Tarifierung Zoll: Allgemeine Vorschriften & ihre Bedeutung
Warum ist die richtige Einreihung in den Zolltarif so wichtig?
Aus der Zolltarifnummer ergeben sich letztendlich Maßnahmen wie die anzuwendenden Zoll- oder Steuersätze, handelspolitische Maßnahmen wie z. B. Antidumpingmaßnahmen oder Beschränkungen aufgrund von Verboten und Beschränkungen. Sie hat also beispielsweise unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der Einfuhrabgaben, die vom Zoll bei der Wareneinfuhr erhoben werden. Die Tarifierung gehört damit zu den wichtigsten Aufgaben Ihres Verantwortungsbereichs.
Der erste Schritt zur richtigen Warentarifnummer
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Doch welche ist die richtige Tarifposition und wie werden die zahlreichen und teilweise komplizierten Vorschriften korrekt angewendet? Die Vorgaben zur richtigen Einreihung regelt das Harmonisierte System selbst. Diese befindet sich, von vielen oft unbeachtet, am Beginn des Warenverzeichnisses. Es handelt sich hierbei um die sogenannten Allgemeinen Vorschriften (AV) 1 bis 6.
Welche Vorschriften müssen Sie bei der Tarifierung beachten?
Sie müssen die AV für die systematische Einreihung jeder Ware in die jeweils zutreffende Position – und letztendlich auch in die zutreffende Codenummer – zwingend anwenden. Neben diesen verbindlichen Einreihungsregeln existieren noch weitere Einreihungsentscheidungen (Einreihungsverordnungen bzw. Einzelentscheidungen zur KN, gerichtliche Entscheidungen, nationale Entscheidungen und Hinweise etc.), die für eine Einreihung herangezogen werden müssen.
Als weiteres Hilfsmittel für die Auslegung stehen umfangreiche Erläuterungen zum Harmonisierten System, zu den AV und zur KN zur Verfügung.
Die Inhalte der Allgemeinen Vorschriften (AV)
Was sind die Folgen einer Falscheinreihung in den Zolltarif?
Bei der Ermittlung der Zolltarifnummer handelt es sich um ein Compliance-Thema. Zölle sind schließlich Steuern. Das regelt § 3 Abs. 3 Abgabenordnung. Jede Ihrer Zollanmeldung ist eine Steuererklärung – und das mit allen Folgen, die Sie aus dem Steuerrecht kennen.
Das bedeutet konkret: Machen Sie bei der Tarifierung Fehler und werden dadurch Abgaben verkürzt, stehen steuerstraf- und bußgeldrechtliche Konsequenzen im Raum. Können Bußgelder sowohl gegen Unternehmen als auch gegen Mitarbeiter verhängt werden, sind strafrechtliche Sanktionen ausschließlich gegen handelnde Personen zulässig. In den Fokus rücken dann unweigerlich Sie (sowie natürlich Ihre Unternehmensleitung). In der Praxis hält sich die Behörde in diesem Fall vorwiegend an den Zollverantwortlichen.
Die Risiken einer fehlerhaften Tarifierung
Bei der Tarifierung Ihrer Waren müssen Sie systematisch und rechtlich fundiert agieren. Auch deshalb, da in diesem Fachgebiet ein besonders hohes Risiko ruht. Fehler können sich über Jahre aufstauen. Werden schließlich Unregelmäßigkeiten festgestellt, muss nicht selten über den gesamten Festsetzungszeitraum nacherhoben werden.
Nicht berufen können Sie sich in diesem Fall natürlich darauf, dass Zollstellen die unzutreffenden Zolltarifnummern bei Abfertigungen nicht bemerkt und entsprechend korrigiert haben. Dies allein deswegen, da der Zoll aufgrund der Masse der Vorgänge häufig nur stichprobenweise prüfen kann. Hier besteht keinerlei Vertrauensschutz. Sie allein sind für die rechtlich richtige Einreihung zuständig.
