Gefahrstoffe und Gefahrgut: Unterschiede und Kennzeichnung

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In Industrieunternehmen gehört es zu den täglichen Aufgaben, mit Gefahrstoffen wie Chemikalien zu arbeiten oder Gefahrgut zu transportieren. Worauf Unternehmen bei Gefahrstoffen und Gefahrgut achten sollten, zeigt dieser Artikel.
Inhaltsverzeichnis

In Industrieunternehmen wird häufig mit giftigen, brennbaren oder gefährlichen Stoffen und Chemikalien gearbeitet. Ein Beispiel: Nickeltetracarbonyl, eine Verbindung zwischen dem giftigen und vermutlich krebserregenden Nickel und Kohlenmonoxid gehört zu den gefährlichsten Gefahrstoffen im betrieblichen Umfeld. Mit einem Siedepunkt von 40 Grad gehört Nickeltetracarbonyl gleichzeitig zu einem der toxischen Inhalationsgifte.

Im menschlichen Körper tauscht das Kohlenmonoxid, das bereits in niedrigsten Konzentrationen tödlich ist, die Nickelmoleküle mit Eisen, das im Blutbestandteil Hämoglobin vorhanden ist. Wer Nickeltetracarbonyl einatmet, stirb entweder durch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung oder laboriert lebenslang an einer Nickelvergiftung, da sich das gelöste Nickel auf der Innenseite der Lungenbläschen festsetzt. Dieses Beispiel macht deutlich, dass der Umgang mit Chemikalien aller Art für Beschäftigte in Chemieunternehmen oder in der weiterverarbeitenden Industrie ein hohes Gefahrenpotenzial birgt. 

Dieser Artikel beschäftigt sich mit Gefahrstoffen und Gefahrgut und erklärt, welcher Unterschied zwischen beiden Begriffen gezogen werden muss. Er geht auf die gesetzlichen Grundlagen für eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen ein, zeigt praxisbezogene Schutzmaßnahmen auf und gibt Praxistipps, wie man Gefahrgut professionell kennzeichnet und welche Aufgaben der Gefahrgutbeauftragte im Unternehmen hat. 

Definition: Was sind Gefahrstoffe?

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) definiert Gefahrstoffe als „Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse mit gefährlichen Eigenschaften. Sie können akute oder chronische gesundheitliche Schäden beim Menschen verursachen, entzündlich, explosionsgefährlich oder gefährlich für die Umwelt sein.“ 

Als Gefahrstoffe gelten alle Materialien, die aufgrund ihrer physikalischen Beschaffenheit oder Zusammensetzung eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen, wenn sie nicht ordnungsgemäß gehandhabt werden.

Was ist der Unterschied zu Gefahrgütern? 

Ein Gefahrstoff kann aufgrund seiner Eigenschaften zu jeder Zeit eine Gefahr für den Menschen oder die Umwelt darstellen. Bei einem Gefahrgut ergibt sich die Gefährdungslage durch den Transport. Jeder Stoff oder jeder Gegenstand, der während des Transports oder bei einem Unfall während des Transports potenziell gefährlich ist, wird als Gefahrgut bezeichnet.

Was zählt zu Gefahrstoffen? 

Zu den Gefahrstoffen zählen vor allem die diversen Chemikalien, die im industriellen Umfeld genutzt werden, um Waren herzustellen. Die DGUV gibt als weitere Gefahrstoffe ebenfalls die folgenden an: 

  • Holzstaub, 
  • Ottokraftstoff, 
  • Dieselmotoremissionen, 
  • Schweißrauchgase, 
  • Ozon, 
  • Narkosegase.

Radioaktive Stoffe, alle brennbare Flüssigkeiten, Sprengstoffe, ätzende Stoffe sowie Biozide gehören ebenfalls zu den Gefahrstoffen.

Welche Risiken gehen von Gefahrstoffen aus?

