Gefährdungsbeurteilung Schwangerschaft: Tipps und Umsetzung

Gefährdungsbeurteilung Schwangerschaft: Tipps und Umsetzung

Kaum ein Lebensabschnitt ist für werdende Mütter, Paare und Familien so besonders und gleichzeitig einschneidend wie die neun Monate einer Schwangerschaft. Neben der Freude und den Gedanken an das wachsende Kind im Mutterleib gilt es, viele wichtige Entscheidungen zu treffen und das Leben mit einem oder mehreren Kindern vorzubereiten. In den 9 Monaten der Mutterschaft und nach der Geburt genießen Mütter in Deutschland mit dem gesetzlich verankerten Mutterschutz besondere Sicherheit. Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) verfolgt das Ziel, Müttern Sicherheit in Bezug auf ihre Erwerbstätigkeit vor und nach der Geburt zu geben und einen professionellen Arbeitsschutz sowie Arbeitssicherheit in dieser besonderen Zeit für Mütter und ungeborene Kinder sicherzustellen. Dieser Artikel beschäftigt sich der Gefährdungsbeurteilung in Schwangerschaft und Mutterschutz und erklärt, wie eine Gefährdungsbeurteilung nach dem MuSchG durchgeführt wird. Ebenso wird darauf eingegangen, welche besonderen Schutzmaßnahmen Arbeitgeber bei Gefährdungen am Arbeitsplatz vornehmen müssen und welche Tätigkeiten von Schwangeren nicht ausgeführt werden dürfen.
Inhaltsverzeichnis

Was schreibt das Mutterschutzgesetz zur Gefährdungsbeurteilung vor?

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schreibt im § 5 grundsätzlich vor, dass jeder Arbeitsplatz in Deutschland einer individuellen Gefährdungsbeurteilung unterzogen werden muss. Das Ziel von Gefährdungsbeurteilungen besteht darin, mit der Arbeit verbundene Gefährdungen zu ermitteln und individuelle Maßnahmen zum Arbeitsschutz zu implementieren. 

Das Mutterschutzgesetz korrespondiert mit den Vorgaben des ArbSchG und schreibt Arbeitgebern im § 10 MuSchG vor, „die Gefährdungen nach Art, Ausmaß und Dauer zu beurteilen, denen eine schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind ausgesetzt ist oder sein kann.“ Vor dem Hintergrund, dass für schwangere Mitarbeiterinnen ein Sturz, physikalische Einwirkungen wie Staub, Hitze und Kälte oder Gefahrstoffe besondere Gefährdungen darstellen, ist eine individuelle Gefährdungsbeurteilung, die die tatsächlichen Gefahren am Arbeitsplatz objektiv darstellt, alternativlos. 

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, sobald ihm eine Mitarbeiterin mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist. Zusätzlich hat der Arbeitgeber der Frau ein Gespräch über weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen anzubieten.

Wen betrifft die Gefährdungsbeurteilung nach dem Mutterschutzgesetz? 

Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Mutterschutzgesetz betrifft alle schwangeren und stillenden Mitarbeiterinnen im Unternehmen und unabhängig davon, wie sie beschäftigt sind. Eine Gefährdungsbeurteilung muss nach dem aktuellen Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene durchgeführt werden. 

Da jede Mutter nach dem MuSchG nach der Geburt und Aufnahme der Tätigkeit das Recht hat, ihr Kind zu stillen, muss der Arbeitgeber neben geeigneten Räumlichkeiten ebenfalls dafür sorgen, dass der Schutz und die Gesundheit der stillenden Mutter und ihres Kindes zu jeder Zeit gewährleistet ist. 

Wie erfolgt die Gefährdungsbeurteilung nach dem Mutterschutzgesetz? 

Arbeitgeber müssen anhand einer individuellen Gefährdungsbeurteilung ermitteln, welche Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz die werdende Mutter und ihr Kind wirksam schützen. Hierzu nutzen Arbeitgeber häufig vorgefertigte Vordrucke, beispielsweise die Arbeitshilfe zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung nach dem Gesetz zum Schutze von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium der Ärztekammer Nordrhein. 

