Mitarbeitervertretung: Aufgaben, Rechte, Wahl & Vorteile der MAV

Mitarbeitervertretung: Aufgaben, Rechte, Wahl & Vorteile der MAV

Vor mehr als 170 Jahren, im Jahr 1848 wurde in Deutschland mit dem Buchdruckerverband die erste deutsche Gewerkschaft als Antwort auf die in Teilen miserablen Arbeitsbedingungen in der deutschen Industrie gegründet. In den folgenden Jahrzehnten des 19. und 20. Jahrhunderts wurden in weiteren Berufsständen Gewerkschaften und Arbeitervereine gegründet. In unserer heutigen parlamentarischen Demokratie sind Gewerkschaften und Mitarbeitervertretungen anerkannte und wichtige politische Stellvertreter. Als Arbeitnehmerstimme vertreten sie deren Interessen gegenüber Arbeitgeber und der Politik. Gleiches gilt für die Mitarbeitervertretung, bei der es sich um die betriebliche Interessenvertretung nach kirchlichem Arbeitsrecht handelt.
Inhaltsverzeichnis

Was die gesetzliche und kirchenrechtliche Grundlage von Mitarbeitervertretungen ist, welche Unterschiede zwischen einem Betriebsrat und einer Mitarbeitervertretung bestehen, welche Mitarbeitervertretungsrechte gelten und welche Aufgaben diese hat und wie die Wahl abläuft, verrät dieser Artikel.

Was ist die Mitarbeitervertretung?

Als Mitarbeitervertretung, auch MAV genannt, bezeichnet man die betriebliche Interessenvertretung nach kirchlichem Arbeitsrecht. Die Mitarbeitervertretung vertritt alle Arbeitnehmer der kirchlichen Einrichtung gegenüber dem Dienstgeber und schützt damit die Interessen, personellen Angelegenheiten und Rechte der jeweiligen Belegschaft.

Was ist die gesetzliche Grundlage der Mitarbeitervertretung?

Gesetzliche Regelungen zur Mitarbeitervertretung (MAV) finden sich sowohl im evangelischen Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG-EKD) als auch in der katholischen Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO)

Das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG-EKD) ist ein Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das MVG-EKD wurde erstmals 1992 durch die Synode der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) festgelegt. In der katholischen Kirche wird das Kirchengesetz abweichend als Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) deklariert. 

Während in allen Dienststellen der Diakonie und innerhalb der Evangelischen Kirche und dessen Einrichtungen in Deutschland die Regelungen des Mitarbeitervertretungsgesetzes rechtsgültig sind, stellt die Mitarbeitervertretungsordnung in der katholischen Kirche und dessen Einrichtungen eine Rahmen- oder Musterordnung dar. Dies ist der Fall, da nicht die Deutsche Bischofskonferenz, sondern die zuständigen Erzbistümer in der Verantwortung stehen, individuelle Fassungen zur Mitarbeitervertretung festlegen. 

Warum gibt es in Kirchen keine Betriebsräte? 

Im § 137 der Weimarer Reichsverfassung, der in das Deutsche Grundgesetz (§ 140 GG) aufgenommen wurde, heißt es wörtlich: 

„Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“

Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, dass im Grundgesetz und in der Weimarer Reichsverfassung verankert ist, bezieht sich neben anderen Bereichen ebenfalls auf das Arbeitsrecht in Kirchen. Der § 118 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) bestätigt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, wenn es erklärt, dass für Unternehmen und Betriebe, die konfessionellen oder karitativen Bestimmungen dienen, das BetrVG keine Anwendung findet. 

Was ist der Unterschied zwischen Mitarbeitervertretung und Betriebsrat?

Obwohl ein Betriebsrat und die Mitarbeitervertretung (MAV) in Kirchen, Diakonien oder kirchlichen Einrichtungen viele konzeptionelle Ähnlichkeiten aufweisen, gibt es klare Unterschiede. Vor allem in Fragen der Mitbestimmung verfügen Mitarbeitervertreter in Kirchen über geringere Rechte als Betriebsräte. 