Mitarbeiter, die mit Gefahrstoffen arbeiten und diese im beruflichen Alltag verwenden, stehen bei unsachgemäßem Gebrauch oder bei einem Unfall vor verschiedenen Risiken, beispielsweise:

  • Brandverletzungen bei entzündlichen Gefahrstoffen,
  • Schwerste innere und äußere Verletzungen bei Explosionen,
  • Akute äußere Verletzungen wie Verätzungen,
  • Chronische gesundheitliche Schäden, beispielsweise eine Staublunge bei Bergarbeitern,
  • Körperliche Folgen, die als Berufskrankheit anerkannt werden, beispielsweise eine Asbestose oder asbeststaubbedingte Krebserkrankungen,
  • Unfälle mit Gefahrstoffen mit Todesfolge, wie Ersticken oder Ertrinken bei der unsachgemäßen Verwendung von Gefahrstoffen.  

Wie werden Gefahrstoffe vom Körper aufgenommen?

Mitarbeiter, die mit Gefahrstoffen arbeiten und bei denen es im Umgang oder bei der Lagerung zu Problemen und Unfällen kommt, nehmen Gefahrstoffen über die folgenden vier Wege und teilweise unbemerkt in den menschlichen Körper auf: 

SubkutanEindringen eines kontaminierten Fremdkörpers unter die Haut
InhalativEinatmen von kleinsten Partikeln, Aerosolen, Gasen, Stäuben oder Dämpfen
OralÜber den Mund gelangen Staub oder Flüssigkeiten in den Körper
DermalBei Berührung von Gefahrstoffen mit der Haut kommt es durch Resorption zu einem Eindringen der gefährlichen Stoffe unter die Haut und in den Organismus

Was sind die gesetzlichen Grundlagen für die Tätigkeit mit Gefahrstoffen? 

Es gibt eine Reihe von deutschen und europäischen Gesetzen, die sich mit Gefahrstoffen beschäftigen. Im Gefahrstoffrecht sind vor allem die folgenden vier Gesetze und Richtlinien maßgeblich:

Was regelt die Gefahrstoffverordnung?

Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) gilt als das wichtigste Rechtsinstrument in Deutschland, wenn es um den korrekten und sicheren Umgang mit Gefahrstoffen geht. Das Gesetz kann als umfassendes Regelwerk bezeichnet werden, da es durch seine Vorgaben die Sicherheit bei der Lagerung, beim Kontakt und bei der Verwendung von gefährlichen Chemikalien gewährleistet. 

Die GefStoffV legt ebenfalls Anforderungen an die Ausbildung des Personals, die Kennzeichnung, die Verpackung und den Transport sowie Maßnahmen zum Umweltschutz fest. Darüber hinaus schreibt sie Melde- und Genehmigungsverfahren für bestimmte Tätigkeiten mit gefährlichen Stoffen vor. Sie fördert den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor potenziellen Risiken von Gefahrstoffen zu schützen.

Welche Schutzmaßnahmen müssen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ergriffen werden?

Der § 8 der Gefahrstoffverordnung gibt im Detail vor, welche allgemeinen Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, wenn Unternehmen mit Gefahrstoffen arbeiten. Arbeitgeber sind zu folgenden Schutzmaßnahmen verpflichtet: 

  • Geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
  • Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
  • Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können,
  • Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
  • Angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
  • Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die erforderliche Menge,
  • Geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren zur Gesundheitssicherung,
  • Alle verwendeten Stoffe und Gemische müssen identifizierbar sind,
  • Gefährliche Stoffe und Gemische sowie Apparaturen und Rohrleitungen sind innerbetrieblich mit einer eindeutigen Kennzeichnung zu versehen,

Grundlage aller innerbetrieblichen Maßnahmen bildet die individuelle Gefährdungsbeurteilung auf Grundlage des § 5 des Arbeitsschutzgesetzes. Reichen die allgemeinen Schutzmaßnahmen der Gefahrstoffverordnung nicht aus, müssen die im § 9 GefStoffV dargestellten zusätzlichen Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. 

Diese beziehen sich unter anderem auf den Umgang mit sehr gefährlichen Gefahrstoffen, bei denen Arbeitsplatzgrenzwerte oder biologische Grenzwerte überschritten werden oder auf haut- oder augenschädigenden Gefahrstoffe. Besondere Schutzmaßnahmen müssen ebenso bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen und reproduktionstoxischen Gefahrstoffen oder bei Gefahrstoffen ergriffen werden, bei denen eine Brand- und Explosionsgefährdung besteht. 

