Selbstmanagement: Wie Sie Schwächen als Stärken nutzen

Was in der einen Situation eine Schwäche ist, kann sich im nächsten Moment als Stärke erweisen. Wie Sie Schwächen als Stärken nutzen, lesen Sie hier.
Inhaltsverzeichnis

Erfolgreiches Selbstmanagement: Betrachten Sie Schwächen als Potenzial

Es gibt immer wieder Momente, in denen Sie sich bestimmter Schwächen bewusst werden. Oft genug entsteht dabei ein Gefühl des Versagens. Und Ihr Selbstbewusstsein erfährt einen Knacks.

Kurzum: Sie erleben ein Minusgefühl.

Eine Schwäche ist jedoch nur scheinbar negativ. In einer anderen Situation kann sie eine Stärke sein. Entscheidend ist, das Potenzial dieser „Schwäche” zu erkennen und es sich zunutze zu machen. Wie Sie dabei vorgehen, lesen Sie in diesem Beitrag.

Schwäche als Minuserfahrung – wenn Sie sich über Ihre eigenen Schwächen bewusst werden

Täglich gibt es Momente, in denen Sie Verhaltensweisen an sich wahrnehmen, die Sie eigentlich nicht gutheißen:

  • Vielleicht haben Sie jemanden unhöflich unterbrochen.
  • Oder Sie haben geschwiegen, Ihre Forderungen zurückgesteckt.
  • Oder Sie haben sich – mit „diesem verflixten Perfektionismus“ – in den Details einer Aufgabe verloren.

Solche Verhaltensweisen erleben Sie als eigene Grenzen: Sie schaffen es einfach nicht, zuzuhören bzw. zu widersprechen, bzw. gut statt perfekt zu arbeiten.

Die Palette solcher „Grenz-Wert-Erfahrungen“ ist groß, eines aber ist in allen Fällen gleich: Das Bewusstwerden einer persönlichen Grenze löst negative Gefühle und Gedanken aus.

Typischerweise wird eine solche Grenze als Mangel, vielleicht sogar als Makel gesehen – als Zeichen für eine Schwäche, als großes MINUS, das einen auch nach außen hin (gerade dort!) bloßstellt.

Nach dem Motto: Nun wird jedem schlagartig bewusst werden, was wirklich in mir steckt (bzw. was nicht). Die Schwäche wird so zum Stigma, das es unbedingt zu überwinden gilt, sei es durch Verdrängung oder durch inneren Veränderungsdruck.

Die Sorge um die Außenwirkung hat natürlich einen realen Hintergrund. Sie werden oft genug auf Mitmenschen gestoßen sein, die Ihnen gern einen „guten Rat“ mit auf den Weg gaben: „Du hättest dich nicht über den Tisch ziehen lassen sollen. Lässt du dir eigentlich alles gefallen?“ oder „Gehen Sie endlich einmal aus sich heraus.“

Je nach Ihrer innerer Konstitution prallen solche Empfehlungen mal mehr, mal weniger an Ihnen ab. Das heißt: Sie können z. B. rasch einschätzen, ob der Rat wirklich brauchbar ist.

In vielen Fällen jedoch – leider – sind solche vermeintlichen Grenzen schon so verinnerlicht, dass bereits das Erleben der entsprechenden Situation ein Gefühl der Schwäche auslöst.

Sie brauchen niemanden, der Sie daran erinnert, dass Sie sich „unfähig“ verhalten. Sie erinnern sich selbst daran. Und spulen sofort ein Programm aus eigenen „Rat-Schlägen“ und Gefühlen wie Scham, Ärger oder Unzulänglichkeit ab.

Wirken als Verstärker: Emotionen aus Kindheitstagen

Dabei dürfen Sie eine Tatsache nicht übersehen: Viele der Richtlinien, nach denen Sie sich beurteilen, stammen noch aus der Kindheit. Deshalb lösen solche Grenz-Wert-Erfahrungen oftmals starke Gefühle aus.

Das innere Kind wird aktiviert und mit ihm all die vergangenen, häufig unverarbeiteten und unreflektierten Emotionen, die im Grunde mit der jetzigen Situation nichts zu tun haben.

