Havarie im Betrieb: Pflichten und Vorgehen im Havariefall

Bei Havarien oder vergleichbaren Unfällen kommt es nicht selten vor, dass Umweltschadstoffe teilweise in großen Mengen freigesetzt werden und Mitarbeiter, Boden oder Grundwasser gefährden. Was zu tun ist und welche präventiven Maßnahmen sinnvoll sind, zeigt dieser Beitrag.
Inhaltsverzeichnis

Was gilt als Havarie?

Ursprünglich wird die Bezeichnung Havarie für einen Schiffsunfall verwendet. Dringt z.B. Wasser in ein Schiff ein und es droht zu kentern, handelt es sich um eine Havarie. Der Begriff lässt sich aber auch auf Gebäude übertragen. In diesem Sinne ist eine Havarie ein unvorhergesehener Störfall, der plötzlich eintritt, z.B. durch eine Explosion oder extreme Witterungsverhältnisse. Durch die Havarie werden Gesundheit und Leben von Menschen gefährdet. Außerdem ist mit großen Schäden an Sachen zu rechnen, z.B. am Gebäude oder an Maschinen.

Beispiele für Havarien:

  • Rohrbrüche im Bewässerungssystem
  • Lecks an Gasleitungen
  • Leckagen an Maschinen und Austritt von giftigen Dämpfen oder Stoffen
  • Brände in Gebäuden
  • Schäden an der Elektrik, die zum Ausfall wichtiger Maschinen führen
  • Große Wasserschäden durch abgedeckte Dächer

Was müssen Unternehmer und Gewerbetreibende im Fall einer Havarie tun?

Gibt es einen ernstzunehmenden Notfall im Unternehmen, müssen Gewerbetreibende oder Unternehmen die Havarie unverzüglich an die zuständige Behörde melden. In der Regel handelt es sich dabei um das für die Branche oder den Bereich zuständige Landesamt. Unternehmen sollten sich deshalb im Vorfeld unbedingt darüber informieren, welches Stelle für Meldungen in ihrem Fall zuständig ist. Sind Gewässer oder die Geologie von einer Havarie betroffen, muss die Meldung z.B. an das jeweilige Landesamt für Geologie und Bergbau erfolgen. Sind vom Austritt der Gefahrstoffe auch Dritte außerhalb des Betriebs betroffen, ist das Landesamt für Verbraucherschutz des jeweiligen Bundeslandes zu informieren.

Diese Sachverhalte müssen den Behörden mitgeteilt werden:

  • Jeder Unfall und jede Betriebsstörung, welche Mitarbeitende gesundheitlich beim Umgang mit Gefahrstoffen geschädigt haben.
  • In Folge von austretenden Giftstoffen oder anderen Unfällen im Rahmen der Havarie verstorbenen oder erkrankten Personen.
  • Die genaue Tätigkeit, welche die betroffenen Personen ausgeübt haben sowie die damit verbundene Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers.

Die Meldung an die Behörden muss „unverzüglich“ erfolgen, ohne sogenannte „schuldhafte Zeitverzögerung“.

Wichtig: Die Unfallmeldung an die Behörden ist nicht zu verwechseln mit der Unfallmeldung an die Unfallversicherung.

Gesetzliche Grundlagen bieten die Gefahrstoffverordnung sowie das Siebte Sozialgesetzbuch.

Die Behörden haben übrigens das Recht, dem Unternehmen oder einzelnen Mitarbeitenden den Umgang mit Gefahrstoffen zu untersagen. Bei Gefahr im Verzug darf die Behörde Anordnungen gegenüber weisungsberechtigten Personen im Unternehmen erlassen.

Havarieplan erstellen um im Havariefall schnell handlungsfähig zu sein

Um im Fall einer Havarie angemessen handeln zu können, sollten Unternehmen einen Havarieplan erstellen. Er kann Teil der Gefährdungsbeurteilung sowie des betrieblichen Risikomanagements sein. Ein Havarieplan lässt sich in drei Schritten aufstellen:

Erfassen des Status Quo

Wie bei einer Gefährdungsbeurteilung ermitteln Verantwortliche im Unternehmen, wo mögliche Gefahren bestehen könnten.