In welchen Branchen kommen Gefahrstoffe zum Einsatz? 

Gefahrstoffe werden in einer Vielzahl von Industriezweigen verwendet, die von der Fertigung und dem Bauwesen bis hin zur Landwirtschaft und Energieerzeugung reichen. Die Automobilindustrie verwendet beispielsweise Produkte auf Erdölbasis wie Benzin und Motoröl, in Kernkraftwerken werden gefährliche radioaktive Stoffe eingesetzt, und die Pharmaindustrie verwendet verschiedene Formen giftiger Chemikalien. 

Wie werden Gefahrstoffe gekennzeichnet? 

Die GefStoffV legt im § 4 fest, dass: 

  • Die Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen, die in Deutschland in Verkehr gebracht werden, in deutscher Sprache erfolgen muss.
  • Bei gefährlichen unverpackten Stoffen oder Gemischen müssen jeder Liefereinheit geeignete Sicherheitsinformationen oder ein Sicherheitsdatenblatt in deutscher Sprache beigefügt werden. 
  • Biozid-Produkt sind mit einer Zusatzkennzeichnung zu versehen, die die Identität des enthaltenen Organismus, die Einstufung in die Risikogruppe und bei gefährlichen Bioziden ein Symbol für Biogefährdung enthält. 

Seit 2009 gilt in Europa die sogenannte CLP-Verordnung, die die die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen europaweit reguliert. Seit 2017 dürfen Gefahrstoffe und Gemische ausschließlich in Verkehr gebracht werden, wenn sie der CLP-Verordnung oder alternativ der GHS (Globally Harmonized System of Classification, Labelling and Packaging of Chemicals) entsprechen. Piktogramme zeigen die Gefährdung, mögliche Schutzmaßnahmen und den professionellen Umgang mit Gefahrstoffen an. Die Piktogramme erscheinen in einem auf der Spitze stehenden Quadrat mit rotem Rand.

Die folgenden 9 Piktogramme müssen unterschieden werden: 

Gas unter Druck

Ein Behälter enthält Gas unter Druck und kann explodieren. Der Behälter kann entweder tiefkaltes Gas oder Druckgas enthalten
Explosiv / Explosionsgefahr

Aufdruck auf Feuerwerkskörpern oder Munition. Große Gefahr durch Splitter, Feuer und die Sprengwirkung
Oxidierend

Stoffe können den Brand beschleunigen oder einen Brand oder eine Explosion auslösen
Entzündbar

Extrem entzündbare Flüssigkeit oder Gas. Sollte nicht gegen eine offene Flamme oder eine Zündquelle gesprüht werden
Korrosiv / Ätzwirkung

Kann gegenüber Metallen korrosiv sein oder schwere Verätzungen der Augen und der Haut verursachen
Gesundheitsgefahr

Allgemeine Gesundheitsgefahr, kann zu Benommenheit, Hautreizungen, Schläfrigkeit und diversen Gesundheitsschäden führen. Aufdruck beispielsweise auf Waschmittelpackungen. 
Akute Toxizität

Lebensgefahr beim Verschlucken, Hautkontakt oder beim Einatmen
Ernste Gesundheitsgefahr

Kann die Organe schädigen, die Fruchtbarkeit oder ein ungeborenes Kind schädigen oder tödlich sein
Umweltgefährlich

Giftig für Wasserorganismen – Gefahrhinweis beispielsweise auf Kraftstoffen oder Pestiziden
Quelle: CLP-Piktogramme der Europäischen Union

Wann spricht man von Gefahrgut?

Sowohl Gefahrgut als auch Gefahrstoffe bezeichnen Substanzen, die potenziell schädlich sein können. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Begriffen. Prinzipiell lässt sich sagen, dass sich der Begriff Gefahrgut speziell auf Materialien bezieht, die während des Transports eine Gefahr darstellen, während Gefahrstoffe Materialien sind, die in jeder Situation gefährlich sind.

Wie wird Gefahrgut gekennzeichnet? 