Sicher, es ist nicht gerade die feine Art, jemanden zu unterbrechen, aber sich deshalb zu schämen, gar als unfähig einzuschätzen und mental auf sich „einzudreschen“, geht über die Bedeutung der gegenwärtigen Erfahrung hinaus.

Sie handeln also entsprechend Ihrer inneren Realität, die aber nicht unbedingt mit der äußeren übereinstimmen muss. Denn wissen Sie wirklich, ob der andere Ihr Verhalten als „Schwäche“ beurteilt? Ob er sie überhaupt wahrgenommen hat? Ihre eigene Einschätzung spielt Ihnen oft einen bösen Streich!

Schwäche = Stärke? Ja doch!

Halten Sie es für verwegen, eine Schwäche als Stärke zu bezeichnen? Regt sich in Ihnen Widerstand? Dann würden Sie auf die Frage, was „Schwächen“ bedeuten, wahrscheinlich in etwa wie folgt antworten: Schwächen …

  • dienen anderen als Angriffsfläche,
  • verbauen Erfolgs- und Aufstiegschancen,
  • lassen Sie dumm aussehen, sind entlarvend,
  • lehren Sie Demut, nach dem Motto: „Ich habe es ohnehin nicht verdient, weil ich … bin.“

Diese wenigen Antworten definieren Schwächen allein negativ. Kein Wunder, dass Sie dann einen Makel spüren, sobald Sie eine Schwäche erleben. Aber „Schwäche“ heißt auch, …

  • vielleicht etwas üben zu müssen,
  • sich mit Neuem bekannt zu machen und so eine Stärke zu entwickeln,
  • eine Chance für Wachstum zu haben und
  • etwas zu können – etwas, das nur in dieser ganz bestimmten Situation als Verhalten bzw. Fähigkeit nicht passt!

Hier ist vor allem der letzte Punkt wichtig, der einen ganz neuen Blickwinkel eröffnet: Ihre Schwäche ist im Grunde eine Stärke, die Sie nur zur falschen Zeit aktivieren.

Das heißt: Sie können von Ihrer Schwäche profitieren, wenn Sie nur deren starke Seiten entdecken und sich diese zukünftig in den richtigen Situationen zunutze machen.

Wie Sie vom Minus zum Plus gelangen: 5 Schritte

Fünf einfache Schritte helfen Ihnen dabei, den neuen Blickwinkel „Schwäche = Stärke“ einzunehmen.

1. Schritt: Benennen Sie Ihre Schwäche

Einerseits werden uns unsere Schwächen im Alltag dauernd bewusst, andererseits schieben wir sie dann aber auch schnell beiseite, um nicht länger als nötig dem damit verbundenen Minusgefühl ausgesetzt zu sein. Deshalb mag Ihnen der erste Schritt, das Benennen einer Schwäche, nicht ganz leicht fallen.

Es kann Ihnen passieren, dass Sie zusammen mit der Schwäche ein Bündel aus Gedanken und Gefühlen aus der Verbannung in Ihr Bewusstsein holen. Es wird Schwächen geben, die Sie schon sehr lange begleiten.

Das heißt: Sich Ihrer Schwäche zu stellen, mag in manchen Fällen tatsächlich eine Portion Mut erfordern. Doch die schriftliche Fixierung schafft auch eine innere Loslösung, denn die Schwäche gelangt ans Licht, wo sie ihren Schrecken meist rasch verliert.

Um die jeweilige Schwäche konkreter erfassen zu können, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf …

  • die Schwäche an sich: Welche fällt Ihnen ein, welche macht Ihnen zu schaffen (siehe auch „Wie Sie Ihre Schwächen entdecken“ weiter unten)? Achtung: „Wertungsgeschütze“ Ihres inneren Kritikers wie „Ich bin ein Versager!“ oder „Immer mache ich alles falsch!“ thematisieren keine bestimmte Schwäche!
  • den Auslöser: Was hat Sie an diese Schwäche herangeführt? Was ist passiert, dass Sie sich dieser Schwäche bewusst wurden?
  • das Wann: Wann tritt/trat diese Schwäche auf? Gibt es ein erkennbares Muster?
  • das „Bei wem“: Gibt es Personen, die die Schwäche bei Ihnen immer wieder aktivieren, sie gar provozieren? Die Ihnen diese Schwäche vorhalten, Sie deshalb abwerten? Oder die die Schwäche gezielt nutzen, um Sie „klein zu halten“?
  • Beachten Sie: Je genauer Sie benennen, in welchen Situationen oder bei wem eine Schwäche am ehesten auftritt, umso einfacher können Sie bei Ihrem gewohnten Muster eine Änderung einleiten!

