
Aufsichtsrat: Überblick über Rechte, Pflichten und gesetzliche Vorgaben
- Definition: Was ist ein Aufsichtsrat?
- Welche Unternehmen brauchen einen Aufsichtsrat?
- Was sind Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsrats?
- Was sind die Pflichten des Aufsichtsrats und wofür haftet er?
- Haftung des Aufsichtsrats
- Wie hoch ist die Vergütung eines Aufsichtsrates?
- Wie wird der Aufsichtsrat bestellt?
- Wie wird der Aufsichtsrat abberufen?
Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, den Vorstand zu überwachen, zu kontrollieren und zu beraten. Er soll sicherstellen, dass das Unternehmen gesetzeskonform und im Interesse der Aktionäre geführt wird. Zudem ist er für die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern sowie für die Prüfung und Genehmigung wichtiger Geschäftsentscheidungen zuständig. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1870 führte erstmals Aufsichtsräte für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien ein. Sie traten an die Stelle der staatlichen Kontrolle und sollten Anleger vor Täuschung schützen.
In den ersten Jahren verhinderten Aufsichtsräte weder Gründungsbetrug noch Insolvenzen. Nach 1946 forderten Gewerkschaften eine stärkere Beteiligung von Arbeitnehmern in Vorständen und Aufsichtsräten. Die Mitbestimmung erhöhte die Einbindung der Beschäftigten. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden enge Verbindungen zwischen Banken, Versicherungen und der Industrie durch Aufsichtsratsmandate und Kapitalbeteiligungen. Heutige Aufsichtsräte sind diverser, kontrollieren aktiver und tragen durch Professionalität und Vielfalt zur Unternehmensentwicklung und Corporate Governance bei.
Dieser Artikel beschäftigt sich im Detail mit dem Aufsichtsrat. Er definiert die fachliche Bezeichnung Aufsichtsrat, erklärt Aufgaben und Befugnisse und geht auf die Pflichten und die Haftung des Aufsichtsrats ein. Ebenfalls erörtert er, welche finanzielle Vergütung der Aufsichtsrat für seine Tätigkeit erhält und wie er bestellt und abberufen wird.
Definition: Was ist ein Aufsichtsrat?
Der Aufsichtsrat spielt in der Struktur deutscher Unternehmen eine zentrale Rolle. Er trägt maßgeblich zur Corporate Governance bei.
Als Kontroll- und Beratungsorgan agiert der Aufsichtsrat in der Regel zwischen Vorstand, Aktionären und Hauptversammlung, um die Geschäfte der Unternehmen im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben sowie den strategischen Zielen zu begleiten. Mit seiner Arbeit sorgt der Aufsichtsrat für Transparenz und Verantwortlichkeit. Gleichzeitig unterstützt der Aufsichtsrat durch seine vorausschauenden und professionellen Entscheidungen die langfristige Stabilität und den Erfolg des Unternehmens.
Gesetzliche Grundlage Aufsichtsrat: Das Aktiengesetz
Aus rechtlicher Sicht bildet das Aktiengesetz (AktG) die gesetzliche Grundlage für den Aufsichtsrat. Ab § 95 AktG wird faktenorientiert beschrieben, wie sich ein Aufsichtsrat im Unternehmen zusammensetzt und auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen werden. Ein Aufsichtsrat besteht aus mindestens 3 Personen – einem Vorsitzenden und Vertretern. Je nach Stammkapital können bis zu 21 Personen in einem Aufsichtsrat zusammengefasst werden. In jedem Fall muss die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder durch 3 teilbar sein.
Welche Unternehmen brauchen einen Aufsichtsrat?
Es gibt unterschiedliche Unternehmensformen, für die ein Aufsichtsrat gesetzlich verpflichtend ist. Bei anderen Unternehmen ergibt sich die Notwendigkeit, einen Aufsichtsrat zu bestellen, aus der Zahl der Beschäftigten oder aus der Satzung oder aus dem Gesellschaftervertrag.
- Aktiengesellschaften (AG) und KGaA: Ein Aufsichtsrat ist gesetzlich verpflichtend.
- Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH): Über 500 Arbeitnehmer oder Stammkapital über 70.000 € und mehr als 50 Gesellschafter (selten).
