Neues BGH-Urteil: Auftragnehmer beseitigt Mängel „unter Protest“

Hintergrund des Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine ausgesprochen praxisrelevante Frage: Beginnt die Verjährungsfrist im Falle einer Nachbesserung erneut zu laufen?
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Zu dieser Frage finden Sie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) jedenfalls keine konkrete Antwort. Denn es gibt keine Regelung, nach welcher die Verjährungsfrist bei Ersatzlieferung oder Nachbesserung neu zu laufen beginnt.

Allerdings lässt sich ein Neubeginn der Verjährungsfrist unter bestimmten Umständen aus § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB herleiten, wonach die Verjährung erneut zu laufen beginnt, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt.

Ein solches Anerkenntnis hat der BGH schon mehrfach bejaht, wenn der Auftragnehmer auf die Mängelrüge des Auftraggebers umfangreiche Nachbesserungsarbeiten vornimmt.

Nach Ansicht des BGH kann von einem Neubeginn der Verjährung bei Nachlieferung oder Nachbesserung allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn die insoweit vom Lieferanten vorgenommenen Maßnahmen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als konkludentes (sich zwingend ergebendes) Anerkenntnis der Mängelbeseitigungspflicht des Lieferanten anzusehen sind.

Dabei kommt es vor allem auf den Umfang, die Dauer und die Kosten der Mängelbeseitigungsarbeiten an.

Keine Anerkennung bei Mängelbeseitigung unter Hinweis auf Mangelfreiheit

Mit dem Beschluss vom 23.8.2012 hat der BGH entschieden, dass ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht vorliegt, wenn ein Unternehmer auf Aufforderung des Bestellers eine Mängelbeseitigung vornimmt, dabei jedoch deutlich zum Ausdruck bringt, dass er nach seiner Auffassung nicht zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist.

Ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liege nämlich nur vor, wenn sich aus dem tatsächlichen Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger klar und unzweideutig ergibt, dass ihm das Bestehen der Schuld bewusst ist und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird.

Der Schuldner muss dabei sein Wissen, zu etwas verpflichtet zu sein, klar zum Ausdruck bringen. Ob in nicht nur unwesentlichen Nachbesserungsarbeiten ein solches Anerkenntnis liegt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall hatte der Auftragnehmer dem Auftraggeber gegenüber unmittelbar vor der Nachbesserung erklärt, fachgerecht und mangelfrei gearbeitet zu haben. Er habe die Nachbesserungsarbeiten auf Bitten des Auftraggebers durchgeführt, da diese nur mit wenig Aufwand verbunden gewesen seien.

Damit habe der Auftragnehmer, so der BGH, nicht etwa gezeigt, dass er sich seiner Nachbesserungspflicht bewusst ist, sondern vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich zur Mängelbeseitigung nicht verpflichtet fühlt.

Beachten Sie: Den Beschluss des BGH vom 23.8.2012 können Sie abrufen unter www.bundesgerichtshof.de , dort bei „Entscheidungen“ unter Angabe des Aktenzeichens VII ZR 155/10.

Praxishinweis: Das Urteil des BGH reiht sich in die bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema ein. Bereits die Oberlandesgerichte Jena (Urteil vom 9.4.2008, Az. 4 U 1100/06) und Nürnberg (Beschluss vom 27.8.2007, Az. 2 U 885/07) haben entschieden, dass ein Anerkenntnis im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dann nicht vorliegt, wenn die Mängelbeseitigung ausdrücklich nur aus Kulanz oder ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt.

Auch die insbesondere in Einkaufsbedingungen gerne verwendete Klausel „Für im Wege der Nachlieferung durch den Lieferanten neu gelieferte oder nachgebesserte Teile beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen“ hilft Ihnen hier nicht weiter, da diese Klausel nach Ansicht des BGH (Urteil vom 5.10.2005, Az. VIII ZR 16/05) als unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam ist.

Denn nach ihrem Wortlaut setzt jede Neulieferung oder Nachbesserung eines gelieferten Teils ohne Rücksicht auf Umfang, Dauer und Kosten der Nacherfüllung die Verjährungsfrist neu in Gang.

So erfasst die Klausel z. B. auch den Fall, dass ein geringfügiger Mangel eines gelieferten Teils ohne nennenswerten Aufwand vonseiten des Lieferanten beseitigt wird.

In einem solchen Fall kann jedoch nach Auffassung des BGH in der Regel nicht von einem konkludenten Anerkenntnis durch den Lieferanten ausgegangen werden.

Außerdem erfasst diese Klausel auch die Fälle nicht, in denen der Lieferant eben nur aus Kulanz oder ohne Anerkennung einer Rechtspflicht handelt.

Nachbesserung kann zu einer Verjährungshemmung führen

Eine andere Frage ist indes, ob ein Kulanzangebot zur Schaden- bzw. Mängelbeseitigung eine verjährungshemmende Verhandlung im Sinne des § 203 BGB darstellt. Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der Verhandlung in diesem Zusammenhang weit auszulegen.

Es genügt insofern jeglicher Meinungsaustausch über den Schadenfall.

Da auch die Kulanzleistung gegebenenfalls einen erhobenen Anspruch erfüllen kann, dürfte ein entsprechendes Kulanzangebot für den weit auszulegenden Begriff der Verhandlungen regelmäßig genügen.

Beachten Sie: Haben Sie die Geltung der VOB/B vereinbart, so führt gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 3 VOB/B jegliche Nachbesserung zu einer neuen Verjährungsfrist von mindestens 2 Jahren ab Abnahme der Mängelbeseitigungsleistungen.

Kulanz ist immer ein freiwilliges Entgegenkommen, eine so genannte Gefälligkeitsleistung des Lieferanten, auf die kein Anspruch besteht. Ganz im Gegensatz zu vertraglich geregelten Garantieleistungen.