Kundenzufriedenheit: Mit ISO 10001 bis 10003 Reklamationen reduzieren und Kunden langfristig binden

Zufriedene Kunden braucht man für zufriedene Unternehmen und zufriedene Mitarbeiter. Doch welche Verhaltensmuster tragen zur Kundenzufriedenheit bei? Wie sollen Beschwerden innerhalb des Unternehmens einheitlich und konsistent bearbeitet werden, so dass der Kunde eine zufriedenstellende Antwort erhält? Was passiert im Konfliktfall?

Die internationale QM-Norm-Reihe DIN ISO 10001 bis 10003 bietet einen praktischen Leitfaden. Buchautor Klaus Graebig hat den Normprozess begleitet und hat in seinem Buch “Kundenzufriedenheit“ die wichtigsten Empfehlungen zum Verhaltenskodex, zum Beschwerdemanagement und zur Konfliktlösung zusammengestellt. Klaus Graebig hat als Produktentwickler, Auditor und Dozent vielfältige Erfahrung im Qualitätsmanagement gewonnen. Aus seiner philosophischen Unternehmensberatung kommen wichtige Einsichten hinzu.

BWRmed!a: Die neuen QM-Norm ISO 9001 will das Thema Kundenzufriedenheit neu gestalten: Wie lässt sich Kundenzufriedenheit messen?

Klaus Graebig: Die Norm ISO 9001 legt keine Methode zur Messung von Kundenzufriedenheit fest, sondern fordert nur dass jedes Unternehmen Informationen darüber beschaffen muss, ob und wie die Kundenanforderungen aus der Sicht der Kunden erfüllt wurden. Sie gibt dafür einige Beispiele: Meinungen von Anwendern, Anerkennungen, Forderungen von Garantieleistungen und Berichte von Händlern sind genauso wichtige Informationsquellen wie Fragbögen. Die Normreihe ISO 10001 bis 10003 hingegen ist eine Leitlinie für den Umgang mit Kunden. In Unternehmensbeschreibungen lese ich immer wieder Behauptungen wie „Unser oberstes Ziel ist der zufriedene Kunde“. Ich halte das in allen oder fast allen Fällen für falsch, denn das oberste Ziel ist die eigene Zufriedenheit. Der zufriedene Kunde soll das Unternehmen stärken, seine eigene Leistung weiterhin am Markt anzubieten.

BWRmed!a: Welche Verhaltensmuster tragen zur Kundenzufriedenheit bei?

Klaus Graebig: In meinen Vorträgen stelle ich am Anfang oft die provozierende Frage: Wer ist eigentlich Ihr Kunde? Die meisten Unternehmen haben diese Frage nicht klar für sich beantwortet, also können Sie auch keine Richtlinien aufstellen, wie sie sich dem Kunden gegenüber verhalten wollen. Laut Norm ist der Kunde der Empfänger eines Produktes. Ist es auch derjenige, der für das Produkt bezahlt? Das muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Im Gesundheitswesen zahlt der Patient oft nicht selber und ist trotzdem ein Kunde. Wenn Sie diese Frage für Ihr Unternehmen beantwortet haben, schließen sich weitere Entscheidungen an, um festzulegen, wer Ihr Kunde ist:

  1. Wenn es um zahlende Kunden geht, wollen Sie dann alle zahlenden Kunden zufriedenstellen oder nur die, die rechtzeitig bezahlen?
  2. Richten Sie sich an Kunden, die freiwillig oder unfreiwillig Ihre Leistung in Anspruch nehmen? (Eine Behörde, die Biometrielösungen für Reisepässe erzwingt, hat beispielsweise Kunden, die sich nicht freiwillig für diese Lösung entschieden haben.)
  3. Welche Kunden dürfen Sie nicht zufrieden stellen (z. B: technische Lösungen, die in die illegale Waffenproduktion oder in Fälschungen fließen können)
  4. In welcher geografischen Region wollen Sie Ihre Kunden erreichen?
    • Wo erbringen Sie Ihre Leistung für den Kunden? (Ein Computerhersteller, der eine Garantieleistung anbietet, muss zum Beispiel entscheiden, ob er seinen Service direkt bei den Kunden anbietet oder nur in seinen Filialen.)
    • Welche Auftragsgröße des Kunden ist erwünscht, welche unerwünscht? (Lohnen sich auch sehr kleine Aufträge? Schränken sehr große Aufträge Ihre Flexibilität gegenüber anderen Kunden zu sehr ein?)
    • Welche Bonität erwarten Sie von den Kunden, die Sie zufrieden stellen wollen?
    • Welche Zahlungsweise wünschen Sie von Ihren Kunden?
  5. Welche Kunden müssen Sie zufrieden stellen (beispielsweise, weil Sie im Auftrag eines Forschungsprojektes Geld dafür bekommen haben)?
  6. Welche Kunden können Sie zufrieden stellen (z. B., weil Sie die erforderliche technische Ausrüstung haben, ausreichend erreichbar sind oder schnell genug liefern)?

Weitere Beispiele finden Sie in der unten angegebenen Literatur.

Ich rate allen Unternehmen diese Fragen ernst zu nehmen bevor sie einen Verhaltenskodex aufstellen.

BWRmed!a: Welche Elemente müssen in einem Verhaltenskodex gegenüber Kunden berücksichtigt werden?