Übung: Wie Sie Ihre Schwächen entdecken

  • Beginnen Sie den Satz mit:

    Ich bin …


    Einige „Schwäche-Beispiele“:

    zu nachsichtig, zu freundlich, zu schnell aufgebracht, zu perfektionistisch, zu gutmütig, zu distanziert, zu vorlaut.
  • Beginnen Sie den Satz mit:

    Ich habe …


    Einige „Schwäche-Beispiele“:

    mich einwickeln lassen, mich lächerlich gemacht, mich nicht durchgesetzt, keine Grenzen gesetzt.
  • Beginnen Sie den Satz mit:

    Ich kann …


    Einige „Schwäche-Beispiele“:

    nicht so gut argumentieren, meine Klappe nicht halten, schlecht Forderungen stellen, nicht Nein sagen, nicht nachgeben.
  • Beginnen Sie den Satz mit:

    Ich sollte …


    Einige „Schwäche-Beispiele“:

    aufmerksamer zuhören, nicht unterbrechen, mehr Verständnis aufbringen, mich mehr für die Sache einsetzen, mich besser verkaufen, mehr Ehrgeiz entwickeln.
  • Beginnen Sie den Satz mit:

    Ich muss …


    Einige „Schwäche-Beispiele“:

    mich mehr zusammenreißen, mehr in den Vordergrund treten, härter durchgreifen, mich weniger verantwortlich fühlen, konzentrierter sein, Rücksicht nehmen.

2. Schritt: Verdeutlichen Sie sich Ihre Gedanken und Gefühle

Was denken und fühlen Sie in dem Moment der Schwäche-Erfahrung? Versuchen Sie jetzt, Ihre innere Reaktion zu benennen – und das möglichst neutral, also ohne Kritik! Typische Reaktionen sind z. B.:

  • Glaubenssätze abspulen: „Man soll immer nett und höflich sein!“, „Man unterbricht andere nicht!“
  • Sich selbst beschimpfen: „So blöd kann aber auch nur ich sein!“, „Ich Idiot!“
  • Verallgemeinern: „Nie gelingt es mir, meine Meinung durchzusetzen“, „Immer lasse ich mir diesen Mist aufs Auge drücken.“
  • Unüberprüfte Schlussfolgerungen ziehen: „Jetzt denken alle, ich habe keine eigene Meinung“, „Dadurch habe ich meinen guten Eindruck verspielt“, „Ich gebe auf. Ich schaffe es nicht.“
  • Abschwächen/beiseite schieben: „Da stehe ich drüber“, „Besser nicht weiter drüber nachdenken.“
  • Unrealistische Vorsätze fassen: „Jetzt werde ich es allen zeigen!“, „So etwas passiert mir nicht noch einmal!“, „Beim nächsten Mal kann der sich die Zähne an mir ausbeißen!“

Die Folgen der inneren Reaktion

Die Gefühle sind die eine Sache – was sie in Ihnen auslösen, ist noch eine ganz andere. Denn: Ihre Reaktion auf die erfahrene Schwäche bleibt nicht ohne Wirkung auf Sie – ganz gleich, wie schnell Sie die Erfahrung „wegpacken“. Auswirkungen bekommen Sie möglicherweise in den folgenden Bereichen zu spüren:

