Arbeitssicherheit in der Glasherstellung: Bewusstsein steigt

In Deutschland gibt es nach wie vor viele Glas produzierende und verarbeitende Unternehmen – daran hat auch die Corona-Krise nichts geändert. Doch die Glasbranche ist auch eine risikoreiche, denn die Be- und Verarbeitung von Flachglas führte in den letzten Jahrzehnten zu vielen Unfällen. In den letzten Jahren ist jedoch eine positive Tendenz festzustellen.
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Knapp 54.000 Beschäftigte zählte die Glasindustrie 2020. In 388 Betrieben produzierten diese 7.356.000 Tonnen Glas. Die meisten davon gehen in mittelständischen Industriebetrieben ans Werk und widmen sich der Flachglasherstellung oder -veredelung. Sie stellt damit den größten Teilbereich dar, gefolgt von der Hohlglasherstellung. Diese Zahlen legt der Bundesverband Glasindustrie e.V. jedes Jahr offen, der als Sprachrohr der Branche fungiert. Auch wenn der Umsatz im Gegensatz zum Vorjahr erneut etwas gesunken ist, so gibt es nach wie vor in keinem anderen europäischen Land so viele Glas produzierende Betriebe wie hier. Und in Deutschland wird auch der Erfindergeist großgeschrieben – so erblicken immer wieder neue Innovationen im Glasbereich das Licht der Welt. Hinzu kommt, dass diese Sparte – genauso wie andere – derzeit einen weitreichenden Automatisierungsprozess durchläuft, der weitere Veränderungen mit sich bringt. Viele neue Maschinen werden kreiert, die bei richtiger Anwendung Prozesse erleichtern und beschleunigen können.

In Summe gibt es also sehr viel Positives über die Glasbranche zu berichten. Doch auf der anderen Seite gehören Glas- und Keramikberufe nach wie vor zu jenen mit der höchsten Ausfallquote in Sachen Personal. Arbeitsunfähigkeit oder Früh-Berentung genauso wie Arbeitsunfälle sind die Gründe hierfür. So ereigneten sich 2020 laut der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) erneut über 4.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle. Zu den größten Risikofaktoren gehören Lärm, große Hitze, schwere Lasten, langanhaltende oder einseitige Beanspruchung eines bestimmten Körperteils und der Umgang mit Stoffen, die nicht ungefährlich sind. Schließlich ist es auch wichtig, die Maschinen korrekt zu beherrschen, um den fragilen Rohstoff Glas nicht zu zerstören und die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Darüber hinaus hinterlässt auch die demographische Entwicklung ihre Spuren in dieser Branche: So fehlen vielfach junge Fachkräfte, wodurch die Überalterung des Personals Fahrt aufnimmt. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch eine positive Tendenz feststellbar.

Arbeitsunfälle sinken

Obwohl über 4.149 Arbeitsunfälle noch immer um 4.149 Unfälle zu viel sind, so hat sich diese Zahl im Vergleich zu 2019 um 9 Prozent verringert. Zwar sanken auch die Beschäftigungszahlen leicht und es sind Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen, wie Kurzarbeit, zu berücksichtigen, doch auch der Verlauf der relativen Unfallquote zeigt seit ein paar Jahren nach unten. Mit anderen Worten: Auch die Zahl der meldepflichtigen Unfälle je 1000 Versicherte ist gesunken. Lag die Quote laut VBG 2019 noch bei 30,6, so sind es nun 29 – und damit erstmals unter 30. Kleiner Wermutstropfen: Im Vergleich zur gewerblichen Wirtschaft ist dies immer noch viel – hier liegt die Quote bei 23.

Gefahrenstoffe und Lärm

Doch es geht nicht nur um Arbeitsunfälle, sondern auch Berufskrankheiten kamen in der Glasindustrie in den letzten Jahrzehnten immer wieder vor. Grund hierfür waren Gefahrenstoffe, mit denen Beschäftigte in Berührung kommen. So gab es zwischen 2012 und 2016 insgesamt knapp 1000 bestätigte Fälle von Berufskrankheiten, darunter knapp 300 durch Krebs verursachte Fälle. Dahinter rangieren Hautkrankheiten und Leiden, die in Zusammenhang mit Lärm stehen. Aber auch hier zeigen sich ein höheres Bewusstsein und eine Entwicklungsumkehr: So gingen jene Berufskrankheiten, die mit Krebs in Verbindung stehen, zwischen 2007 und 2011 um 24 Prozent zurück, sowie jene, die auf Lärm zurückzuführen sind, um mehr als 7 Prozent.