Klaus Graebig: Wenn Sie entschieden haben, wer Ihr Kunde sein soll, dann legen Sie fest, in welcher Situation Sie was beim Kunden erreichen wollen. Am Anfang steht eine klare Zielformulierung.

Daraus leiten Sie Verhaltensregeln für alle Mitarbeiter ab, die direkt oder indirekt diese Situation beeinflussen. Diese Regeln umfassen auch Übereinkünfte über die Wahl der Sprache, die Gestik und Mimik gegenüber dem Kunden. Dabei gilt: Was für den einen Kunden gut ist, kann für den anderen ganz falsch sein. Ein Verhaltenskodex muss daher gegebenenfalls flexibel sein. Ich ärgere mich beispielsweise immer über Tankstellen, die mich bei jedem Besuch nach meiner Kundenkarte fragen. Ich habe mehrmals darauf hingewiesen, dass ich nicht an Ihrem Kunden-Programm teilnehmen will und in Zukunft nicht mehr gefragt werden will. Die Antwort lautete jedoch: „Wir haben Anweisungen jeden Kunden zu fragen“. Das ist eine unsinnige Regel.

Daher muss ein Verhaltenskodex auch die Grenzen der Vorschriften festlegen: In welchen Situationen ist es dem Freiraum der einzelnen Mitarbeiter überlassen, wie er dem Kunden am besten begegnet. Ein guter Verhaltenskodex bieten auch Antworten auf die Frage: Wann breche ich den Versuch ab, meinen Kunden zufriedenzustellen, wenn er beispielsweise mit unangemessenen Forderungen kommt?

Ziel eines Verhaltenskodex nach ISO 10001 ist es, eine Beschwerde oder eine Reklamation des Kunden im Vorfeld zu vermeiden.

BWRmed!a: Und was ist zu beachten, wenn trotz aller Bemühungen eine Beschwerde eingeht?

Klaus Graebig: Ich nenne Ihnen zuerst ein abschreckendes Beispiel: Ich hatte eine Beschwerde an ein Unternehmen geschickt und daraufhin im Abstand von jeweils 4 Wochen 3 verschiedene Antworten aus 3 verschiedenen Niederlassungen mit widersprüchlichem Inhalt bekommen. Das legt den Verdacht nahe: Da fehlt es an Koordinierung. Wie kann ich dann auf eine zuverlässige Bearbeitung meiner Beschwerde hoffen?

Wenn Sie Ihren Kunden und seine Beschwerden ernst nehmen, dann klären Sie folgende Punkte innerhalb der Unternehmens:

  • Wer macht was wann gegenüber dem Kunden? Wo kommt die Beschwerde an? Wer fragt nach? Wer gibt eine Antwort an den Kunden?
  • Wer macht was intern? Wie wird die Beschwerdemeldung weitergeleitet? Wer bearbeitet die Sachlage? Wer trifft eine Entscheidung?

Über die genaue Umsetzung muss jedes Unternehmen für seine spezifischen Anforderungen entscheiden: Dabei sind Faktoren zu berücksichtigen wie:

  • Zahl der Beschwerden
  • Situation der Kunden
  • Anzahl der Schnittstellen intern
  • Komplexität der Prozesse

Der Leitfaden zur Behandlung von Reklamationen in Organisationen, ISO 10002, bietet dazu einige Anhaltspunkte in der Ausgestaltung. Jeder Prozess der Reklamationsbearbeitung benötigt Regeln für folgende Situationen:

  • Wie werden Reklamationen entgegengenommen?
  • Wie sichern Sie die Rückverfolgbarkeit einer Reklamation?
  • Wie bestätigen Sie die Reklamation?
  • Wie bewerten Sie die Reklamation?
  • Wie ermitteln Sie den genauen Sachverhalt?
  • Wie und wer nimmt Stellung zur Reklamation?
  • Wie machen Sie die Entscheidung bekannt?

BWRmed!a: Und wenn das nicht reicht? Was kann ein Unternehmen tun, wenn der Kunde Ihre Entscheidung im Umgang mit der Reklamation ablehnt?

Klaus Graebig: Wenn alle Bemühungen nach ISO 10002 fehlschlagen und Sie ein Gerichtsverfahren vermeiden wollen, dann kann vielleicht ein externer Mediator vermitteln. Diese Mediatoren können sowohl kommerzielle Berater sein als oder auch ehrenamtlich zur Verfügung stehen. Die Norm ISO 10003 als Leitfaden für Konfliktlösungen außerhalb der Organisation bietet Unternehmen einige Kriterien zur Auswahl geeigneter Mediatoren. Dazu gehören:

  • Ist der Mediator zugänglich?
  • Reichen die Kompetenzen, um in dem gegebenen Sachverhalt zu vermitteln?
  • Ist die Vertraulichkeit gewährleistet?
  • Kann der Mediator rechtzeitig vermitteln?
  • Reichen die Kapazitäten des Mediators für die Vermittlung?
  • Sind die Vorgehensweisen des Mediators für alle Seiten transparent und fair?

Die Normreihe wurde weiter fortgesetzt mit der Norm ISO 10004, die Methoden zur Messung der Kundenzufriedenheit aufzeigt soll.

BWRmed!a: Herr Graebig, Wir danken Ihnen für dieses informative Gespräch.

Literatur:
Klaus Graebig: Kundenzufriedenheit – Erläuterungen und Originaltexte DIN ISO 10001, DIN ISO 10002, DIN ISO 10003.