Beitragsbild des Artikels "Innergemeinschaftlicher Erwerb". Rechts ist ein Piktogramm eines zweier Unternehmen abgebildet, welche sich symbolisch die Hand reichen.

Innergemeinschaftlicher Erwerb: Fakten, steuerliche Vorgaben und Vorteile

Der innergemeinschaftliche Erwerb zwischen Unternehmen in den einzelnen Mitgliedsstaaten ist ein zentrales Thema im Bereich des europäischen Handels und der Umsatzsteuer. Für Unternehmen, die internationale Handelsbeziehungen innerhalb der Europäischen Union unterhalten, gilt es, die gesetzlichen und steuerrechtlichen Bestimmungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs zu verstehen und korrekt umzusetzen. Aus diesem Grund beschäftigt sich dieser Artikel praxisorientiert mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb von Waren, basierend auf den gesetzlichen Vorgaben in Deutschland und der EU.
Inhaltsverzeichnis

Definition: Was bedeutet innergemeinschaftlicher Erwerb?

Der Begriff „innergemeinschaftlicher Erwerb“ gilt für den Erwerb von Waren eines Unternehmens aus einem anderen EU-Mitgliedstaat. Beim innergemeinschaftlichen Erwerb handelt es sich um ein steuerliches Konzept. Es wurde im Rahmen des Aufbaus des EU-Binnenmarktes entwickelt.

Das Ziel des innergemeinschaftlichen Erwerbs besteht darin, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu erleichtern und eine Doppelbesteuerung im Wirtschaftsraum der EU zu vermeiden.

Die finanzrechtlichen Grundlagen für den innergemeinschaftlichen Erwerb sind im deutschen Umsatzsteuergesetz (UStG) § 1a Abs. 1 sowie in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU (Richtlinie 2006/112/EG) festgelegt.

Voraussetzungen: Wann liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor?

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt gemäß § 1a Abs. 1 UStG liegt vor, wenn folgenden vier Bedingungen erfüllt sind:

  1. Lieferung einer Ware: Es muss sich um die Lieferung einer Ware handeln. Dienstleistungen fallen nicht unter den innergemeinschaftlichen Erwerb.
  2. Unternehmerstatus des Erwerbers: Der Erwerber muss ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Die Ware muss für das Unternehmen oder die juristische Person eingekauft werden. Zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören der Bund, die Länder, Landkreise und Gemeinden sowie Handels- und Handwerkskammern oder Rundfunkanstalten oder Landesstiftungen.
  3. Lieferung durch einen Unternehmer: Die Waren müssen von einem Unternehmer geliefert werden, der sie aus einem anderen EU-Mitgliedstaat versendet oder transportiert. Der Verkäufer muss ebenfalls eine USt-IdNr. besitzen und die Lieferung für Zwecke seines Unternehmens ausführen.
  4. Warenbewegung sowie Herkunft und Bestimmungsland: Die Waren müssen physisch von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen verbracht werden. Diese grenzüberschreitende Warenbewegung ist zentral für die Definition des innergemeinschaftlichen Erwerbs (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG). In unserem Fall: Die Ware muss von einem anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland geliefert werden.
  5. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: Der Erwerber muss eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer besitzen, die dem Lieferanten mitgeteilt wurde. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id.) ist eine eindeutige unternehmensindividuelle Kennzeichnung für Unternehmen und juristische Personen. Sie wird allen Unternehmen in der Europäischen Union zugeteilt, damit sie am umsatzsteuerlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union teilnehmen können.

Kleinunternehmerregelung als Ausschlusskriterium für den innergemeinschaftlichen Erwerb

Lediglich Unternehmen, die nicht die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen, können auf den innergemeinschaftlichen Erwerb zurückgreifen (§ 1a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Denn Kleinunternehmer können keine Waren im Rahmen des innergemeinschaftlichen Erwerbs importieren, da sie keine Umsatzsteuer abführen.

Beispiele: Wann liegt innergemeinschaftlichen Erwerb vor? Wann nicht?

Hier sind einige Beispiele, die veranschaulichen, ob ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegt oder nicht.

Beispiel 1: Erwerb durch einen deutschen Unternehmer

Situation: Ein deutscher Unternehmer bestellt Waren bei einem französischen Lieferanten. Die Waren werden von Frankreich nach Deutschland geliefert. Beide Parteien haben eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.

Beurteilung: Ja, dies ist ein innergemeinschaftlicher Erwerb. Der deutsche Unternehmer erfüllt alle Voraussetzungen, da er Unternehmer ist, eine USt-IdNr. hat und die Waren von Frankreich nach Deutschland transportiert werden.

Beispiel 2: Erwerb durch einen deutschen Privatkunden

Situation: Ein deutscher Privatkunde kauft ein Möbelstück bei einem italienischen Online-Händler. Das Möbelstück wird von Italien nach Deutschland geliefert.

Beurteilung: Nein, dies ist kein innergemeinschaftlicher Erwerb im steuerlichen Sinne. Für Privatpersonen gilt die Besteuerung im Ursprungsland, es sei denn, die Erwerbsschwelle wird überschritten, was in diesem Beispiel nicht der Fall ist.