- GmbH & Co. KG: Verpflichtend bei mehr als 300 Arbeitnehmern (GmbH und KG zusammen).
- Genossenschaften: Notwendig bei mindestens 40 dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern.
- Privatstiftungen: Ab 300 Arbeitnehmern und wenn als Konzernspitze mit über 300 Arbeitnehmern im Konzern tätig.
- Vereine: Kein gesetzlicher Zwang. Sind mehr als 300 Arbeitnehmern im Verein beschäftigt, besteht eine Pflicht zur drittelparitätischen Arbeitnehmervertretung.
- Freiwillige Selbstkontrolle: Unternehmen können freiwillig einen Aufsichtsrat einrichten, wenn dies in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.
Was sind Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsrats?
Aufsichtsräte übernehmen vielfältige Aufgaben, die sich aus Gesetzen, Satzungen und Geschäftsordnungen ergeben. Die Aufgaben des Aufsichtsrats sind für die Führung und strategische Ausrichtung einer Gesellschaft notwendig. Sie umfassen Kontroll-, Überwachungs-, Beratungs- und Repräsentationsfunktionen.
Bestellung und Abberufung des Vorstands
Der Aufsichtsrat bestellt und beruft den Vorstand der Gesellschaft. Seine Wahl für einen Vorstand basiert auf fachlichen und persönlichen Punkten. Eine Abberufung erfolgt bei wichtigem Grund gemäß § 84 AktG, beispielsweise bei Pflichtverletzungen. Damit korrekte und für das Unternehmen zielorientierte Entscheidungen getroffen werden können, müssen der Vorstand und seine Vertreter kompetent sein. Ihre Tätigkeit erfordert Verständnis der Unternehmensanforderungen.
Überwachung der Vorstandstätigkeit
Der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand durch Prüfung der Strategie und Umsetzung. Er erhält in der Regel Einblick durch Berichte, Dokumente und Sitzungen. Er genehmigt wichtige Entscheidungen gemäß § 111 AktG, wie Investitionen oder Fusionen. Die Überwachung dient der Früherkennung von Risiken und der Vermeidung von Fehlentwicklungen.
Fachliche Beratung des Vorstandes
Der Aufsichtsrat berät den Vorstand, insbesondere bei langfristigen und strategischen Entscheidungen. Er bringt Expertise und externe Perspektiven ein. Diese Beratung unterstützt den Vorstand bei der Entscheidungsfindung.
Vertretung der Gesellschaft
Der Aufsichtsrat vertritt die Gesellschaft bei Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand gemäß § 112 AktG. Dies erfordert juristische Kompetenz, um die Interessen der Gesellschaft zu verteidigen. Diese Funktion gewährleistet die Wahrung der Integrität der Gesellschaft.
Zusammenfassend ist die Rolle des Aufsichtsrates für die Führung einer Aktiengesellschaft wesentlich. Der Aufsichtsrat stellt eine Balance zwischen Kontrolle, Beratung und Vertretung sicher. Er trägt zur Stabilität, Transparenz und langfristigen Ausrichtung des Unternehmens bei.
Was sind die Pflichten des Aufsichtsrats und wofür haftet er?
- Das Aktiengesetz (AktG), im Besonderen der § 111 AktG, regelt die Pflichten des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft (AG):
- Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung des Vorstands. Diese Überwachung umfasst die formale und die materielle Kontrolle.
- Der Aufsichtsrat hat das Recht, Bücher, Schriften und Vermögensgegenstände der Gesellschaft einzusehen und zu prüfen. Er kann externe Sachverständige hinzuziehen und erteilt den Prüfungsauftrag für den Jahres- und Konzernabschluss.
- Der Aufsichtsrat beruft eine Hauptversammlung ein, wenn das Gesellschaftswohl dies erfordert.
- Bestimmte Geschäfte bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. Die Satzung oder der Aufsichtsrat selbst bestimmt, welche Geschäfte zustimmungspflichtig sind.
- Der Aufsichtsrat berät den Vorstand.
Haftung des Aufsichtsrats
Aufsichtsratsmitglieder haften gesamtschuldnerisch bei Pflichtverletzungen. Gemäß § 116 AktG und § 93 Abs. 2 AktG haftet jedes Mitglied für den Gesamtschaden, unabhängig vom eigenen Verantwortungsanteil an der Pflichtverletzung.
