Ginge man nach amerikanischem Vorbild vor, würden auf europäische Unternehmen bei Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts unter Umständen immense Schadensersatzzahlungen zukommen.
Schadensersatzzahlungen sollen abschreckenden Charakter haben
Die Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen enthält in Artikel 18 folgende Regelung zum Thema Schadensersatz oder Entschädigung:
Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstatten tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss.
Weil in dieser Richtlinie „von einer abschreckenden Art und Weise“ die Rede ist, stellte ein spanisches Gericht die Frage an den EuGH, ob denn ein reiner Schadensersatz bei einer geschlechterbezogenen Diskriminierung ausreiche oder ob Artikel 18 der Richtlinie 2006/54/EG die Mitgliedstaaten dazu verpflichte, grundsätzlich auch einen Strafschadensersatz zu verhängen.
Das war der Fall: Die Mitarbeiterin einer spanischen Sicherheitsfirma stand knapp 2 Jahre in einem Arbeitsverhältnis und wurde dann auf eine – ihrer Ansicht nach – geschlechterdiskriworaufhin sie auf Diskriminierung und Schadensersatzzahlung von 6.000 € klagte.
Das zuständige spanische Gericht sag eine Diskriminierung als erwiesen an. Der dadurch entstandene Schaden für die Mitarbeiterin war nach Ansicht der Richter mit einer Schadensersatzzahlung von 3.000 € voll ausgeglichen.
Die von der Mitarbeiterin geforderten 6.000 € seien nur im Rahmen eines Strafschadensersatzes gerechtfertigt, wobei das spanische Recht eine solche Art der Schadensersatzzahlung nicht vorsehe.
Der EuGH bezog sich in seiner Antwort auf seine bisherige Rechtsprechung, die eindeutig vorsehe, dass die Mitgliedstaaten weitgehend frei sind, was die Wahl der Mittel anbelangt, eine Diskriminierung abzuwehren.
Allerdings: Die Mittel müssten ausreichend wirksam sein. Das könne von einem vollkommenen Ausgleich des Schadens des Diskriminierten bis hin zur Pflicht der Wiedereinstellung reichen (EuGH, 17.12.15, C-407/14).
Deutsche Rechtsprechung: Materielle und immaterielle Schadensersatzpflicht ist EuGH-konform
Die Sanktionsmaßnahmen, die das deutsche Recht im Fall von Diskriminierungen vorsieht, sind völlig ausreichend:
Schadensersatzpflichten bei geschlechterbezogener Diskriminierung
Materielle Schadensersatzpflicht
Deutsche Gerichte müssen im Streitfall alle in Geld messbaren Vermögensnachteile des Betroffenen, die sich durch die Diskriminierung ergeben haben, errechnen und den Beklagten zur Ausgleichszahlung verurteilen. Im Ergebnis muss der Diskriminierte nach der Schadensersatzzahlung so dastehen, als hätte es die Diskriminierung nicht gegeben (§ 249 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). D. h.: Je nach Einzelfall kann dies eine Entschädigung von 2, 3 oder auch 4 Monatsgehältern ausmachen, die dem Diskriminierten aufgrund der Nichteinstellung zusteht.
Immaterielle Schadensersatzpflicht
Zusätzlich kann der Diskriminierte in bestimmten Fällen eine finanzielle Entschädigung für immaterielle Schäden, die ihm entstanden sind, fordern. Denn eine Ablehnung aufgrund des Geschlechts oder der Hautfarbe stellt auch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der Würde dar.
Wann eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts erlaubt ist
§ 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz bestimmt deshalb Folgendes: „Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung 3 Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.“