verpflichtet, bei Arbeiten in Abwesenheit von anderen Personen eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um das individuelle Gefahrenpotenzial einschätzen zu können. Eine Gefährdungsbeurteilung wird auf Basis der DGUV Information 212-139 nach folgender Kaskade erstellt:

Geringe Gefährdung

Mittlere Gefährdung

Kritische Gefährdung

Normale Alleinarbeit

Gefährliche Alleinarbeit

Gefährliche Alleinarbeit

Im Fall eines Unfalls:

Geringe Verletzungsschwere und Beeinträchtigung. Die Person bleibt handlungsfähig

Im Fall eines Unfalls:

Erhebliche Einschränkungen oder Verletzungen sowie eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit drohen

Im Fall eines Unfalls:

Schwerste Verletzungen oder Beeinträchtigungen drohen. Eine verletzte Person ist nicht mehr handlungsfähig

Wird im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festgestellt, dass die Tätigkeit eines Mitarbeiters als gefährliche Alleinarbeit eingestuft wird, muss geprüft werden, ob die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls gering oder hoch ist. Bei einer kritischen Gefährdung ist eine Alleinarbeit unzulässig. Gemäß DGUV-Regel 112-139 müssen in diesem Fall zwei Personen die gefährliche Tätigkeit erledigen. Ist Alleinarbeit grundsätzlich zugelassen und die Gefährdung des Mitarbeiters tolerierbar, muss eine geeignete Meldeeinrichtung zur Verfügung stehen.

Unternehmer müssen bei Alleinarbeit zusammenfassend sicherstellen, dass alleinig tätige Mitarbeiter zu jeder Zeit einen Notruf absetzen können. Darüber hinaus muss im Fall eines Unfalls Erste Hilfe schnell erreichbar sein.

Geeignete technische und organisatorische Personenschutzmaßnahmen

Gefährliche Tätigkeiten sollten aus Sicherheitsgründen generell von zwei oder mehr Mitarbeitern ausgeführt werden. Ist dies aus innerbetrieblichen Gegebenheiten nicht möglich und Alleinarbeit nach einer Gefährdungsbeurteilung grundsätzlich zugelassen, müssen geeignete Notrufmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Bei einer geringen Gefährdungsstufe können ein Telefon, Handy oder ein Sprechfunkgerät zielführend sein. Bei erhöhter Gefährdung sind zeitgesteuerte Kontrollanrufe oder eine sogenannte Totmannschaltung sinnvoll. Bei einer Totmannschaltung handelt es sich um ein Gerät, das auf Bewegungslosigkeit oder eine waagerechte Körperlage von Menschen reagiert und einen Notruf absendet. In vielen Berufen, zum Beispiel bei der Feuerwehr ist eine Totmannschaltung oder ein mobiles Totmanngerät aus versicherungstechnischen Gründen Vorschrift.

Bei einer kritischen Gefährdungsstufe müssen Videoeinrichtungen im Dauerbetrieb zum Einsatz kommen. Sie beobachten die Aktivität des Mitarbeiters in Alleinarbeit permanent. Ebenso möglich sind Personen-Notsignal-Anlagen nach PNA-11 oder BGR 139.

Personen-Notsignal-Anlagen bestehen zum einen aus einem Sender, der als tragbares Personen-Notsignal-Gerät (PNG) beim Mitarbeiter verbleibt. Notsignale werden im Fall eines willensabhängigen Personenalarms von der Personen-Notsignal-Empfangszentrale (PNEZ) aufgefangen, um Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten. Ebenso kann die PNEZ Maßnahmen in die Wege leiten, wenn bestimmte Alarmbedingungen einen willensunabhängigen Personenalarm, zum Beispiel bei einem Unfall vermuten lassen.