Beispiel 3: Erwerb durch einen deutschen Kleinunternehmer

Situation: Ein deutscher Kleinunternehmer ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kauft Büromaterialien bei einem niederländischen Lieferanten. Die Waren werden von den Niederlanden nach Deutschland geliefert.

Beurteilung: Nein, dies ist kein innergemeinschaftlicher Erwerb. Der deutsche Kleinunternehmer kann aufgrund der fehlenden USt-IdNr. keinen innergemeinschaftlichen Erwerb tätigen.

Beispiel 4: Erwerb durch eine deutsche Behörde

Situation: Eine deutsche Behörde, die keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hat, kauft technische Ausrüstung bei einem spanischen Lieferanten. Die Ausrüstung wird von Spanien nach Deutschland transportiert.

Beurteilung: Nein, dies ist kein innergemeinschaftlicher Erwerb, da die Behörde keine USt-IdNr. besitzt. Der Erwerb unterliegt anderen steuerlichen Regelungen.

Beispiel 5: Erwerb durch einen österreichischen Unternehmer

Situation: Ein österreichischer Unternehmer kauft Waren von einem polnischen Lieferanten. Die Waren werden direkt von Polen nach Österreich geliefert. Beide Parteien besitzen eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.

Beurteilung: Ja, dies ist ein innergemeinschaftlicher Erwerb. Der österreichische Unternehmer erfüllt alle notwendigen Bedingungen, einschließlich des Vorhandenseins einer USt-IdNr. und der grenzüberschreitenden Warenbewegung.

Wichtig: Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt nicht vor, wenn eine Ware die EU zur Weiterverarbeitung verlässt. Der innergemeinschaftliche Erwerb betrifft ausschließlich Warenbewegungen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten.

Wer kann die Vorteile des innergemeinschaftlichen Erwerbs nutzen?

Grundsätzlich können alle Unternehmen der EU, die als Unternehmer im Sinne des UStG gelten, den innergemeinschaftlichen Erwerb nutzen. Dies schließt ebenso juristische Personen des öffentlichen Rechts ein, sofern sie eine entsprechende Umsatzsteuer-Identifikationsnummer besitzen.

Wer ist von dem innergemeinschaftlichen Erwerb ausgeschlossen?

  • Privatpersonen sind vom innergemeinschaftlichen Erwerb ausgeschlossen. Für sie gelten abweichende Regelungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Waren aus anderen EU-Ländern.
  • Kleinunternehmer können ebenso keine Waren im Rahmen des innergemeinschaftlichen Erwerbs einführen, da sie keine Umsatzsteuer abführen und ihnen keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt wurde.

Welche Ausnahmen und Sonderregeln gelten beim innergemeinschaftlichen Erwerb?

Beim innergemeinschaftlichen Erwerb gelten folgende Ausnahmen und Sonderregeln für den Erwerb neuer Fahrzeuge sowie für verbrauchssteuerpflichtige Waren:

Erwerb neuer Fahrzeuge innerhalb der Europäischen Union

Der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeuge unterliegt grundsätzlich der Umsatzsteuer im Bestimmungsland, unabhängig davon, ob der Erwerber ein Unternehmer oder eine Privatperson ist. Es gilt keine Steuerbefreiung für den innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch Unternehmer.

Beispiel: Ein Unternehmen in Deutschland kauft Fahrzeuge des französischen Unternehmens Citroën, die in Frankreich hergestellt wurden. Bei der Einfuhr wird die in Deutschland gültige Umsatzsteuer von 19 % fällig und nicht der in Frankreich übliche reguläre Mehrwertsteuersatz von 20 Prozent.

Einfuhr verbrauchssteuerpflichtiger Waren innerhalb der EU

Für verbrauchssteuerpflichtige Waren wie Alkohol, Tabak und Energieerzeugnisse gelten Sonderregelungen beim innergemeinschaftlichen Erwerb. Der Erwerb muss beim zuständigen Zollamt angemeldet werden. Dort werden die fälligen Verbrauchsteuern entrichtet. Zusätzlich besteht eine Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht für den Erwerb verbrauchsteuerpflichtiger Waren innerhalb der EU.

Beispiel: Ein deutsches Unternehmen kauft alkoholische Getränke in Spanien ein. Die Steueranmeldung erfolgt beim zuständigen Hauptzollamt im Umkreis des Firmensitzes. Der Steuersatz richtet sich nach der Art des Alkohols (z. B. Wein, Bier, Spirituosen) und dessen Menge. Nach der Anmeldung und Berechnung der Verbrauchssteuer ist diese an das Hauptzollamt zu entrichten. Erst nach Zahlungseingang dürfen die Waren in den freien Verkehr gelangen.

Vorsteuerabzugsberechtigung für Unternehmen

Für den innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren durch Unternehmer besteht grundsätzlich eine Berechtigung zum Abzug der Vorsteuer (Vorsteuerabzugsberechtigung), sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Differenzbesteuerung für Gebrauchtgegenstände ist beim innergemeinschaftlichen Erwerb nicht anwendbar. Bei der Differenzbesteuerung wird auf Grundlage von § 25a UStG nicht der gesamte Verkaufspreis, sondern nur die Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis der Umsatzsteuer unterworfen.

