Haftung als Frachtführer: Schadenersatzansprüche vermeiden
In vielen Praxisfällen ist diese weitreichende Haftung nicht gerechtfertigt. Aus diesem Grund begrenzen §§ 426 ff. HGB die Haftung in bestimmten Fällen. An welche Vorgaben von HGB und CMR Sie sich halten müssen, um nicht haftbar gemacht zu werden, zeigen wir Ihnen im Folgenden.
In diesen Fällen begrenzt das HGB Ihre Haftung als Frachtführer
Nach § 426 HGB sind Sie als Frachtführer von der Haftung befreit, soweit der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist auf Umständen beruht, die Sie als Frachtführer auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen nicht abwenden konnten.
Der von der Rechtsprechung dabei angewandte Sorgfaltsmaßstab orientiert sich an einem „idealen“ Frachtführer, der eine über den gewöhnlichen Durchschnitt erheblich hinausgehende Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Umsicht sowie ein geistesgegenwärtiges und sachgemäßes Handeln im Rahmen des Menschenmöglichen an den Tag legt.
Ein Beispiel aus der Rechtsprechung verdeutlicht einen Haftungsausschluss
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 21.4.2016, Az. 18 U 17/14) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem durch einen Reifenbrand das Ladegut zerstört wurde. Bei einem Transport waren Auflieger, Container und Wechselbehälter in Brand geraten. Das gesamte Fahrzeug samt Ladung wurde zerstört. Als Brandursache erkannte ein Sachverständiger schließlich ein heiß gelaufenes Radlager, und mehrere Sachverständige bestätigten, dass der Fahrer keinen Fahrfehler begangen hatte.
Die Frage war, ob der Frachtführer, der mit der Durchführung des Transportes beauftragt worden war, haftet. Das OLG Hamm kam zu dem Urteil, dass der Reifenbrand aufgrund des defekten Radlagers nicht vom Fahrer zu verantworten war. Entscheidend für diese – für den Frachtführer günstige – Entscheidung war, dass er und sein Fahrer alles richtig gemacht haben. Insbesondere war dem Frachtführer nicht vorzuwerfen, dass keine ausreichende Sichtkontrolle der Bereifung stattgefunden hat. Letztendlich war also die Schädigung des Frachtgutes unvermeidbar und der wirtschaftliche Schaden unabwendbar.
Nicht immer einfach zu erbringen: Ihre Darlegungs- und Beweislast
Das Problem in der Praxis ist jedoch, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses gemäß § 426 HGB nach allgemeinen Regeln der Frachtführer trägt. Sie als Frachtführer haben deshalb entweder die konkrete, unvermeidbare Schadensursache zu beweisen oder darzustellen und nachzuweisen, dass der Schaden nicht durch irgendeinen bei größter Sorgfalt vermeidbaren oder in seinen Folgen abwendbaren Umstand herbeigeführt worden sein kann.
Diese Beweisregelung kann dazu führen, dass der in Anspruch genommene Frachtführer die hohen Anforderungen an die tatsächlich vorgenommenen Sorgfaltsanstrengungen nicht nachweisen kann und entsprechend haftet.
In diesen Fällen haften Sie als Frachtführer nicht
§ 427 HGB beinhaltet eine Auflistung von besonderen Haftungsausschlussgründen. Hier werden Gefahrensituationen aufgeführt, die nicht zum Risikobereich des Frachtführers gehören und für die Sie entsprechend auch nicht haften. Welche Haftungsausschlussgründe das sind und was Sie jeweils zu beachten haben, zeigen wir Ihnen im Folgenden.
So vermeiden Sie die Haftung
Vor Fahrtantritt führt der Fahrer hinreichende visuelle Kontrollen durch. Achten Sie darauf, dass aufgrund der Beweislast die durchgeführte Sichtkontrolle anhand einer Checkliste ausreichend dokumentiert wird. Nicht immer ist der Fahrer ein glaubwürdiger Zeuge.
Vor dem Antritt der Fahrt und auch während der Beförderung sollten Ihre Fahrer sich laufend über Rundfunk oder Fachverbände über mögliche Verkehrsstaus und Straßenblockaden informieren. Weisen Sie Ihre Fahrer schriftlich dazu an, sich über die Verkehrssituation auf dem Laufenden zu halten.
Schäden durch Wetter- und Witterungseinflüsse sind regelmäßig vorhersehbar und vermeidbar. Um Haftungsfallen zu vermeiden, sollten Sie sich als Frachtführer umfassend informieren und die notwendigen Vorkehrungen treffen. Gehen Sie auf Nummer sicher und stellen sich auf die im schlimmsten Fall denkbaren Entwicklungen ein (z. B. Blitzeis, selbst wenn nur leichter Frost vorhergesagt ist).