Bei Streitfällen zwischen der Dienststelle und der Mitarbeitervertretung kann kein Arbeitsgericht angerufen werden, da die Zuständigkeit ausschließlich beim Kirchengericht liegt. Dies bedeutet für die Praxis, dass Mitarbeitervertreter nicht die Möglichkeit haben, eine außerkirchliche Schlichtung anzufordern. Die Beantragung von Zwangsmitteln zur Durchsetzung der MAV-Rechte ist ebenfalls nicht vorgesehen. Vorteilhaft ist der klare Grundsatz des Mitarbeitervertretungsgesetzes, dass bei einer Einrichtung mit mindestens fünf Mitarbeitern zwingend eine Mitarbeitervertretung gebildet werden muss. 

Was sind die Aufgaben der Mitarbeitervertretung? 

Im § 35 des Mitarbeitervertretungsgesetzes finden sich die vielfältigen Aufgaben der Mitarbeitervertretung (MAV): 

  • Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitarbeiter,
  • Stärkung des Verständnisses für den Kirchenauftrag,
  • Vertretung der Mitarbeiterinteressen,
  • Anregen von arbeitsfördernden Maßnahmen
  • Maßnahmen implementieren, die dafür sorgen, dass die arbeits-, sozial- und dienstrechtlichen Bestimmungen, Dienstvereinbarungen und Anordnungen eingehalten werden,
  • Beschwerden, Anfragen und Anregungen von Mitarbeitern entgegennehmen, prüfen und bei Berechtigung im Sinne der Arbeitnehmer verhandeln,
  • die Eingliederung und berufliche Entwicklung schwerbehinderter Menschen fördern,
  • für die Gleichstellung in der Dienststelle eintreten,
  • die Integration ausländischer Mitarbeiter fördern,
  • Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes fördern,
  • Mitarbeiter bei Personalgesprächen unterstützen.

Welche Rechte hat eine Mitarbeitervertretung? 

Die Mitarbeitervertretung hat nicht nur Pflichten und Aufgaben, sondern verfügt auch über spezielle Mitarbeitervertretungsrechte. Die MAV ..

  • darf Dienstvereinbarungen abschließen,
  • kann auf Antrag eine interne Einigungsstelle zur Beilegung von Regelungsstreitigkeiten bilden,
  • kann ihr Mitbestimmungsrecht bei personellen Angelegenheiten ausüben. Hierunter fallen unter anderem der Einsatz von Personalfragebögen, die Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen sowie die Einführung sowie die Mitbestimmung der Grundsätze der Durchführung von Mitarbeiter-Jahresgesprächen. 
  • ist berechtigt, in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten mitzuentscheiden. Mitarbeitervertreter verfügen beispielsweise über ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit, können bei der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden ihre Anregungen einbringen oder bei der Änderung der Grundsätze des betrieblichen Vorschlagswesens mitbestimmen. 

Bei den wichtigen Personalthemen Einstellung, ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit, Eingruppierung oder beim Untersagen einer Nebentätigkeit hat die Mitarbeitervertretung eingeschränkte Mitbestimmungsrechte. Die MAV darf ihre Zustimmung ausschließlich verweigern, wenn:

  • eine Entscheidung der Dienststelle gegen geltendes Zivil- oder Kirchenrecht verstößt, 
  • eine eindeutige Benachteiligung nachgewiesen werden kann oder 
  • der Frieden der Dienststelle gestört wird. 

Ist eine Mitarbeitervertretung Pflicht?

Gemäß § 5 MVG-EKD sind Mitarbeitervertretungen verpflichtend zu bilden, wenn die Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einer Dienststelle mindestens fünf beträgt. Drei dieser Mitarbeiter müssen auf Grundlage von § 9 MVG-EKD wählbar sein. 

Wie viele Mitarbeitervertreter gewählt werden können, hängt von der Größe der Dienststelle ab:

  • Bei 5 bis 15 Wahlberechtigten = 1 Mitarbeitervertreter,
  • Bei 151 bis 300 Wahlberechtigten = 7 Mitarbeitervertreter,
  • Bei über 1.000 Wahlberechtigten = 13 Mitarbeitervertreter,

Wann und wie oft müssen Mitgliederversammlungen stattfinden?