Gefahrgut muss entsprechend seiner tatsächlichen Gefährdungslage beim Transport gekennzeichnet werden. Hierfür werden die sogenannten UN-Nummern verwendet. Als UN-Nummer bezeichnet man eine vierstellige Zahl zur Kennzeichnung von Stoffen oder Gegenständen gemäß den UN-Empfehlungen für die Beförderung gefährlicher Güter. Beispiele für UN-Nummern sind: 

  • UN 0121 Anzünder,
  • UN 0431 Bühnenfeuerwerk,
  • UN 1090 Aceton,
  • UN 3291 Biomedizinischer Abfall,
  • UN 2814 Hepatitis B-Virus,
  • UN 3257 Aluminium geschmolzen.

Die unterschiedlichen UN-Nummern können über eine Suchmaske im Webangebot der Bundesanstalt für Materialforschung- und Prüfung gefunden werden. 

Beim Transport wird das Gefahrgut durch orangefarbene Warntafeln, die an einem LKW oder Transporter angebracht sind, gekennzeichnet. Die Kennzeichnung der Warntafeln besteht aus der Nummer zur Kennzeichnung der Gefahr (oben) und der UN-Nummer, die unterhalb angezeigt wird. 

Quelle: https://www.bgrci.de/

Welche Gefahrgutklassen gibt es?

Insgesamt unterscheidet man 9 unterschiedliche Gefahrgutklassen: 

Gefahrgutklasse 
1Explosive Stoffe und Gegenstände mit Explosionsstoff
2Entzündbare Gase, nicht entzündbare Gase und giftige Gase
3Entzündbare flüssige Stoffe
4Entzündbare feste Stoffe, selbstzersetzende Stoffe, polymerisierende Stoffe und desensibilisierte, explosive feste Stoffe. Selbstentzündliche Stoffe sowie Stoffe, die in Berührung mit Wasser entzündbare Gase entwickeln.
5Entzündend (oxidierende) wirkende Stoffe oder organische Peroxide
6Giftige Stoffe und Ansteckungsgefährliche Stoffe
7Radioaktive Stoffe
8Ätzende Stoffe
9Verschiedene gefährliche Stoffe und Gegenstände
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Was ist ein Gefahrgutbeauftragter und was sind seine Aufgaben? 

Ein Gefahrgutbeauftragter ist der Sicherheitsexperte im Betrieb, der sich auf die sichere Handhabung, Lagerung und den Transport von Gefahrstoffen spezialisiert hat. Er ist dafür verantwortlich, dass beim Transport von Gefahrgut die entsprechenden Vorschriften eingehalten werden. Dafür schult er die Mitarbeiter regelmäßig im sicheren Umgang mit Gefahrstoffen. Der Gefahrgutbeauftragte ist ebenfalls dafür zuständig, dass bei der Entsorgung von gefährlichen Abfällen alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Letztendlich sorgt der Gefahrgutbeauftragte dafür, dass alle Sicherheitsvorschriften beim Umgang mit Gefahrstoffen eingehalten werden. 

Aus gesetzlicher Sicht besteht keine grundsätzliche Verpflichtung, einen Gefahrgutbeauftragten im Betrieb zu bestellen. Da der Arbeitgeber gemäß Gefahrstoffverordnung gleichzeitig verpflichtet ist, alle Gefährdungen zu erfassen und von einer fachkundigen Person beurteilen zu lassen, ist ein Gefahrgutbeauftragter in vielen Firmen alternativlos. Aufgrund seiner sukzessiven Fort- und Weiterbildung und seiner Sachkenntnis ist er in der Lage ist, die gesetzlichen Vorgaben, die die GefStoffV aufgibt, zu erfüllen.

Wo wird der Transport von Gefahrgut gesetzlich geregelt? 

Der Transport von Gefahrgut wird in der „Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit Eisenbahnen und auf Binnengewässern“ (GGVSEB) gesetzlich geregelt. Ebenfalls maßgeblich ist das „Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße“ (ADR). Das ADR ist ein internationales und umfassendes Basisregelwerk für die Beförderung von Gefahrgut. Für den gesicherten Gefahrstofftransport bzw. Gefahrguttransport ist eine Verpackung mit TÜV-Zertifikat erforderlich. Alle Vorgaben zu den Gefahrstoffen, die als Gefahrgut in einem Gefahrguttransport befördert werden, sind in der Gefahrstoffverordnung und in spezifischen Verordnungen für einzelne Branchen zusammengefasst