Was bedeuten die Vorschriften AV 1 bis 6 für die Einreihung in den Zolltarif?
Sie finden die AV etwas versteckt in der Internetanwendung EZT-Online. Wir möchten Sie bitten, den Gesetzeswortlaut der AV dort nachzulesen. In dieser Übersicht finden Sie in komprimierter Form, was die einzelnen AV für Sie in der Praxis bedeuten.
Vorschrift | Wortlaut/ praktische Bedeutung |
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AV 1 | AV 1 bestimmt, dass maßgeblich für die Einreihung einer Ware sowohl der Wortlaut einer Position als auch der entsprechenden Anmerkung ist. Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nicht maßgeblich. Die AV 2 und 3 sind nur dann anwendbar, wenn AV 1 keine abschließende Einreihung ermöglicht. |
AV 2/2a | AV 2 erweitert die Wortlaute der Positionen in bestimmten Fällen auf unvollständige, unfertige und noch nicht zusammengesetzte Waren. Aber nur dann, wenn die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen, fertigen und zusammengesetzten Waren gegeben sind. |
AV 2b | AV 2b erweitert die Wortlaute bei in einer Position genannten Waren aus einem bestimmten Stoff auf Waren, die nur teilweise aus diesem Stoff bestehen (eine bestimmte Menge des fraglichen Bestandteils muss im Einfuhrzeitpunkt vorhanden sein). |
AV3 | Die AV 3 entscheidet Positionskonkurrenzen, die sich bei der Einreihung von Waren ergeben können. |
AV 3a Satz 1 | AV 3a Satz 1 ermöglicht bei Positionskonkurrenzen von Zweck-Positionen zu anderen Zweck- oder Stoff-Positionen die Zuordnung zu nur einer Position, wenn diese eine genauere Bezeichnung der gesamten Ware enthält. |
AV 3a Satz 2 | AV 3a Satz 2 verbietet diese Entscheidung für bestimmte Fallkonstellationen wieder (z. B. für den Fall, dass Waren-Positionen aus verschiedenen Stoffen (einschließlich Mischungen) in Konkurrenz stehen). |
AV 3b | AV 3b entscheidet Konkurrenzen, die sich gemäß AV 3a nicht lösen lassen. Maßgeblich ist demnach der Teil der Ware, der den charakterbestimmenden Bestandteil bildet. Die Kriterien dafür sind Wert, Gewicht, Masse und Gewicht sowie Verwendungszweck der Ware. |
AV 3c | AV 3c weist die Ware der in der Nomenklatur zuletzt genannten Position zu, wenn gemäß AV 3a und AV 3b keine Einreihung zu nur einer Position möglich ist. |
AV 4 | AV 4 bestimmt, dass Waren, die nach den AV 1 bis 3 nicht eingereiht werden können, in die Position eingereiht werden, der sie am ähnlichsten sind. Der Wortlaut einer Position wird damit umfassend erweitert. |
AV 5 | AV 5 normiert den Grundsatz, dass Behältnisse und Verpackungen grundsätzlich bei der darin enthaltenen Einfuhrware einzureihen sind, wenn sich diese Ware im Einfuhrzeitpunkt darin befindet. Ist Letzteres nicht der Fall, erfolgt die Tarifierung nach eigener Beschaffenheit des Behältnisses oder der Verpackung. |
AV 5a | AV 5a behandelt Behältnisse, die besonders zur Aufnahme einer Ware gestaltet und damit gegenüber einer einfachen Verpackung höherwertig und meist wiederverwendbar sind. Diese werden nur dann bei der enthaltenen Ware eingereiht, wenn sie nicht den Charakter des Ganzen bestimmen. |
AV 5b | AV 5b behandelt Verpackungen, die als übliche Verkaufsumschließungen geringwertig gegenüber der enthaltenen Ware und in der Regel nicht wiederverwendbar sind. |
AV 6 | AV 6 legt die Einreihungshierarchie für den Bereich der Unterpositionen fest. AV 6 ist damit analog zu AV 1 zu sehen. |