Beispielfragen:

  • Wo entstehen Giftstoffe und wie werden sie transportiert?
  • Welche Maschinen arbeiten mit gesundheitsgefährdenden Stoffen?
  • Welche Arbeitsbereiche sind im Fall einer Havarie besonders gefährdet?
  • Gibt es bereits präventive Maßnahmen?
  • Werden alle rechtlichen Vorschriften zum Umgang mit Gefahrstoffen eingehalten?

 Evaluation der Bestandsaufnahme und Ableitung von Maßnahmen

Auf der Basis der Gefährdungsbeurteilung lassen sich schließlich Maßnahmen zum Schutz der Belegschaft, der Natur und der Bevölkerung ableiten. Darüber hinaus können Notfallpläne und Verantwortlichkeiten für Notfälle festgelegt werden. Ergänzt werden die Pläne um Meldepflichten (Welche Behörde muss in welchem Fall informiert werden?).

Neben Maßnahmenplänen für den akuten Havariefall werden auch präventive Maßnahmen erarbeitet. Hierzu zählen z.B. regelmäßige Schulungen und Unterweisung von Mitarbeitenden oder die Weiterbildung von ausgewählten Mitarbeitenden zu Brandschutzbeauftragten oder Betriebssanitätern. Präventive Maßnahmen können auch technischer Natur sein. So kann die Bewertung des Status Quo ergeben, dass zusätzliche Lüftungsanlagen benötigt werden oder die Belegschaft mit besserer Schutzkleidung ausgestattet werden muss. Auch das Anlegen von Fluchtplänen und die Auszeichnung von Fluchtplänen gehören zum Risikomanagement, das die gesundheitlichen und lebensbedrohenden Risiken einer Havarie im Betrieb verringern soll. 

Dokumentation und Veröffentlichung des Risikomanagements

Alle Maßnahmen werden nach Relevanz geordnet und als Betriebsanweisung einem spezifischen Tätigkeitsbereich zugeordnet.

Im Rahmen der betrieblichen Unterweisung werden die Mitarbeitenden für den Notfall geschult. Entsprechende technische Einrichtungen werden nachgerüstet, sofern die Evaluation ergeben hat, dass Bedarf besteht.

Zum Notfallmanagement gehört es auch, Ersthelfer auszubilden oder Betriebssanitäter einzustellen, die auf Vergiftungen durch Gefahrstoffe angemessen reagieren können bis professionelle Hilfe am Unfallort eintrifft. Daneben können Unternehmen Sicherheitsfachkräfte weiterbilden, Brandschutzbeauftragte ernennen oder einen Betriebsarzt einsetzen, um im Notfall gerüstet zu sein.

Fluchtpläne, die Ausstattung mit Feuerlöschern oder anderen Werkzeugen zur Brand- oder Giftstoffbekämpfung gehört zu den weiteren Bestandteilen des Risikomanagements.

Alle Maßnahmen werden dokumentiert und regelmäßig auf ihre Tragfähigkeit überprüft.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Eine Risikomanagement für den Havariefall im Betrieb ist wichtig, denn der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Angestellten eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Sie ergibt sich u.a. aus. dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASig), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und den Regelwerken der Berufsgenossenschaften.

Eine daraus folgende Pflicht ist z.B. die Gefährdungsbeurteilung und die Unterweisung.

Ergibt sich nach einer Havarie, dass der Arbeitgeber nicht ausreichend für die Sicherheit seiner Mitarbeitenden gesorgt hat, können diese u.a. Schadensersatz fordern. Ebenso sind strafrechtliche Konsequenzen möglich.

Fazit: Prävention beugt gravierenden Sach- und Personenschäden bei einer Havarie im Betrieb vor

Eine Havarie im Betrieb ist meist immer mit hohen wirtschaftlichen Schäden verbunden. Geborstene Leitungen können z.B. die Produktion zum Stillstand bringen oder die Arbeit in einem bestimmten Bereich für viele Tage unmöglich machen. Doch vor allem tragen Unternehmen Verantwortung für die Gesundheit und das Leben ihrer Beschäftigten. Aus diesem Grund ist ein strukturiertes Risikomanagement elementar, um mögliche Personenschäden im Fall einer Havarie zu vermeiden. Um internationale Standards sicher zu erfüllen, können Unternehmen z.B. eine Zertifizierung ihres Risikomanagements nach ISO 31000 durchführen.