Eine Mitgliederversammlung muss spätestens eine Woche nach Beginn der offiziellen Amtszeit der MAV einberufen werden. In dieser ersten Mitgliederversammlung wird in einer Wahl über den Vorsitz entschieden. Der oder die Vorsitzende: 

  • beraumt die weiteren Sitzungen der Mitarbeitervertretung an, 
  • setzt die Tagesordnung fest und 
  • leitet die Verhandlungen. 

Eine Sitzung muss zwingend einberufen werden, wenn ein Viertel der Mitglieder der Mitarbeitervertretung oder die Dienststellenleitung eine Mitgliederversammlung beantragt.

Wie läuft die Wahl der MAV ab?

Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung werden in gleicher, freier, geheimer und unmittelbarer Wahl gemeinsam nach dem Mehrheitsgrundsatz (Persönlichkeitswahl) gewählt.  Lediglich die Wahlberechtigten haben das Recht, Wahlvorschläge zu machen. 

Für Dienststellen mit weniger als 100 Wahlberechtigten gilt ein vereinfachtes Wahlverfahren. Weitere Einzelheiten der Wahl und des Verfahrens regelt der Rat der EKD durch Rechtsverordnung (Wahlordnung).

Bei den Wahlvorschlägen sollen Frauen und Männer sowie die unterschiedlichen Berufsgruppen einer Dienststelle angemessen und paritätisch berücksichtigt werden. 

Wer ist wahlberechtigt? 

Alle Mitarbeiter in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienst- und Arbeitsverhältnissen oder Auszubildende einer Dienststelle, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind wahlberechtigt. 

Wird ein Mitarbeiter zu einer anderen Dienststelle abgeordnet, ist er nach dreimonatiger Betriebszugehörigkeit wahlberechtigt. 

Freigestellte oder beurlaubte Mitarbeiter, Mitglieder der Dienststellenleitung sowie Beschäftigte und Auszubildende, deren Beschäftigung oder Ausbildung überwiegend ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung der beruflichen oder sozialen Rehabilitation oder ihrer Erziehung dient, sind nicht wahlberechtigt. 

Wer ist wählbar?

Alle Wahlberechtigten, die am Wahltag der Dienststelle seit mindestens sechs Monaten angehören, können sich zur Wahl stellen. Abweichend kann von der Dienststellenleitung festgelegt werden, dass ausschließlich Angehörige einer christlichen Kirche gewählt werden können. 

Wie lange ist die Amtszeit?

Auf Grundlage von § 15 MVG-EKD beträgt die Amtszeit nach erfolgreicher Wahl vier Jahre. Die regelmäßigen Mitarbeitervertretungswahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April statt. Die Amtszeit der bisherigen Mitarbeitervertretung endet im Wahljahr am 30. April. 

Unterliegt die Mitarbeitervertretung einem Sonderkündigungsschutz?

Ähnlich wie bei Betriebsratsmitgliedern dürfen Mitarbeitervertreter gekündigt werden, wenn nachweislich Tatsachen vorliegen, die den Dienstgeber zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen. Die außerordentliche Kündigung bedarf der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Besteht sie aus einem Mitglied, muss ein Ersatzmitglied benannt werden. Eine Versetzung oder Abordnung durch den Dienstgeber ist ebenfalls ausschließlich aus wichtigen dienstlichen Erfordernissen im Einzelfall möglich. 

Was sind die Vorteile von Mitarbeitervertretungen? 

Mitarbeitervertretungen bieten kirchlichen Einrichtungen wichtige Vorteile. Dazu gehören unter anderem: 

  • Förderung eines offenen Dialogs zwischen Arbeitnehmern und Dienststellenleitung,
  • Steigerung der Arbeitsmoral und der Arbeitszufriedenheit,
  • Erhöhen der Produktivität durch Wertschätzung und Umsetzung von Maßnahmen,
  • Ermutigung zu Mitbestimmung und Innovation.
  • Stärkung der Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Dienststellenleitung,
  • Förderung von Vielfalt und Inklusion.