"Meine sehr verehrten Damen und Herren", sagte Helmut Schmidt gern zu Beginn einer Rede und klopfte sein Manuskript aufs Pult, "ich will mal den Text, den mir meine Redenschreiber hier aufgeschrieben haben, beiseite legen." Der Fluch des Ghostwriters ist, dass ihn keiner kennt - und erst recht nicht erkennen darf: "Eine Rede ist immer die des Redners", sagt Thilo von Trotha, Vorsitzender des Verbandes der Redenschreiber deutscher Sprache, "so wie ein Prozess letztlich vom Mandanten verloren wird und nicht vom Anwalt. Wenn Ihnen der Arzt das falsche Bein absägt, dann war es ja trotzdem Ihr Bein, nicht wahr?" In Deutschland kommt keine Führungskraft in eine Schlüsselposition, ohne jahrzehntelang geredet, geworben und überzeugt zu haben. Top-Manager können reden und brauchen ihre Ghostwriter vor allem, damit dieser Material sammelt, komplizierte Fakten aufbereitet und alles in eine nette Form gießt. "Viele Redner wissen nicht, dass Rede Kommunikation ist," weiß Trotha. "Niemand darf seinem Publikum einfach nur sein Wissen vor die Füße knallen. Vielmehr muss er alles so präsentieren, dass der Zuhörer sich eingebunden fühlt und sich in der Rede wiederfindet."
Artikel von Bernd Matthies in: Der Tagesspiegel