  • Selbst-Bild: Sie erfahren die „Downsize me“-Spirale, bei der Ihre Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfolge plötzlich nichts mehr gelten – die erlebte Schwäche übertüncht in diesem Moment alles.
  • Arbeits- und Leistungsfähigkeit: Sie kommen aus dem Takt – mehr oder weniger; das hängt davon ab, wie sehr die Schwäche Gefühle und Gedanken aktiviert hat. Aber eine Zeit lang, eine Minute, eine Stunde oder den Rest des Tages wird die erlebte Schwäche Ihre Leistung reduzieren.
  • Interaktionen: Ihre Reaktion auf die Schwäche (ganz gleich, ob Sie mit „jetzt erst recht“ oder „in Zukunft nie wieder“ reagieren) nimmt Ihnen die Selbstsicherheit und Ungezwungenheit im Umgang mit anderen Menschen. Das verkrampft und macht diesen Umgang mühsamer. Vielleicht setzen Sie bewusst deutlichere Grenzen, sind zäher und treten machtvoller auf, als Sie sich in dem Moment eigentlich fühlen. Oder Sie nehmen sich zu sehr zurück und fühlen sich zu verunsichert, um gegenzusteuern.
  • Körperliche Reaktionen: Vielleicht wird Ihnen übel, schwindelig. Oder Sie fühlen sich plötzlich matt. Vielleicht spannen Sie auch Ihre Muskeln an, beißen die Zähne zusammen. In jedem Fall löst die Schwäche-Erfahrung Stress in Ihnen aus, der spürbare körperliche Folgen haben kann.
  • Motivation: Ihre Reaktion auf die Schwäche nimmt Ihnen den „Wind aus den Segeln“ – was sich auch auf Ihre Motivation auswirkt, auf Ihre Ziele und die Zuversicht, diese zu erreichen.

Solche Auswirkungen sind kein „Pappenstiel“ – und vor allem: Ihre Schwäche wird dadurch erst wirklich zur Schwäche. Unbewusst und ungewollt berauben Sie sich Ihrer Stärke. Und das alles nur, weil Ihr angelernter Blickwinkel Sie veranlasst, negativ auf die sogenannte Schwäche zu reagieren.

Der Psychoanalytiker C. G. Jung hat das einfach und treffend folgendermaßen formuliert: „Es hängt alles davon ab, wie wir die Dinge sehen, und nicht davon, wie sie sind.“ Ihre Schwäche ist zunächst einmal nur ein bestimmtes Verhalten, das Sie zeigen – sonst nichts.

Warum wird beispielsweise das Unterbrechen als „Schwäche“ und als „schlecht“ empfunden? Oder dass Sie sich in einer bestimmten Situation nicht durchgesetzt haben?

Weil Ihr Blickwinkel Ihnen das so vermittelt. Und dieser Blickwinkel wird durch Ihre Gedanken und Gefühle weiter zementiert. Prüfen Sie deshalb, was in Ihnen abläuft und wie es sich auf Sie auswirkt. Allein die Erkenntnis befähigt Sie, zukünftig (selbst-)bewusster mit sich umzugehen.

3. Schritt: Entdecken Sie Ihre Fähigkeiten und Kompetenzen

Jetzt heißt es, die Fähigkeiten und Kompetenzen zu erkennen, die in Ihrer Schwäche stecken. Überlegen Sie beispielsweise:

  • Was müssen Sie beherrschen, um diese Schwäche einsetzen zu können?
  • Welche Fähigkeiten benötigen Sie für diese Schwäche?
  • Was verbirgt sich in ihr?

Schwäche = Stärke: Einige Beispiele

  • Ihre Schwäche:

    Ich unterbreche andere.

    Kompetenzen, Fähigkeiten, die sich offenbaren – Ihre verborgene Stärke:

    Ich bilde mir schnell eine Meinung, kann schnell und auf den Punkt formulieren, bin hellwach, konzentriert und bemerke so Details, die hinterfragt werden müssen; ich steige aktiv in Gespräche ein.
  • Ihre Schwäche:

    Ich sollte mehr Verständnis aufbringen.

    Kompetenzen, Fähigkeiten, die sich offenbaren – Ihre verborgene Stärke:

    Ich halte an meinen Werten und Vorstellungen fest, gebe nicht so schnell nach, bleibe mir treu, bin berechenbar.
  • Ihre Schwäche:

    Meine Schlagfertigkeit lässt zu wünschen übrig.

    Kompetenzen, Fähigkeiten, die sich offenbaren – Ihre verborgene Stärke:

    Ich bin authentisch in meinen Reaktionen, zahle nicht mit gleicher Münze heim, zeige meine Verletzlichkeit und Sprachlosigkeit, vermeide „heiße Luft“, halte nichts von Witzen auf Kosten anderer.
  • Ihre Schwäche:

    Ich bin ein Perfektionist.

