Betriebliches Gesundheitsmanagement: Definition, Ziele und Umsetzung

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Das betriebliche Gesundheitsmanagement basiert auf drei Säulen und umfasst eine Reihe von Maßnahmen, um die Gesundheit der Beschäftigten im Betrieb zu fördern. Wie BGM in der Praxis funktioniert, zeigt dieser Artikel.
Inhaltsverzeichnis

Zufriedene und gesunde Mitarbeiter gehören in Zeiten des fortschreitenden Fachkräftemangels zu den wichtigsten Grundbedingungen für lang anhaltenden wirtschaftlichen Unternehmenserfolg. Mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) haben Unternehmen eine signifikante Stellschraube für weniger Krankheitstage, Mitarbeiterzufriedenheit, gesundheitsförderliche Strukturen und eine Stärkung des Unternehmensimages. 

Wie man ein durchdachtes betriebliches Gesundheitsmanagement aufbaut, was die Ziele und die drei Säulen des BGMs sind und welche Maßnahmen zielführend sind, erklärt dieser Artikel. Darüber hinaus wird beleuchtet, wie man das betriebliche Gesundheitsmanagement produktiv im Betrieb umsetzt und warum das BGM ein Win-Win-Modell für Arbeitgeber und die Mitarbeiter ist. 

Was ist betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)?

Betriebliches Gesundheitsmanagement konzentriert sich im Unternehmen darauf, systematisch eine Unternehmenskultur aufzubauen, die auf die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter abzielt und Maßnahmen und strukturelle Veränderungen implementiert, die gesundheitsförderlich sind und physische und psychische Belastungen im betrieblichen Umfeld reduzieren. 

Das betriebliche Gesundheitsmanagement basiert im Kern auf der Definition der World Health Organisation (WHO) zum Thema Gesundheit. Die WHO definiert seit 1946 Gesundheit als „Zustand vollständigen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als Freisein von Beschwerden und Krankheit.“ Gleichzeitig fokussiert sich das BGM auf die Ressourcen, die zur Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit beitragen können. Das BGM sieht Gesundheit nicht als Zustand, sondern als Prozess.

Was sind die Ziele des BGMs? 

Das betriebliche Gesundheitsmanagement sollte ein wichtiger Bestandteil eines jeden Unternehmens sein, da ein konsequenter Arbeitsschutz, Prävention und Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheit am Arbeitsplatz die Sicherheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten gewährleisten. Zu den Zielen des betrieblichen Gesundheitsmanagements gehören: 

  • Verringerung von Arbeitsunfällen und Verletzungen am Arbeitsplatz durch das Identifizieren von Gefahren und durch das Implementieren von Präventions-Maßnahmen mit dem Ziel, den Krankenstand zu senken (Absentismus).
  • Das Fördern gesunder Arbeitsbedingungen, die die Arbeitnehmer vor Krankheiten oder Verletzungen schützen.
  • Die Einhaltung aller lokalen, staatlichen und innerbetrieblichen Vorgaben und Gesetze zur Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. 
  • Coaching und Wissensvermittlung zu den Themen Prävention, Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit sowie Transparenz zu Prozessen und Strukturen zur Gesundheitsförderung.
  • Angebot diverser Präventionsangebote, um die Gesundheit am Arbeitsplatz sowie die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern (Präsentismus verhindern). 
  • Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit durch eine „Kultur der Sicherheit“ am Arbeitsplatz 

Konkrete Ziele im betrieblichen Gesundheitsmanagement sind für den Erfolg eines Unternehmens zusammenfassend von entscheidender Bedeutung. Unternehmen, die im BGM SMART Ziele setzen, die spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch und terminiert sind und diese im zweiten Schritt konsequent umsetzen, legen die Grundlage für eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung für alle Beschäftigten. 

Was sind die drei Säulen des betrieblichen Gesundheitsmanagements? 

Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist unverzichtbar, um die Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu fördern und zu gewährleisten. Hierfür steht das betriebliche Gesundheitsmanagement auf drei tragfähigen Säulen:

  1. Der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz,
  2. Das betriebliche Eingliederungsmanagement,
  3. Die betriebliche Gesundheitsförderung.

Welche Maßnahmen umfasst das BGM? 

Die folgenden Maßnahmen und Beispiele sind in den einzelnen Säulen des BGM erprobt und zielführend:

Was sind Maßnahmen des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes?