© voltamax – Pixabay

Bewusstsein für Arbeitssicherheit steigt

Ein Grund hierfür könnte das gestiegene Bewusstsein um die Arbeitssicherheit sein, verbunden mit Präventionsmaßnahmen. So startete die VBG vor wenigen Jahren die „Aktion für mehr Sicherheit“ und besuchte etliche Flachglas be- und verarbeitende Betriebe, um potentielle Gefahren ausfindig zu machen und Unternehmen bei der Präventionsarbeit zu unterstützen. Viele davon wiesen zunächst keine zufriedenstellende Arbeitsschutzorganisation auf – Maßnahmen wurden nicht überprüft und evaluiert oder die Zuständigkeiten innerhalb des Betriebs waren nicht geklärt. Vor allem der Transport von Glas innerhalb verschiedener Bearbeitungsstationen barg große Gefahren. Vieles davon lässt sich umgehen, indem beispielsweise:

  • Vor dem Beladen geprüft wird, ob das Transportgestell sicher beladen werden kann (Gibt es Schäden? Kann etwas verrutschen? Gibt es Vorrichtungen zur Sicherung wie Spanngurte, Klemmen etc.?)
  • Nach dem Beladen geprüft wird, ob die Güter sicher transportiert werden können (ist die Ladung gesichert? Wie sieht es mit der Tragfähigkeit aus? Ist das Gestell gleichmäßig beladen? Ist der Boden sauber und eben oder gibt es Hürden bzw. Verunreinigungen? Gibt es Neigungslehren, die benutzt werden können? Sind die Abstellplätze groß und breit genug sowie ausreichend markiert?)
  • Generell regelmäßig Überprüfungen stattfinden (Gestelle, Abstellplätze, Transportwege etc.)

Auch durch eine korrekte Glaskantenbearbeitung kann die Arbeitssicherheit entscheidend erhöht werden. Das Risiko, dass das Glas bricht, wird durch einwandfreie Glaskanten minimiert. Auch der Transport wird dadurch sicherer gestaltet. Daneben können Verschleißkosten reduziert werden, indem durch die hohe Qualität der Glaskante die Transporteinrichtungen wie Laufrollen und Riemen geschont werden.

Glasbranche befindet sich im Wandel

Die Glasbranche ist also im Wandel – und zwar nicht nur, was die Automatisierung betrifft, sondern auch was den Arbeitsschutz und das Bewusstsein darüber betrifft. Und das ist durchaus kein leichtes Unterfangen, denn dieser Wirtschaftsbereich ist eine Branche mit sehr unterschiedlichen Arbeitsbereichen und -bedingungen und damit verbundenen Risiken. Wie in vielen anderen Sparten, so ist künftig auch hier zu erwarten, dass sich die Tätigkeiten zunehmend in Richtung Steuerung, Disposition und Kontrolle von Abläufen verlagern. Schon jetzt sind viele Maschinen im Einsatz, die das Spannungsfeld zwischen Handwerk und Automatisierung dieser Branche einmal mehr verdeutlichen. Hierbei ist es ebenso wichtig, Know-how im Umgang mit diesen Maschinen und Geräten zu erwerben, um sie korrekt bedienen zu können. Und dies zahlt sich letztendlich aus: Denn dort, wo dies gelingt, tragen solche Innovationen schließlich ebenso zu mehr Arbeitssicherheit bei und können darüber hinaus sogar Kosten senken und zu mehr Effizienz führen. Ebenso ist zu erwarten, dass in Zukunft auch Gefahrenstoffe vermehrt ersetzt werden können. Und: Es steckt großes Potenzial in Forschungstätigkeiten und Innovationen, die diese Branche hervorbringt.