Praxisbeispiel: Ein Unternehmen erleidet einen finanziellen Schaden aufgrund grob fahrlässiger Verletzung der Überwachungspflichten des Aufsichtsrats. Die Gesellschaft kann in diesem Fall den Schadensersatzanspruch gegen jedes Aufsichtsratsmitglied geltend machen, selbst wenn dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied keine direkte Pflichtverletzung nachgewiesen werden kann.
Das in Anspruch genommene Mitglied muss den Gesamtschaden begleichen und kann anschließend einen Ausgleich von den anderen Aufsichtsratsmitgliedern fordern. Es besteht das Risiko, dass das zuerst in Anspruch genommene Mitglied die Kosten trägt, wenn die anderen Mitglieder zahlungsunfähig sind. Ein prominentes Praxisbeispiel für die gesamtschuldnerische Haftung ist das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zur „VW-Abgasaffäre.“ Aufsichtsräte der Volkswagen AG waren aufgrund unterlassener Kontrolle Schadensersatzforderungen ausgesetzt.
Die gesamtschuldnerische Haftung betont die gemeinsame Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder. Sie erfordert die sorgfältige Wahrnehmung der Überwachungs- und Kontrollpflichten durch jedes Mitglied.
Wie hoch ist die Vergütung eines Aufsichtsrates?
Die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern ist in Deutschland im § 113 AktG geregelt. Die Festlegung erfolgt in der Regel in der Satzung oder durch Beschluss der Hauptversammlung. Ohne explizite Regelungen ist die Tätigkeit unentgeltlich. Die Vergütung muss in angemessenem Verhältnis zu Aufgaben und finanzieller Lage des Unternehmens stehen.
Vergütungsarten umfassen feste Beträge, die unabhängig von Leistung oder Erfolg gezahlt werden und variable Vergütungen, die vom Unternehmenserfolg abhängen. Letztere sind jedoch zunehmend unüblich, besonders in DAX-Unternehmen. Seit 2023 werden in DAX-Unternehmen ausschließlich feste Vergütungen gezahlt. Im Jahr 2023 betrug die durchschnittliche Vergütung eines Aufsichtsratsvorsitzenden in DAX-Unternehmen knapp 420.000 Euro. Einfache Aufsichtsräte erhielten durchschnittlich 127.000 Euro.
Steuerlich werden Aufsichtsratsvergütungen als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit behandelt und unterliegen der Regelbesteuerung. Für beschränkt steuerpflichtige Mitglieder wird eine „Aufsichtsratsteuer“ von 30 % gemäß § 50a Einkommensteuergesetz (EstG) erhoben.
Wie wird der Aufsichtsrat bestellt?
In einer Aktiengesellschaft (AG) werden Aufsichtsratsmitglieder auf Grundlage von § 101 AktG primär durch Wahl in der Hauptversammlung bestimmt. Die Wahl erfolgt mit einfacher Mehrheit, sofern die Satzung keine höhere Mehrheit vorsieht. Die Satzung kann einzelnen Aktionären das Recht einräumen, bis zu einem Drittel der Aufsichtsratsmitglieder direkt durch Wahl zu bestimmen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Wenn ein Aufsichtsratssitz vakant ist und keine Hauptversammlung stattfindet, kann das Registergericht auf Antrag ein Mitglied bestellen. Bei Unternehmen mit mindestens 500 Arbeitnehmern ist eine Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat vorgeschrieben. Bei mehr als 2.000 Beschäftigten erfolgt eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats durch Arbeitnehmer und Anteilseigner.
Der Aufsichtsrat muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen. Die Amtszeit eines Mitglieds endet spätestens mit der Hauptversammlung, die auf das vierte Geschäftsjahr nach seiner Bestellung folgt.
Wie wird der Aufsichtsrat abberufen?
Eine Abberufung erfolgt üblicherweise durch Abstimmung in der Hauptversammlung mit einer 3/4-Mehrheit (§ 103 AktG). Alternativ kann eine Abberufung gerichtlich auf Antrag von Aktionären erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.