Wichtige Fragen, die im Rahmen einer individuellen Gefährdungsbeurteilung beantwortet werden müssen, beziehen sich auf die folgenden Punkte: 

  • Müssen am Arbeitsplatz Lasten von Hand ohne mechanische Hilfsmittel gehoben, bewegt oder gefördert werden? 
  • Ist es am Arbeitsplatz der schwangeren Mitarbeiterin üblich, ständig mehr als 4 Stunden am Stück zu stehen? 
  • Ist es in der Tätigkeit der werdenden Mutter notwendig, sich häufig zu strecken, zu beugen oder in einer gebückten Zwangshaltung zu arbeiten? 
  • Bestehen bei der Arbeit Unfallgefahren durch Stürze oder Ausgleiten? 
  • Ist das Tragen von persönlicher Schutzkleidung (PSA) am Arbeitsplatz zwingend notwendig? 
  • Wird am Arbeitsplatz mit Gefahrstoffen umgegangen? Gibt es Tätigkeiten im Zusammenhang mit Gefahrstoffen in unmittelbarer Nähe der schwangeren Mitarbeiterin? 
  • Können am Arbeitsplatz physikalische Einwirkungen durch Strahlung, Erschütterungen, Vibrationen, Lärm, Hitze oder Kälte festgestellt werden? 
  • Handelt es sich beim Arbeitsplatz um einen Akkordarbeitsplatz oder wird eine getaktete Arbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo erwartet? 

Diese und weitere Punkte der Gefährdungsbeurteilung geben einen Hinweis darauf, ob eine Beschäftigung der werdenden Mutter am aktuellen Arbeitsplatz aus gesetzlicher Sicht möglich ist. Im Mutterschutzgesetz in den Paragrafen 11 und 12 werden alle unzulässigen Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen für schwangere Frauen und stillende Mütter aufgeführt. 

Welche Schutzmaßnahmen muss der Arbeitgeber bei einer Schwangerschaft ergreifen? 

Abhängig von der individuellen Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber auf Grundlage von § 10 MuSchG drei Möglichkeiten: 

  1. Es sind keine Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz erforderlich.
  2. Aufgrund spezifischer Gefährdungen ist eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen nach § 13 Absatz MuSchG erforderlich,
  3. Eine Fortführung der Tätigkeit der Frau an diesem Arbeitsplatz ist nicht möglich. In diesem Fall muss die schwangere Mitarbeiterin versetzt werden. Ist eine Umsetzung aus betriebsinternen Gründen nicht möglich, muss bei vollem Lohnausgleich ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden. 

Der § 14 MuSchG legt dem Arbeitgeber zusätzlich auf, die Beurteilung der Arbeitsbedingungen durch Nachweise und Unterlagen zu dokumentieren. Aus der Dokumentation müssen:

  • Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, 
  • Der Bedarf an Schutzmaßnahmen und 
  • Die Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen sowie das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sein. 

Ebenfalls müssen die Inhalte des Gesprächs mit der werdenden Mutter, der Zeitpunkt und die Anpassungen der Arbeitsbedingungen schriftlich dokumentiert werden.

Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass keine Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz der Schwangeren erforderlich sind, reicht es aus, diese Feststellung in einer für den Arbeitsplatz bereits erstellten Dokumentation der Beurteilung der Arbeitsbedingungen zu vermerken.

Welche Tätigkeiten dürfen nicht von Schwangeren ausgeführt werden? 

