Ein fester Händedruck, aufmerksames Zuhören, der richtige Gebrauch der Dessertgabel, ein sicheres Gefühl dafür, wann man in russischer Gesellschaft das Glas über die Schulter wirft und wann nicht, all das macht uns in den Augen unserer Beobachter beliebt. Und da der Mensch in erster Linie nach Profit giert, dieser ohne Beliebtheit aber kaum zu haben ist, hat die Unterwerfung unter das Diktat der Etikette eine segensreiche Wirkung auf die Verteilung der Güter. Kosmopolitismus in Fragen der Etikette forderte schon Adolph Freiherr von Knigge, dessen Standardwerk übrigens nicht heißt "Über den Umgang mit Essen", sondern "Über den Umgang mit Menschen". Nachdem eine stilentwöhnte Elterngeneration ihren Kindern zwar den richtigen toskanischen Rotweintipp geben kann, nicht aber Auskunft darüber, wie nun das Rotweinglas zu halten sei, herrscht Ratlosigkeit unter denjenigen, die sich neu auf das gesellschaftliche Parkett wagen müssen. Die Fragen, wann Geschenke geöffnet werden, wie man ein Duz-Angebot freundlich ablehnen kann und wer wem in den Mantel hilft, harren in Zeiten der komplizierter gewordenen Geschlechterverhältnisse einer Antwort. Für deren Beantwortung steht nun ein Millenniumsknigge des Standardwerks "Stil & Etikette" bereit. Ob das frühere Schneideverbot für Salate heute noch besteht und wie man eine Professorin, die neben ihrem Dr. noch einen Dr. h. c. hat, korrekt anspricht, sind die wahren Fragen der Zukunft.
Den Beitrag von Antje Schmelcher gibt es im Internet unter www.welt.de.