    Kompetenzen, Fähigkeiten, die sich offenbaren – Ihre verborgene Stärke:

    Ich achte auf Details, bin sehr gründlich, überlasse nichts dem Zufall, plane alles gewissenhaft, bin zuverlässig.

4. Schritt: Die positiven Auswirkungen Ihrer Schwäche für andere

Ihre Schwäche wird Ihnen stets durch äußere Auslöser bewusst. Im Umgang mit Kollegen beispielsweise erleben Sie sich als schüchtern. In einem Gespräch fällt eine Bemerkung, die ein Gefühl der Schwäche in Ihnen auslöst. Sie hören, sehen oder lesen etwas – es sind immer Impulse von außen, die Sie aufgreifen und entsprechend „ver-werten“.

Jedoch: Ihre negative Wertung bei dieser „Verwertung“ hat wenig mit dem Auslöser zu tun – ein Feedback, das die negativen Folgen bestätigt, haben Sie gar nicht erhalten. Ihre negative Wertung stützt sich auf Ihre eigene Innensicht, und so entsteht ein immer größeres Ungleichgewicht zwischen Ihnen und dem Außen.

Ein Beispiel: Das Unterbrechen als reine Unhöflichkeit zu bewerten, weil Sie damit Ihr Gegenüber überrollen und dieser hilflos verstummen muss, zeigt nur eine Seite der Medaille: die Seite, bei der der andere durch Sie zum Opfer wird.

Glauben Sie, dass Ihr Kollege dieser Sicht zustimmen würde? Wahrscheinlicher ist, dass Ihre Schwäche dem anderen auch irgendeinen Vorteil bringt, sonst würde er das Spiel ja nicht länger mitspielen.

Der Kollege könnte beispielsweise sagen: „Lass mich bitte ausreden“ oder „Ich mag es nicht, wenn du mich unterbrichst“. Tut er es? Wenn nicht, dann stört es ihn wohl auch nicht weiter.

Denken Sie daran: Der andere trägt innerhalb einer sozialen Interaktion stets Verantwortung für sein eigenes Wohlbefinden, also für sich selbst – das ist nicht Ihre Aufgabe.

Es ist also wirklich Zeit, sich vom schlechten Gewissen, von Schuldgefühlen oder anderen negativen Gedanken zu befreien. Ändern Sie gezielt Ihren Blickwinkel, und machen Sie sich die positiven Auswirkungen bewusst, die Ihre Schwäche dem Außen beschert. Folgende Fragen unterstützen Sie dabei:

  • Welchen Gewinn erfährt der andere durch Ihre Schwäche? Welchen Vorteil beschert sie ihm?? Welche positiven Auswirkungen hat Ihre Schwäche?
  • Was bleibt ihm so erspart? Womit muss er sich nicht auseinandersetzen?
  • Was stärkt Ihre Schwäche in ihm?

Beispiele für positive Auswirkungen Ihrer Schwäche für andere

  • Ihre „Schwäche“:

    Ich unterbreche andere.

    Die positiven Auswirkungen für andere:

    Der andere weiß, dass ich ihm zuhöre, er muss sich behaupten, gegensteuern, noch aktiver in das Gespräch eingreifen, ist mental und verbal herausgefordert.
  • Ihre „Schwäche“:

    Ich sollte mehr Verständnis aufbringen.

    Die positiven Auswirkungen für andere:

    Der andere weiß, woran er mit mir ist, kann auf meine Werte bauen, erhält ehrlich gemeintes Feedback.
  • Ihre „Schwäche“:

    Meine Schlagfertigkeitl ässt zu wünschen übrig.

    Die positiven Auswirkungen für andere:

    Der andere braucht sich keine Sorgen zu machen, dass ich „zurückschlage“; er mag für sich „glänzen“; Gesprächsniveau verändert sich (weg vom „Spiel“).
  • Ihre „Schwäche“:

    Ich bin ein Perfektionist.

    Die positiven Auswirkungen für andere:

    Andere können sicher sein, dass sie Top-Qualität erhalten; ich nehme die Kontrolle vorweg, arbeite anderen perfekt zu.

