Wie soll das Kind bloß heißen?
Das Dilemma beginnt schon beim Namen. Für den indirekten Einkauf gibt es bis heute weder eine allgemein anerkannte Definition noch einen klaren Fachbegriff.Im Prinzip bosselt sich jedes Unternehmen seine eigene Kreation zusammen, und die kann je nach Fantasie „Unproduktiver Einkauf“, „Indirect Procurement“, „Non-stock-Einkauf“ oder „Zentraleinkauf“ heißen.
Selbst das ansonsten empfehlenswerte „Einkaufslexikon“ der Düsseldorfer Unternehmensberatung Kerkhoff muss bei dem Suchwort „Indirekter Einkauf“ passen.
Das DIM wagt sich an eine Definition
Das Deutsche Institut für den Mittelstand in Ulm (DIM) ist eine der wenigen Fachinstanzen, die eine Definition wagt: „Alle Güter und Dienstleistungen, die nicht in den gefertigten Endprodukten verarbeitet sind und nicht Bestandteil der Handelswaren sind, werden dem Indirect Procurement zugeordnet.“Das DIM weiter: „Zum indirekten Einkauf gehören alle Güter und Dienstleistungen,die … in der Regel nicht lagergeführt sind. Sie sind nicht Teil der Standardkosten. … Unter keinen Umständen ist das Indirect Procurement mit dem C-Artikel-Einkauf gleichzusetzen! C-Artikel sind sowohl in den gefertigten Endprodukten bzw. Handelswaren enthalten wie auch in den indirekten Kategorien.“
Beachten Sie: Das Ulmer Institut (mit einer Niederlassung in der Hamburger Hafen- City) bietet Beratungsdienstleistungen speziell zum indirekten Einkauf an. Weiterführende Informationen finden Sie unter www.dim-ension.de/startseite/indirekter-einkauf .
Es klemmt an vielen Ecken und Enden
Die wegen ihrer vielen Fallstudien hochgeschätzte Inverto AG hat vor knapp einem Jahr 40 Einkaufsleiter in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum indirekten Einkauf befragt und war dabei zu dem wenig überraschenden Ergebnis gekommen, dass es an vielen Ecken knirscht und klemmt.Zwar erkennen die meisten CPOs (84 %) theoretisch die Wichtigkeit des indirekten Einkaufs an, an der praktischen Umsetzung hapert es aber – teils aus Unwissenheit, teils wegen Arbeitsüberlastung und teils auch aus Bequemlichkeit. Hinzu kommt, dass sich der indirekte Einkauf im Wesentlichen auf Beschaffungsstandards beschränkt:
- Betriebsmittel und
- Serviceleistungen (60 %),
- Bau und Technik (60 %),
- Facility-Management (57 %) und
- Travel-/Fuhrpark-Management (51 %).
Außen vor bleiben zum überwiegenden Teil Beschaffungen von EDV-Produkten und Marketing- bzw. Beratungsleistungen.
Die Mängelliste ist lang
Und der Nachholbedarf groß. Die Experten der Kölner Inverto AG fanden nämlich auch heraus, dass in jedem dritten der befragten Betriebe die einzelnen Fachabteilungen den indirekten Einkauf erledigen, also pures Maverick-Buying betreiben!Auch methodisch geht es beim indirekten Einkauf eher konventionell zu. Die üblichen Arbeitswerkzeuge sind die allbekannten Ausschreibungen, Marktrecherchen und Messebesuche. Strategische Überlegungen wie Make-or-Buy-Entscheidungen oder die Gestaltung von Spezifikationen schon bei der Leistungserstellung sind eher die Ausnahme als die Regel.
Schlecht eingebunden, schlecht qualifiziert
was schon im Normalfall selten bis nie klappt, die direkte Beschaffung von Anfang an in produktrelevante Prozesse einzubinden (siehe Praxis-Tipp des Monats, Seite 4), funktioniert beim indirekten Einkauf so gut wie gar nicht. Für diese Misere machen die befragten CPOs fehlende Fachkenntnisse der Mitarbeiter verantwortlich und überhaupt eine zu dünne Personaldecke.Zwar hält rund die Hälfte den Bereich Indirekter Einkauf für personell ausreichend besetzt, viele von diesen Mitarbeitern seien aber aus anderen Bereichen mehr oder weniger „abkommandiert“ worden, sodass es ihnen an Erfahrung, Knowhow und nicht zuletzt an Motivation fehlt.
Noch schlechter ausgestattet
Es fehlt ihnen aber auch an der entsprechenden Technik. Was beim Gegenstück, der direkten Beschaffung, gang und gäbe ist, Arbeitsprozesse und Datenverkehre durch IT-Tools zu erleichtern und zu beschleunigen, existiert im indirekten Einkauf kaum (81 % der Befragten). In der Regel sind entsprechende Unterlagen über die einzelnen Unternehmensbereiche verstreut. Und das wie zu Großvaters Zeiten als Loseblattsammlung.Auf einem ähnlich vorsintflutlichen Stand ist das Vertragsmanagement. Knapp 2/3 der befragten Unternehmen „verwalten“ ihre Verträge über konventionelle Papierablagen. IT- gestützte Managementprogramme, die Vertragsfristen, Wareneingänge usw. überwachen, sind im Allgemeinen Raritäten. Ausnahmequalitäten hat auch ein Vertrag, unter den ein Einkaufsverantwortlicher seinen Namen setzt. Viel öfter tun das Mitarbeiter der Rechtsabteilung oder aus anderen Bereichen.
Die Studie finden Sie unter www.inverto. com/publikationen/studien.html .