Modernes Beurteilungssystem: Azubis beurteilen sich selbst – und Ihre Ausbildungsabteilung!

Haben Sie schon mal überlegt, im Rahmen Ihres Bewertungssystems eine Neuerung einzuführen? Bewerten Sie doch zukünftig Ihre Azubis nicht mehr selbst! Lassen Sie vielmehr die Azubis sich selbst und ihren Ausbilder im jeweiligen Ausbildungsabschnitt beurteilen. Klingt ungewöhnlich – aber wo steht geschrieben, dass Auszubildende im Beurteilungssystem stets eine passive Rolle einnehmen müssen?
Inhaltsverzeichnis

Beurteilungen von Auszubildenden: Methoden, Risiken und Vorteile

Schließlich können sie auch über das Beurteilungsgespräch hinaus eingebunden werden, was in verschiedenen Unternehmen bereits praktiziert wird. Die Einbindung kann auf 2 Arten geschehen.

1. Methode: Die Selbstbeurteilung – der Auszubildende schätzt sich selbst ein

Übergeben Sie dem Azubi einige Tage vor seiner Beurteilung einen nicht ausgefüllten Beurteilungsbogen. Dort soll er sich selbst einschätzen – den Beurteilungsbogen also komplett ausfüllen.

Bieten Sie ihm das an, geben Sie ihm dazu ausreichend Zeit und erläutern Sie die einzelnen Beurteilungskriterien. So beugen Sie Missverständnissen vor. Zudem versetzen Sie den Azubi in die Situation des Beurteilers, sodass er dessen Überlegungen und Probleme nachvollziehen kann.

Das Wichtigste aber ist:

  • Der Auszubildende ist gezwungen, über sich selbst zu reflektieren. Er wird sich mit anderen vergleichen, Stärken und Schwächen feststellen und diese (aus seiner Sicht) in die Selbstbeurteilung einfließen lassen.

Was die Erfahrung zeigt: 

  • Üben Beurteiler und Azubi den Job der Verhaltens- und Leistungseinschätzung gewissenhaft aus, dann liegen sie mit ihrer Einschätzung oft auf einer ähnlichen Linie.

Das Beurteilungsgespräch: So bewerten Sie die Selbstbeurteilung richtig

Besprechen Sie im Nachhinein die Unterschiede bei der Selbst- und Fremdbeurteilung

  • Sieht der Azubi sich zu schlecht, was häufig vorkommt, dann kann das an falscher Bescheidenheit, aber auch an mangelndem Selbstbewusstsein liegen. Loben Sie die tatsächlich bessere Leistung, und geben Sie dem Azubi ein „Weiter so!“ mit auf den Weg.
  • Schätzt sich der Azubi zu gut ein, lassen Sie sich seine Sichtweise erläutern. Erklären Sie Ihren Standpunkt ebenso und greifen Sie einzelne Ereignisse auf, die Ihre Beurteilung stützen. Ihre Beobachtungsaufzeichnungen helfen Ihnen dabei.

2. Methode: Feedback – der Auszubildende beurteilt die Ausbildungsabteilung

Einen Schritt weiter gehen Sie als Ausbildungsunternehmen, wenn der Azubi auch seine Ausbildungsabteilung bewerten darf. Eine solche Maßnahme einzuführen setzt allerdings eine hohe Akzeptanz aller an der Ausbildung Beteiligten voraus. 

Achtung! Wichtig ist dabei, dass die Beurteilung im Sinne der konstruktiven Kritik zukunftsorientiert aufgebaut ist. Es darf also keine „Verurteilung“ stattfinden, sondern Anregungen für Verbesserungen sind zu geben. Ganz nach dem Motto: Was war gut, was sollte man verbessern.

Diese Risiken birgt die Beurteilung von Auszubildenden

Bewertet der Azubi seine Ausbildungsabteilung, dann bringt das folgende Risiken mit sich

Risiko 1:

  • Einzelne Azubis könnten sich an einzelnen Vorgesetzten bzw. Fachausbildern „rächen“ wollen. Sie bewerten daher nicht die Ausbildungsabteilung insgesamt, sondern bewältigen nur ihren Frust.

Risiko 2: 

  • Umgekehrt kann die Arbeit in einer Ausbildungsabteilung auch sehr interessant sein, was zu guten Azubi-Bewertungen führt. Ob aber alle Ausbildungsziele erreicht wurden, bleibt dann ggf. unberücksichtigt.

Risiko 3:

  • Die einzelnen Ausbildungsabteilungen sind nicht unbedingt vergleichbar. Die jeweiligen Arbeiten sind – unabhängig von der Qualität der Ausbildung – mehr oder weniger beliebt. Bereiche mit guter Ausbildungsarbeit, aber naturgemäß unattraktiven Arbeiten könnten daher in einem solchen System zu schlecht wegkommen.

Diese Vorteile bringen Beurteilungen von Auszubildenden mit sich

Vorteil 1:

  • Die Personal- bzw. Ausbildungsleitung erhält Aufschlüsse über die Ausbildungsarbeit in den einzelnen Abteilungen. Im Laufe der Zeit weiß sie genau, wo es an der Ausbildungsqualität hapert. Für verantwortlich ausbildende Unternehmensbereiche bedeutet das natürlich eine Aufwertung. 

Vorteil 2:

  • Auszubildende erhalten mit der Beurteilung eine verantwortungsvolle Aufgabe. Sie lernen, über den Tellerrand hinauszuschauen und Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen.

Vorteil 3:

  • Als Ausbilder wiederum lernen Sie Ihre Auszubildenden von einer anderen Seite kennen, indem Sie ihnen ein kleines Machtinstrument in die Hand geben. Sie erfahren, wer damit verantwortungsvoll umgehen kann.

Vorteil 4:

  • Bei ernsthafter Anwendung dieses Instruments erhöht sich der Druck auf die „schwachen“ Abteilungen, die Ausbildungsqualität zu verbessern. Das hebt die Durchschnittsqualität der Gesamtausbildung. 

Fazit: 

Wägen Sie im Kreis Ihrer Ausbilderkolleginnen und -kollegen noch einmal ab, bevor Sie möglicherweise die Einführung einer Beurteilung „von unten“ angehen. Die Vorteile überwiegen, wenn tatsächlich gute Ausbildungsarbeit verrichtet wird. Vor allem aber setzen Sie einen Maßstab in Sachen Souveränität und Modernität, wenn Sie diesen Schritt zulassen.