5. Schritt: Ziehen Sie neue Schlussfolgerungen

Dank der Erarbeitung des 3. und 4. Schritts sehen Sie Ihre Schwäche nun in einem neuen Licht. Deshalb ist es mehr als angebracht, dass Sie auch eine neue Schlussfolgerung ziehen – also Ihre bisherige Wertung verabschieden und eine passendere, den erarbeiteten Tatsachen adäquate formulieren. Sie verstärken so Ihre innere Erkenntnis und Wandlung, sodass Sie die Schwäche nicht länger als Schwäche betrachten.

Gleichzeitig können Sie diese Formulierungen als Erinnerungsanker verwenden, der Ihnen in Situationen, in denen Ihre Schwäche wieder auftritt, Ihre Fähigkeiten schnell vermittelt.

Vielleicht schreiben Sie sich die neue Schlussfolgerung auf ein Kärtchen, das Sie neben Ihren PC oder in Ihr Zeitplanbuch legen, um so während des Tages ab und zu daran erinnert zu werden.

Beispiele für neue Schlussfolgerungen über Ihre vermeintliche Schwäche

  • Ihre „Schwäche“:

    Ich unterbreche andere.

    Beispiel für eine neue Schlussfolgerung:

    Ich bin ein hoch konzentrierter und aktiverGesprächspartner.
  • Ihre „Schwäche“:

    Ich sollte mehr Verständnis aufbringen.

    Beispiel für eine neue Schlussfolgerung:

    Ich kenne meine (Wert-)Vorstellungen und vertrete diese nach außen – auch wenn es unangenehm wird.
  • Ihre „Schwäche“:

    Meine Schlagfertigkeit lässt zu wünschen übrig.

    Beispiel für eine neue Schlussfolgerung:

    Ich zeige durch mein erstauntes Schweigen, dass gerade die Grenzen des Respekts überschritten wurden.
  • Ihre „Schwäche“:

    Ich bin ein Perfektionist.

    Beispiel für eine neue Schlussfolgerung:

    Ich bin sehr gewissenhaft und zuverlässig bei der Ausübung meiner Tätigkeiten.

Tipp: Formulieren Sie Ihre neue Schlussfolgerung kurz, knapp und immer positiv. Achten Sie außerdem darauf, dass Sie sich mit dieser Schlussfolgerung wirklich identifizieren können. Sollten Sie Widerstand spüren, Ihre Schlussfolgerung beispielsweise als „beschönigt“ oder wirklichkeitsfremd empfinden, schreiben Sie sie solange um, bis sie für Sie rundum stimmig ist.

Wann setzen Sie die neu gewonnene Stärke ein?

Jetzt können Sie das Ganze noch um einen Schritt vertiefen. Nehmen Sie sich Ihre neue Schlussfolgerung vor, und überlegen Sie, in welchen konkreten Situationen diese „ehemalige Schwäche = neue Stärke“ Ihnen zukünftig hilfreich sein kann.

  • Welche Leistungen und/oder Aufgaben könnten Sie durch den Einsatz Ihrer neuen Stärke optimieren, erleichtern oder erfolgreicher erledigen?
  • Bei wem (Kunden, Kollegen, Mitarbeiter etc.) böte der Einsatz Ihrer neuen Stärke Vorteile für Sie, für die Zusammenarbeit, für die Auftragsvergabe?

Finden Sie also Einsatz- und Übungsmöglichkeiten für Ihre neue Stärke! Dabei helfen Ihnen die folgenden Fragen:

  • In welchen Situationen wäre der Einsatz Ihrer neuen Stärke vorteilhaft? Wann sollten Sie in jedem Fall auf sie zurückgreifen?
  • Bei wem bescherte Ihnen diese neue Stärke einen Gewinn/einen Vorteil?
  • Welche neuen Verhaltensoptionen ergeben sich für Sie daraus?

Beispiele: In welchen Situationen Ihre Schwäche zur Stärke wird

  • Ihre Schwäche/Stärke …

    Ich unterbreche andere. (Heißt auch: Ich bin ein hoch konzentrierter und aktiver Gesprächspartner.)