Arbeitsschutz wird im Allgemeinen als Summe aller Maßnahmen definiert, mit denen arbeitsbedingte Unfälle verhütet und eine Bedrohung für die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten vermieden wird. Gemäß § 3 dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sind Arbeitgeber verpflichtet, sichere Arbeitsbedingungen im Betrieb vorzuhalten und die Mitarbeiter zielgerichtet zu unterweisen. Im Umkehrschluss sind Arbeitnehmer auf Basis von § 15 ArbSchG verpflichtet, Weisungen des Arbeitgebers in Bezug auf den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit zu beachten und Maßnahmen, die aus einer Gefährdungsbeurteilung abgeleitet werden, umzusetzen. 

Arbeitsschutz kann in Unternehmen in mindestens vier Kategorien oder Handlungsfelder unterteilt werden: 

Technischer ArbeitsschutzSicherer Umgang mit Gefahrstoffen,Schutz vor Unfällen mit Maschinen und Geräten und Arbeitsmitteln,Fortlaufende Unterweisung in Bezug auf Gesetze wie Gefahrstoffverordnung, Arbeitsstättenverordnung oder Arbeitsschutzverordnung. 
Medizinischer ArbeitsschutzÜberprüfung von Arbeitsplätzen in Bezug auf Unfälle, Gesundheitsgefährdung und auf ein Risiko für Berufskrankheiten.
Sozialer ArbeitsschutzUmsetzung der Schutzbestimmungen für Kinder und Jugendliche, die in der Kinderarbeitsschutzverordnung und im Jugendschutzgesetz geregelt sind. Schutz von Frauen und werdenden Müttern im Mutterschutzgesetz.
Allgemeiner ArbeitsschutzUnter den allgemeinen Arbeitsschutz fallen alle allgemeinen Maßnahmen und gesetzlichen Regelungen, die das Leben und die Gesundheit der Beschäftigten schützen sollen.

Bei den Arbeitsschutzmaßnahmen, die als Antwort auf mögliche Gefährdungslagen und die Gefährdungsbeurteilung implementiert werden, unterscheidet man zwischen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen. 

  • Technische Arbeitsschutzmaßnahmen beziehen sich zum Beispiel auf technische Schutzeinrichtungen im Betrieb, die verhindern, dass eine Maschine hochfährt, solange sich ein Arbeiter in ihrem unmittelbaren Umfeld befindet. 
  • Organisatorische Arbeitsschutzmaßnahmen zielen auf die Arbeitsorganisation und die Trennung von Gefahrenquelle und Mensch ab. Eine typische organisatorische Arbeitsschutzmaßnahme ist das Einhalten einer definierten räumlichen Entfernung zu einer potenziell gefährlichen Maschine. 
  • Zu den wichtigsten personenbezogenen und verhaltensbezogenen Sicherheitsmaßnahmen gehört die persönliche Schutzausrüstung (PSA) sowie die regelmäßige Schulung zu sicherheitsgerechtem Verhalten im Betrieb. 

Was sind die Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements?

Seit 2004 sind Arbeitgeber verpflichtet, mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) Arbeitnehmer zu fördern, die länger als 6 Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Der Gesetzgeber bestimmt im § 167 SGB IX:

„Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung und mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement).“ 

Typische Maßnahmen im BEM sind 

  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 
  • Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie 
  • Begleitende Hilfen im Arbeitsleben. 

Welche Maßnahmen umfasst die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF)?

Da die betriebliche Gesundheitsförderung das Ziel der Prävention verfolgt und Gesundheitsmanagement ein fließender Prozess ist, haben die Maßnahmen der BGF ebenfalls in der Mehrzahl einen präventiven Charakter. Beispiele für die BGF sind: 

  • Gesundheitstage im Unternehmen mit gesundheitsförderlichen Angeboten,
  • Yoga- und Stress-Resistenz-Kurse im Betrieb,
  • flexible Arbeitszeitmodelle,
  • Maßnahmen zur Burn-out-Prävention,
  • Kurse zu den Themen Ernährung und Stressbewältigung,
  • Suchtprävention und eine rauchfreie Arbeitsumgebung.

Ist das BGM für Unternehmen verpflichtend? 

Grundsätzlich ist das betriebliche Gesundheitsmanagement aus gesetzgeberischer Sicht verpflichtend, wobei die dritte präventive Säule der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers ist. 

Wie erfolgt die Umsetzung des betrieblichen Gesundheitsmanagements? 

