Jetzt endlich haben die BFH-Richter für die dringend erforderliche Klarheit gesorgt: Die Berichtigung der Rechnung wirkt auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung der Rechnung zurück. Damit ist der Weg frei für die rückwirkende Berichtigung der Rechnung und damit auch für den Vorsteuerabzug zum damaligen Zeitpunkt (BFH, Urteil vom 20.10.2016, Az. V R 26/15, veröffentlicht am 21.12.2016).
Mit dieser Grundsatzentscheidung widersprechen die BFH-Richter nicht nur der bisherigen Praxis der Finanzverwaltung. Sie geben gleichzeitig auch ihre bisherige Rechtsprechung auf und legen eine 180-Grad-Wende hin.
Diese Entwicklung wurde maßgeblich beschleunigt durch das neueste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum selben Thema. Dieses hatte im Herbst vergangenen Jahres entschieden: Nur der rückwirkende Vorsteuerabzug ist mit dem EU-Recht vereinbar (EuGH, Urteil vom 15.9.2016, Az. C-518/14)
So ging der Rechtsstreit los: Das Finanzamt beanstandete Eingangsrechnungen ...
Der jetzt von den BFH-Richtern entschiedene Fall geht zurück auf die Jahre 2007 bis 2009. Ein Unternehmen hatte einen Beratervertrag mit einem Rechtsanwalt abgeschlossen. Der nahm in seinen Rechnungen an das Unternehmen auf den nicht näher bezeichneten Beratervertrag Bezug. Eine weitergehende Leistungsbeschreibung enthielten diese Rechnungen nicht.
Streit mit dem Finanzamt gab es auch um den Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines Unternehmensberaters. Er stellte dem Unternehmen „allgemeine wirtschaftliche Beratung“ und „zusätzliche betriebswirtschaftliche Beratung“ in Rechnung.
... und strich den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen
Nach einer Betriebsprüfung strich das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Rechtsanwalts und des Unternehmensberaters. Begründung: Es fehlten ordnungsgemäße Leistungsbeschreibungen. Daraufhin forderte das Unternehmen bei den Beratern berichtigte Rechnungen an. Das Finanzamt erkannte die berichtigten Rechnungen als ordnungsgemäß an, verweigerte aber den rückwirkenden Vorsteuerabzug.
Dass das Unternehmen den Standpunkt des Finanzamts nicht akzeptieren wollte, ist verständlich. Schließlich ist der Fall nicht damit erledigt, dass der Vorsteuerabzug später, nach Vorlage der berichtigten Rechnungen, doch noch möglich wurde. Die Nachzahlungszinsen, die mit der Versagung des Vorsteuerabzugs in den Jahren 2007 bis 2009 verbunden waren, stellten aus Sicht des Unternehmens eine finanzielle Belastung dar, für die es keinen Rechtsgrund gab.
Dazu jetzt die BFH-Richter:
Sie schlossen sich ohne Wenn und Aber der Auffassung des EuGH an. Das Recht auf Vorsteuerabzug gehört zu den Grundprinzipien des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Es darf grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Mit dem sofortigen Vorsteuerabzug wird bezweckt, die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu wahren. Es soll verhindert werden, dass für einen der Marktteilnehmer ein finanzielles Risiko entsteht, weil er ganz oder teilweise mit der Umsatzsteuer belastet wird.
Fehlerhafte Rechnungen müssen berichtigungsfähig sein
Zugleich betonen die BFH-Richter aber auch Folgendes: Eine rückwirkende Rechnungskorrektur kommt überhaupt nur dann in Betracht, wenn die fehlerhafte Rechnung berichtigungsfähig ist. Das wiederum ist nur dann der Fall, wenn die fehlerhafte Rechnung zumindest bestimmte Rechnungspflichtangaben enthält. Dabei handelt es sich um Angaben zu/zum/ zur
- Aussteller der Rechnung
- Empfänger der Rechnung
- Leistungsbeschreibung
- Entgelt
- gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer
Diese Mindestangaben müssen allerdings nicht zwingend fehlerfrei sein. Die BFH-Richter lassen es genügen, dass sie überhaupt in der Rechnung enthalten sind und „nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen“. Das wird im Betriebsalltag sicherlich noch für Diskussionen mit Betriebsprüfern sorgen.
Im entschiedenen Fall beanstandeten es die BFH-Richter nicht, dass in den umstrittenen Rechnungen zunächst lediglich auf einen nicht näher bezeichneten Beratervertrag Bezug genommen bzw. über „allgemeine wirtschaftliche Beratung“ bzw. „betriebswirtschaftliche Beratung“ abgerechnet wurde.
Empfehlung
- Praktische Auswirkungen der neuesten Entscheidung. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung ab sofort die neue Rechtsprechung des BFH anwendet. Das BMF lehnt in der neuesten Fassung des UStAE eine rückwirkende Rechnungsberichtigung nach wie vor ab. Die neueste Fassung des UStAE datiert allerdings vom 16.12.2016 und liegt damit zeitlich vor der Veröffentlichung der BFH-Grundsatzentscheidung.
- Diskussion mit den Betriebsprüfern. In jedem Fall erleichtert Ihnen die Grundsatzentscheidung des BFH ab sofort die Diskussionen mit den Betriebsprüfern. Erfahrungsgemäß werden sie den rückwirkenden Vorsteuerabzug jetzt auch in vielen Fällen zulassen, in denen sie bislang „nicht mitgespielt“ haben. Damit entfällt in diesen Fällen dann auch der Streit um Sicherheitsleistungen und Zinszahlungen.
- Spätester Zeitpunkt für Berichtigungen. Im Betriebsalltag gibt es auch immer wieder Streit mit dem Finanzamt darüber, wie lange korrigierte Rechnungen den Vorsteuerabzug retten können. Konkret: Bis wann muss die Vorlage einer berichtigten Rechnung spätestens erfolgen, um sich noch rechtzeitig gegen einen nachteiligen USt-Bescheid zu wehren? Dazu die BFH-Richter: Fehlerhafte Rechnungen können bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht berichtigt werden.