Typische Tätigkeiten, die auf Basis von § 11 MuSchG von Schwangeren nicht ausgeführt werden dürfen, da sie eine unverantwortbare Gefährdung darstellen, sind unter anderem: 

  • Arbeit mit keimzellmutagenen, krebserzeugenden oder reproduktionstoxischen Stoffen (KMR-Stoffen) in einem Labor, zum Beispiel Acetamid, Benzylbutylphthalat oder Carbendazim. (Weitere Stoffe siehe: Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung).
  • Arbeit mit Biostoffen im Labor, beispielsweise dem Rötelnvirus oder SARS-CoV2. 
  • Arbeit auf Baustellen, in Schiffsbaubetrieben oder im Bergbau unter Tage.
  • Tätigkeit in einem Industriebetrieb, bei dem schwere Lasten gehoben werden müssen.
  • Arbeit in einem älteren Bürokomplex, mit vielen Treppen und Stolperkanten.
  • Tätigkeit im Außendienst, nach individueller Einschätzung des Arztes.
  • Akkordarbeit und Fließbandarbeit.
  • Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen sowie Nachtarbeit.
  • Überstunden und Mehrarbeit sind für Schwangere generell verboten.

Wann greift das Beschäftigungsverbot für Schwangere? 

Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass die Arbeitsbedingungen der schwangeren Mitarbeiterin die Gesundheit der Mitarbeiterin oder ihres Kindes nachhaltig gefährden, können der Betriebsarzt oder der behandelnde Arzt der Mitarbeiterin ein Beschäftigungsverbot ausstellen. 

Beispiel: Für eine Außendienstmitarbeiterin wird im 5. Monat ihrer Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot erwirkt, da sie unter starker Übelkeit und Kreislaufproblemen leidet. Außerdem stellt das fortlaufende Fahren mit dem Firmenfahrzeug eine unzumutbare Belastung und ein Unfallrisiko auf Basis von § 9 MuSchG dar. 

Mit dem Beschäftigungsverbot ist es dem Arbeitgeber untersagt, die Frau im Unternehmen zu beschäftigen. Sie wird unter Zahlung ihrer Bezüge freigestellt. 

Wann muss die Gefährdungsbeurteilung Mutterschutz erstellt werden? 

Grundsätzlich muss eine Gefährdungsbeurteilung nach Mutterschutzgesetz für jeden Arbeitsplatz im Betrieb vorliegen, unabhängig davon, ob aktuell eine schwangere Mitarbeiterin beschäftigt wird. Die konkrete Überarbeitung und Adaptierung der Gefährdungsbeurteilung im Rahmen einer Schwangerschaft muss erstellt werden, sobald der Arbeitgeber von der werdenden Mutter über die Schwangerschaft informiert wurde. Im § 10 MuSchG sind Arbeitgeber in diesem Fall verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung unverzüglich vorzunehmen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen. 

Was sind die Folgen einer fehlenden Gefährdungsbeurteilung Mutterschutz?

Die Folgen einer fehlerhaften Gefährdungsbeurteilung Schwangerschaft und Mutterschutz können fatal sein. Führen unverantwortbare Gefährdungen oder fehlende Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zu einem Unfall, kann dies negative Folgen für die Schwangerschaft haben, die unbedingt vermieden werden müssen. 

Aus diesem Grund erhebt der Gesetzgeber hohe Geldbußen, wenn Arbeitgebern eine vorsätzliche oder fahrlässige Zuwiderhandlung gegen das Mutterschutzgesetz nachgewiesen werden kann. Diese betragen zwischen 5.000 Euro bis 30.000 Euro (siehe § 32 MuSchG). Wer vorsätzliche eine Handlung begeht und dadurch die Gesundheit der Frau oder ihres Kindes gefährdet, wird gemäß § 33 MuSchG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Wer führt die Gefährdungsbeurteilung Mutterschutz durch? 

Der Arbeitgeber steht in der gesetzlichen Verantwortung, die Gefährdungsbeurteilung unverzüglich und fachkundig durchzuführen. Hierfür kann er zuverlässige Spezialisten zurate ziehen und diese mit der Gefährdungsbeurteilung beauftragen. Ebenfalls essenziell ist der vertrauensvolle Dialog zwischen der schwangeren Mitarbeiterin und dem Arbeitgeber, um die Gefährdungen am Arbeitsplatz objektiv einschätzen und wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen zu können.