Die Umsetzung des betrieblichen Gesundheitsmanagements im Unternehmen unterscheidet sich individuell nach Betriebsgröße und Arbeitsbereich. Gleichzeitig können fünf wesentliche Prozessschritte extrahiert werden, die notwendig sind, um ein BGM im Unternehmen aufzusetzen: 

  1. Bestandsaufnahme der aktuellen Situation,
  2. Strategische Zielsetzung: Was wollen wir erreichen und welche Erwartungshaltung gibt es? 
  3. IST-Analyse: Quantitative und qualitative Analyse des Status Quo,
  4. Operative Zielsetzung anhand eindeutiger Kennzahlen, die in Veränderungen aus der Systemebene (OE-Maßnahmen) und strategische Maßnahmen unterteilt werden können. Ziele sollten grundsätzlich nach SMART-Kriterien aufgebaut sein.
  5. Ergebnisse evaluieren und anhand von Kennzahlen messen und weiterentwickeln. 

Die Umsetzung des BGM ist kein einmaliger Prozess, sondern fortlaufend und ergebnisoffen. Ziel des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) sollte es sein, den Gesundheitsschutz und die Förderung der Gesundheit im Betrieb in den Mittelpunkt aller Handlungen des Unternehmens zu setzen. 

Wer ist am BGM beteiligt?

Ein professionell aufgebautes betriebliches Gesundheitsmanagement lebt von Teamarbeit und Kooperation zwischen Geschäftsführung, Führungskräften und den Beschäftigten. Leben Führungskräfte gesundheitsfördernde Maßnahmen im Betrieb vor und eliminieren sie Strukturen, die zu Belastungen führen, führt dies zu einer größeren Akzeptanz aller Maßnahmen im Betrieb. 

Was sind die Vorteile eines betrieblichen Gesundheitsmanagements? 

Das betriebliche Gesundheitsmanagement sollte im Unternehmen mehr als ein Oberbegriff oder Schlagwort sein. Wird BGM im Betrieb individualisiert und an die spezifischen Gegebenheiten im Betrieb angepasst, entfaltet es seine positiven Wirkungen auf die Beschäftigten und den Erfolg des Unternehmens. Zu den wichtigsten Vorteilen des BGMs gehören folgende Punkte:

Vorteile vom BGM für ArbeitgeberVorteile vom BGM für Arbeitnehmer
Gesunde, motivierte BeschäftigteVerbesserung des Betriebsklimas
Stärkung des ZusammenhaltsMehr Teilhabe und Motivation
Betriebstreue in Zeiten des FachkräftemangelsBessere Lebensqualität
Verbesserung des Employer BrandingsBessere Work-Life-Balance
Erhöhung der ProduktivitätVereinbarkeit von Beruf und Familie
QualitätssteigerungenMitarbeiterbeteiligung

Was ist die Basis des BGMs? 

Das BGM basiert auf dem Modell der Salutogenese. Die Salutogenese ist ein Gesundheitsmodell, das sich auf das Verständnis und die Förderung der Faktoren konzentriert, die zu Wohlbefinden führen, anstatt zu versuchen, die Ursachen von Krankheiten zu identifizieren und zu bekämpfen. Das betriebliche Gesundheitsmanagement verfolgt demnach einen langfristigen, ursächlichen und umfassenden Fokus statt einzelner Maßnahmen, deren Wirkung schnell verpuffen. 

Was bedeutet Salutogenese im betrieblichen Gesundheitsmanagement? 

Das Modell der Salutogenese wurde von dem israelisch-amerikanischen Soziologen Aaron Antonovsky geprägt, der die Ansicht vertrat, dass der Einzelne ein Gefühl der Kohärenz haben und glauben muss, dass sein Umfeld verständlich, überschaubar und sinnvoll ist. Gesundheit ist nach dem Prinzip der Salutogenese kein wie von der WHO definierter Zustand, sondern ein Prozess. Der salutogenetische Ansatz betont positive Aspekte wie starke Beziehungen, soziale Unterstützung und schützende Ressourcen wie Bildung oder Finanzen, um eine optimale Gesundheit zu erreichen. 

Indem sie sich auf Stärken und Ressourcen statt auf Schwächen konzentriert, versucht die Salutogenese, die Widerstandsfähigkeit zu kultivieren und die Gesundheit zu fördern. Dieser Ansatz hat sich als erfolgreich erwiesen. Die Salutogenese ist das Gegenteil des in der Medizin verbreiteten Modells der Pathogenese, das sich mit der Entstehung von Krankheiten auseinandersetzt.