Steuerliche Regelung beim innergemeinschaftlichen Erwerb

Der innergemeinschaftliche Erwerb ist ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Binnenmarktes. Er bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile bei der grenzüberschreitenden Warenbeschaffung. Um von den steuerlichen Vorteilen zu profitieren und rechtliche Risiken zu vermeiden, müssen Unternehmen die spezifischen Steuergesetze zum innergemeinschaftlichen Erwerb kennen. Dies betrifft vor allem die Regelungen zur Umsatzsteuer:

Wer zahlt wie die Umsatzsteuer beim innergemeinschaftlichen Erwerb?

Beim innergemeinschaftlichen Erwerb fällt in Deutschland die Umsatzsteuer an. Der Erwerber ist verpflichtet, diese in seiner Umsatzsteuervoranmeldung anzugeben und abzuführen.

Grund: Die Besteuerung beim innergemeinschaftlichen Erwerb erfolgt im Bestimmungsland der Waren. Das bedeutet, dass der Erwerber die Umsatzsteuer im Land seines Unternehmenssitzes oder Wohnsitzes entrichten muss, unabhängig davon, wo die Ware ursprünglich gekauft wurde.

Wann ist ein innergemeinschaftlichen Erwerb steuerfrei?

Er innergemeinschaftliche Erwerb kann in den folgenden Fällen steuerfrei sein:

  • Erwerb von Gegenständen mit geringem Wert bis 22 € pro Sendung.
  • Der Erwerb von Waren, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze wie innergemeinschaftliche Lieferungen oder Ausfuhrlieferungen verwendet.
  • Gold für Zentralbanken, gesetzliche Zahlungsmittel und bestimmte Wasserfahrzeuge

Was gilt beim innergemeinschaftlichen Erwerb als Bemessungsgrundlage?

Die Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb ist das Entgelt. Als Entgelt werden alle Aufwendungen für den Kauf einer Ware abzüglich der Umsatzsteuer definiert. Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, sind in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. D

Die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entsteht mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des Folgemonats nach dem Erwerb. Der Erwerb ist in der Umsatzsteuer-Voranmeldung in der Zeile 33 „steuerfreie innergemeinschaftliche Erwerbe“ anzugeben.

Abzug der Vorsteuer von der Rechnung beim innergemeinschaftlichen Erwerb?

Unternehmer können die beim innergemeinschaftlichen Erwerb gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, sofern die Ware für unternehmerische Zwecke verwendet wird.

Beispiel: Ein Unternehmen aus Deutschland kauft Büroausstattung im Wert von 10.000 € aus den Niederlanden. Die deutsche Umsatzsteuer beträgt 19 Prozent. Es fallen somit zusätzlich 1.900 Euro Umsatzsteuer an. Die 11.900 Euro Kosten für die Büroausstattung werden auf der Rechnung als innergemeinschaftlicher Erwerb ausgewiesen. Gleichzeitig kann die Vorsteuer geltend gemacht werden.

Wie bucht man den innergemeinschaftlichen Erwerb?

Zur buchhalterischen Erfassung und Kontierung des innergemeinschaftlichen Erwerbs sind bei Eintreffen der Rechnung folgende Konten zu verwenden:

  • Wareneingangskonto: Hier wird der Nettowert der Ware gebucht.
  • Konto für Umsatzsteuer bei innergemeinschaftlichem Erwerb: Kontierung der anfallenden Umsatzsteuer.
  • Vorsteuerkonto: Hier wird der Vorsteuerabzug erfasst.

FAQ zum innergemeinschaftlichen Erwerb

Noch Fragen? Dann hilft Ihnen sicherlich das nachfolgende FAQ rund um den innergemeinschaftlichen Erwerb weiter.

Der innergemeinschaftliche Erwerb bezieht sich ausschließlich auf den Erwerb von Waren. Für Dienstleistungen gelten andere umsatzsteuerliche Regelungen. Insbesondere das Reverse-Charge-Verfahren, bei dem die Steuerschuldnerschaft umgekehrt wird, findet bei innergemeinschaftlichen Dienstleistungen Anwendung.
Ein innergemeinschaftliches Verbringen liegt vor, wenn ein Unternehmer Waren aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat transportiert, ohne dass eine Lieferung an einen anderen Abnehmer erfolgt.
Als innergemeinschaftliche Lieferung bezeichnet man den Verkauf und die Lieferung einer Ware von einem Unternehmer in der EU an einen Unternehmer in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Diese Lieferung ist im Ursprungsland der Ware umsatzsteuerfrei. Die Besteuerung erfolgt im Bestimmungsland, beispielsweise in Deutschland auf Grundlage des UStG.
Kleinunternehmer, die die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen und daher keine Umsatzsteuer abführen, können in der Regel keine innergemeinschaftlichen Erwerbe tätigen. Ihnen wird keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt, was den Erwerb von Waren aus anderen EU-Staaten erheblich einschränkt.