Beispiele für Gefährdungsstufen

Gering

Erhöht

Kritisch

Binnenschifffahrt Bootsverleih

Spezielle Sozialarbeit

Taxifahrt Nachtschicht

Kinderbetreuung

Kioskverkauf nachts

Binnenschifffahrt Gefahrstoffe

Kioskverkauf tagsüber

Wachdienste

Hausmeisterdienste Baumpflegearbeiten

Taxifahrt Tagesschicht

Benutzung der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) gegen Abstürze

Aufzugsmontage

Handelsvertretung

LKW-Fahrt Gefahrguttransport

LKW-Fahrt Werttransport

Anhand der verschiedenen Tätigkeiten und Gefährdungsstufen ist ablesbar, dass Arbeitsbereiche abhängig von ihrer Tageszeit für die Alleinarbeit mit einer erhöhten Gefährdung verbunden sein können. Dies ist zum Beispiel für einen angestellten Taxifahrer oder Kioskverkäufer der Fall, der während einer Nachtschicht größeren Gefahren durch Raub oder gewalttätige Angriffe ausgesetzt ist als am Tag. Ähnliches gilt für Monteure, Techniker oder medizinisches Fachpersonal, bei denen Abend- und Nachteinsätze gefährlicher sein können als am Tag.

Ist nachvollziehbar, dass sich die Gefährdungsstufe aufgrund der Tageszeit erhöht, ist der Unternehmer aufgefordert, geeignete Personenschutzmaßnahmen vorzusehen. Dies können für einen Taxifahrer oder einen Kioskmitarbeiter ein Notsignal oder eine fortlaufende, technische Überwachung sein. In Bürogebäuden, in denen abends und nachts alleinig gearbeitet wird, könnte es der regelmäßige Anruf einer Leitstelle sein, die Sicherheit gibt und Alleinarbeit möglich macht.

Alleinarbeit bei Schwangerschaft und Schwerbehinderung

Grundsätzlich sind schwangere Mitarbeiterinnen ebenso wie alle anderen Angestellten berechtigt, während der üblichen Arbeitszeiten in Alleinarbeit tätig zu sein. Nachtarbeit oder eine Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen ist gemäß § 5 und 6 des Mutterschutzgesetzes verboten. Im § 5 MuSchG wird zur Nachtarbeit und zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen verfügt: „Insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ist ausgeschlossen.“

Darüber hinaus sind Unternehmen verpflichtet, den § 10 des Mutterschutzgesetzes einzuhalten, der bestimmt, dass Arbeitgeber für die Tätigkeit der schwangeren Beschäftigten eine Gefährdungsbeurteilung erstellen müssen.

Ist das Ergebnis der Beurteilung, dass keine Schutzmaßnahmen erforderlich sind, darf die Mitarbeiterin wie gewohnt weiterarbeiten. Dies könnte beispielsweise bei einem Büroarbeitsplatz in Alleinarbeit der Fall sein. Wird eine erhöhte Gefährdung festgestellt, kann eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen, zum Beispiel durch eine stationäre Rufanlage erforderlich sein. Ist nach einer Gefährdungsbeurteilung absehbar, dass die Tätigkeit in Alleinarbeit eine zu hohe Gefährdung beinhaltet, ist eine Fortführung der Beschäftigung an diesem Arbeitsplatz nicht möglich.

Für schwerbehinderte Mitarbeiter gelten äquivalente Vorschriften. Ihr Arbeitsplatz muss auf Grundlage des § 81 des Sozialgesetzbuches 9 ebenfalls im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung geprüft werden. Schwerbehinderte Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf „behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr.“

Fazit: Alleinarbeit ist grundsätzlich auf Basis einer professionellen Gefährdungsbeurteilung möglich

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter alleinig an einem Arbeitsplatz arbeiten. Alleinarbeit gehört in vielen Branchen zur Normalität und ist grundsätzlich erlaubt. Für gefährliche Alleinarbeit gelten die Regeln der DGVU. Sie besagen kurzgefasst, dass jeder Arbeitsplatz, bei dem aufgrund der Alleinarbeit von einer erhöhten Gefährdung ausgegangen werden muss, mittels einer spezifischen Gefährdungsbeurteilung überprüft werden sollte.

Ist Alleinarbeit zulässig, müssen besondere Personenschutzmaßnahmen implementiert werden. Diese reichen von einer schnurgebundenen Telefonanlage über die Videoüberwachung bis zu professionellen Personen-Notsignal-Anlagen. Arbeitgeber und Unternehmer werden durch das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Diese müssen regelmäßig auf Wirksamkeit überprüft und erforderlichenfalls angepasst werden.

Da Alleinarbeit an bestimmten Arbeitsplätzen eine besondere Gefährdung bedeuten kann, handeln Arbeitgeber zielführend, die neben einer Gefährdungsbeurteilung professionelle Schutzmaßnahmen vorsehen, um ihre Mitarbeiter vor Gefährdung und Unfällen zu schützen.