Haftungsausschluss 1: Ungenügende Verpackung
Ihre Haftung als Frachtführer wegen ungenügender Verpackung ist immer dann ausgeschlossen, wenn der eingetretene Schaden auf der mangelhaften Verpackung beruht. Die Pflicht, das Frachtgut ordnungsgemäß zu verpacken, liegt beim Auftraggeber. Die Verpackung muss die zu befördernden Güter vor den Gefahren schützen, denen diese bei ordnungsgemäßer Beförderung ausgesetzt sind.
Das Amtsgericht Bonn (Urteil vom 15.1.2013, Az. 114 C 179/12) hat in der Versendung eines Schreibgeräts nebst Mine, das lediglich in einem Briefumschlag verpackt ist, eine unzulänglichen Verpackung gesehen und keinen Schadenersatzanspruch gegen den Frachtführer wegen Verlusts des Sendungsinhaltes angenommen.
Es gibt zwar hinsichtlich des äußeren Zustands des Gutes und seiner Verpackung keine Kontrollpflicht des Frachtführers, aber er muss sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er bei der Übernahme des Gutes für ihn ohne weiteres erkennbare oder gar ihm positiv bekannte Mängel der Verpackung gegenüber dem Absender oder dessen zuständiger Hilfsperson nicht beanstandet hat.
Haftungsausschluss 2: Deckladungs-Transport oder offener Transport
Der Haftungsausschluss ist vorgesehen, weil das in offenen, nicht mit Planen gedeckten Fahrzeugen oder auf Deck geladene Gut typischerweise besonderen Gefährdungen, etwa durch Transportmaßnahmen, Witterungseinflüsse oder Diebstahl, ausgesetzt ist.
Nach einem Urteil des OLG Düsseldorf (Urteil vom 4.11.2015, Az. I-18 U 185/14) ist ein Fahrzeug offen und nicht mit Planen gedeckt, wenn die Ladefläche nicht vollständig umschlossen ist. Es genügt nicht, dass das Gut mit einer Plane abgedeckt ist.
Haftungsausschluss 3: Ver- und Entladen
Wie bei der Verpackung ist der Auftraggeber hier in der Verpflichtung. Er ist verpflichtet, das Frachtgut beförderungssicher zu verladen. Ist vertraglich etwas anderes vereinbart, geht die vertragliche Regelung der gesetzlichen vor.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsprechung darauf abstellt, wer tatsächlich die Be- oder Entladung vorgenommen hat; auf eine entsprechende vertragliche Verpflichtung kommt es nicht an.
Haftungsausschluss 4: Natürliche Beschaffenheit des Gutes
Sie haften nicht für Schäden durch Bruch, Rost, inneren Verderb, Austrocknen, Auslaufen, normalen Schwund, die aufgrund der Beschaffenheit des Gutes eintreten können. Wichtig ist aber, dass das Gut bei normaler Beförderung oder normaler Verpackung nicht überdurchschnittlichen Gefahren ausgesetzt wird.
Haftungsausschluss 5: Ungenügende Kennzeichnung
Die fehlerhafte und auch die gänzlich fehlende Kennzeichnung des Frachtgutes ist dem Auftraggeber zuzuordnen. Häufig kommt es zu Schäden bei in Kartons verpackten und auf Paletten gestauten, druckempfindlichen Gütern, wenn diese aufeinandergestapelt werden.
Haftungsausschluss 6: Beförderung lebender Tiere
Der Ausschlussgrund kommt zur Anwendung, wenn der Schaden ursächlich auf die besondere Anfälligkeit von Tieren für Transportschäden zurückzuführen ist. Zum Beispiel wird das Fliehen von Tieren dazugerechnet.
Auf diesen Haftungsausschluss kann sich der Frachtführer nur berufen, wenn er die ihm nach den Umständen obliegenden Maßnahmen getroffen und besondere Weisungen beachtet hat. Hierunter fallen zunächst die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen wie namentlich des Tier- und des Seuchenschutzes, aber auch alle Maßnahmen, die vernünftigerweise geboten sind.
Fazit: Sie sehen, wenn Sie die Regeln der Haftungsausschlüsse kennen und Ihre Fahrer sich darauf einstellen, können Sie Ihre Schadenersatzpflicht in vielen Fällen ausschließen. Aber Achtung: Voraussetzung ist, dass Sie eine umfassende Dokumentation Ihrer Anweisungen an das Fahrpersonal nachweisen können, alle zumutbaren Schadenverhütungsmaßnahmen ergriffen zu haben.