Wenn die Rohstoffpreise wieder steigen: So bereiten Sie sich auf die nächste Preisrallye vor
Die Rückkehr der Verkäufermärkte
Unüberhörbar tickt es gegenwärtig wieder bei den Rohstoffen. Andere Sparten werden schnell nachziehen. Die besondere Herausforderung für Rohstoffeinkäufer: Sie müssen in der Regel auf oligopolistischen oder sogar monopolistischen Beschaffungsmärkten agieren und damit auf ausgesprochenen Verkäufermärkten.
Wer mehr weiß, zahlt weniger
Dass Einkaufen ein Informationsberuf ist, sollte sich in der Branche inzwischen herumgesprochen haben. Ohne detaillierte Kenntnisse des Marktes, der Branchenspielregeln und des einzelnen Lieferunternehmens ist bei der Beschaffung heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Mehr noch: Es ist Ihre Pflicht, sich diese Informationen zu beschaffen – und zwar fortlaufend! Wenn es sein muss, mit täglichen Updates.
PRAXIS-TIPP: Die Suchmaschine Google bietet einen Nachrichtenservice (Google- Alert), der Ihnen nach entsprechender Eingabe tagesgenau aktuelle News liefert. Mehr unter: www.google.de/alerts
Wie gut kennen Sie Ihre Lieferanten?
Wie James Bond in geheimer Mission müssen Sie Ihre Recherchen ja nicht gleich betreiben. Aber wann immer es Ihnen möglich ist, werfen Sie einen ebenso langen wie genauen Blick über den Zaun Ihres Zulieferers.
PRAXIS-TIPP: Nutzen Sie den nächsten Lieferantenbesuch, um etwas über die Einkaufsmethoden und -märkte Ihres Zulieferers zu erfahren. Hören Sie auch auf die Zwischentöne (und die Gespräche auf dem Flur oder im Nebenzimmer).
Wenn Sie Rohstoffe oder Industriemetalle in Bombay beschaffen müssen und nicht in Bochum, haben Sie mit diesen Recherchen natürlich einigen Aufwand. In Zeiten steigender Preise zahlt sich der aber doppelt und dreifach aus.
Bekanntlich werden Rohstoffe und Metalle an Warenbörsen zu Tagespreisen mit entsprechenden Ausschlägen nach oben oder unten gehandelt. Hat Ihr Lieferant zu Niedrigpreiszeiten seine Rohstoff- und Metalllager bis unters Dach vollgestopft, sprudeln seine Gewinne nur so. Denn Ihnen stellt er ja die höheren Tagespreise in Rechnung. Das müssen Sie unbedingt verhindern!
Nutzen Sie Preisgleitklauseln
Preisgleitklauseln sind so eine Möglichkeit. Denn angesichts einer absehbaren Hausse werden sich viele Lieferanten nicht mehr auf einen (noch) niedrigen Rohstoff-Festpreis einlassen. Vereinbaren sie deshalb vor allem bei längerfristigen Verträgen (> 1 Jahr) Gleitklauseln.
Beachten Sie: Dabei ist Preisgleitklausel nicht gleich Preisgleitklausel. Dringend abzuraten ist von allgemeinen Lieferantenklauseln wie:
- Tagespreisklausel: „Es gelten die am Tage der Lieferung festgestellten Börsenpreise …“
- Unbestimmte Preisgleitklausel: „Sollte es während der Vertragslaufzeit zu Lohn- oder Materialkostenänderungen kommen, sind wir berechtigt, die Preise entsprechend anzupassen …“
- Einseitige Hausse-Klausel: „Die Preise basieren auf heutigen Kosten. Steigen die Kosten bis zum Zeitpunkt der Lieferung, steigt auch der Preis. Sinken die Kosten bis zum Zeitpunkt der Lieferung, gilt der heute vereinbarte Preis …“
Für Sie als Einkäufer günstiger sind dagegen:
- Einseitige Baisse-Klauseln: „Die Preise basieren auf heutigen Kosten. Sinken die Kosten bis zum Zeitpunkt der Lieferung, sinkt auch der Preis. Steigen die Kosten bis zum Zeitpunkt der Lieferung, gilt der heute vereinbarte Preis …“
- Bagatellklauseln: „Treten während der Vertragslaufzeit Preisveränderungen ein, werden diese nur wirksam, wenn der neue Preis vom vereinbarten Preis um mindestens -2 % oder +2 % (Beispielzahlen) abweicht …“
In der Praxis gibt es noch weitere Klausel- Varianten, z. B. Stoffgleit-, Lohngleit- oder Anzahlungs- und Selbstbeteiligungsklauseln. Weiterhin können alle Kostenelementklauseln zusätzlich undifferenziert (nur eine Material- und Lohnart) oder differenziert (verschiedene Material- und Lohnarten oder verschiedene Berechnungszeitpunkte) eingesetzt werden.
Beachten Sie: Selbstläufer sind Preisgleitklauseln also nicht. Das Ausarbeiten ihrer Inhalte kostet nicht nur viel Zeit, es setzt sowohl auf Einkäufer- wie auf Lieferantenseite auch viel Fachwissen voraus. Behalten Sie bei Ihren Entscheidungen für oder gegen eine Klausel immer das Zusammenspiel von Zeit und Preisverlauf im Auge. Dann fahren Sie am besten.
PRAXIS-TIPP: Einigen Sie sich bei der vertraglichen Formulierung einer Preisgleitklausel mit Ihrem Lieferanten unbedingt auf eine verbindliche und für beide Parteien zugängliche Datenquelle.