    … kann in folgenden Situationen hilfreich sein:
    • bei Dauerrednern 
    • in Meetings, bei denen vom Thema abgeschweift wird
    • bei Sitzungen, in denen die Interessen der Kunden/des Teams etc. nicht gehörtwerden
    • Ihre Schwäche/Stärke …

      Ich sollte mehr Verständnis aufbringen. (Heißt auch: Ich kenne meine (Wert-)Vorstellungen und vertrete sie nach außen – auch wenn es unangenehm wird.)

      … kann in folgenden Situationen hilfreich sein:
      • bei heiklen Gesprächen, in denen nicht vom Standpunkt abgerückt werden darf
      • als Teamsprecher bei Verhandlungen, um nicht „umzufallen“
      • in Diskussionen/Pressekonferenzen
  • Ihre Schwäche/Stärke …

    Meine Schlagfertigkeit lässt zu wünschen übrig. (Heißt auch: Ich zeige durch mein erstauntes Schweigen, dass gerade die Grenzen des Respekts überschritten wurden.)

    … kann in folgenden Situationen hilfreich sein:
    • Ich kann Respektlosigkeit „spiegeln“,
    • mich auf die Seite des „verbal Geprügelten“ schlagen,
    • es als Signal nutzen, um Schieflagen aufzudecken,
    • meine Gefühle authentisch äußern, um so einen neuen Gesprächsprozess bei den Beteiligten einzuleiten (wichtig bei Konflikten/Ausgrenzungen).
  • Ihre Schwäche/Stärke …

    Ich bin ein Perfektionist. (Heißt auch: Ich bin sehr gewissenhaft und zuverlässig bei der Ausübung meiner Tätigkeiten.)

    … kann in folgenden Situationen hilfreich sein:
    • zur Endkontrolle wichtiger Berichte/Präsentationen
    • zur Planung/Koordinierung von Projekten
    • bei besonders wichtigen Projekten/heiklen Kunden
    • als Kontrollinstanz, die Kreativvorschläge auf ihre Umsetzbarkeit hin prüft

Praxis-Tipps: So setzen Sie das „Schwäche = Stärke“-Modell optimal um

  • Üben – ja, richtiggehend üben! – Sie den Einsatz Ihrer Schwäche/Stärke. Bisher haben Sie dieses Verhalten nur unbewusst und damit vielleicht auch ungeschickt angewandt. Die Fähigkeit benötigt also einen Feinschliff. Üben Sie beispielsweise das Unterbrechen, indem Sie sich geschickte Formulierungen für Ihr Intervenieren überlegen, wie „Wunderbar, dass Sie diesen Aspekt erwähnen …“ oder „Vollkommen richtig. Dazu möchte ich nur Folgendes ergänzen …“.
  • Sollten Ihnen bestimmte Schwächen trotz Ihrer Bearbeitung weiterhin negativ erscheinen, gehen Sie am besten die Schritte 2 bis 4 noch einmal durch. Oftmals offenbart Ihr Unterbewusstsein Ihnen bestimmte Gedanken, Gefühle und Erkenntnisse erst nach und nach (Zwiebel-Prinzip). In solchen Fällen gibt es also Weiteres zu entdecken.
  • Wenn Ihnen jemand Ihre Schwäche als „negativ“ vorwirft, denken Sie daran, dass das nur seinem eigenen Blickwinkel entspricht! Sie können dafür Verständnis zeigen, müssen es aber nicht. Scheuen Sie sich in jedem Fall nicht, Ihre neu gewonnene „Schwäche = Stärke“ selbstbewusst zu vertreten und sich gegebenenfalls gegenüber Forderungen oder Ratschlägen abzugrenzen.
  • Geben Sie sich Zeit. Manche Schwächen lösen vielleicht so starken Widerstand aus, dass Sie große Schwierigkeiten haben, die Fähigkeiten und positiven Auswirkungen zu erkennen. Konzentrieren Sie sich in diesem Fall erst einmal lange und ausführlich auf den 2. Schritt. Welche Gefühle halten Sie hier fest? Welche Gedanken blockieren Sie? Diese Auseinandersetzung hilft Ihnen, den Widerstand aufzulösen und sich Ihre Stärke zu erschließen.