Schwerbehinderte Mitarbeiter: Was Sie als Arbeitgeber beachten sollten

Aufgrund der demografischen Entwicklung steigt auch die Zahl der schwerbehinderten Menschen. Für Sie als Arbeitgeber bedeutet dies, dass Sie zukünftig auch häufiger mit den speziellen Herausforderungen konfrontiert werden, welche die Beschäftigung schwerbehinderter Arbeitnehmer mit sich bringt.
Inhaltsverzeichnis

Wann gilt ein Mitarbeiter als schwerbehindert?

Eine Schwerbehinderung setzt einen Grad der Behinderung von mindestens 50 voraus (§ 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX). Über den Grad der Behinderung sowie die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft entscheidet das Versorgungsamt.

Bei einem geringeren Grad der Behinderung als 50, aber mindestens 30, kann der Arbeitnehmer beantragen, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden. Mit der Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit genießt der Mitarbeiter dann grundsätzlich den gleichen „Status“ wie ein Schwerbehinderter.

Wann müssen schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigt werden?

Bestehen in Ihrem Betrieb mindestens 20 Arbeitsplätze, sind Sie verpflichtet, auf mindestens 5 % Ihrer Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen (§ 71 Abs. 1 SGB IX). Bei der Ermittlung der Zahl der Arbeitsplätze werden alle Stellen mitgezählt, auf denen Sie Arbeitnehmer beschäftigen. Ausgenommen sind aber:

  • Auszubildende,
  • Stellen, auf denen Sie Arbeitnehmer für höchstens 8 Wochen oder mit weniger als 18 Wochenarbeitsstunden beschäftigen.

Als Arbeitgeber sind Sie gesetzlich verpflichtet, vor jeder Einstellung zu prüfen, ob ein freier Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann (§ 81 Abs. 1 SGB IX). Holen Sie deshalb rechtzeitig Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit ein. Nach Eingang eines Vorschlags oder einer Bewerbung eines Schwerbehinderten müssen Sie – falls vorhanden – Ihre Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat unterrichten.

Auch wenn es gelegentlich anders behauptet wird: Eine zwingende Einladung von schwerbehinderten Bewerbern zum Vorstellungsgespräch ist nur für Arbeitgeber im öffentlichen Dienst vorgesehen (§ 82 SGB IX).

Wie wird die Anzahl der Pflichtplätze für Schwerbehinderte berechnet?

Bei der Berechnung Ihrer Pflichtplätze ergeben sich durch die 5-%-Quote meistens Bruchteile, die eigenständigen Rundungsregeln unterliegen. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rundungsregeln (§ 74 Abs. 2 SGB IX) bedeutet die 5-%-Quote folgende konkrete Pflichtplatzanzahl in Ihrem Unternehmen:

  • Arbeitsplatzzahl: 0 bis 19 – Pflichtplatzzahl 0
  • Arbeitsplatzzahl: 20 bis 39 – Pflichtplatzzahl 1
  • Arbeitsplatzzahl: 40 bis 59 – Pflichtplatzzahl 2
  • Arbeitsplatzzahl: 60 bis 69 – Pflichtplatzzahl 3
  • Arbeitsplatzzahl: 70 bis 79 – Pflichtplatzzahl 4
  • u.s.w.

Für die Erfüllung der Pflichtquote gilt grundsätzlich, dass ein schwerbehinderter Mensch einen Pflichtplatz ausfüllt. Bei einer Teilzeitbeschäftigung von wenigstens 18 Stunden in der Woche wird Ihnen trotzdem ein voller Pflichtplatz angerechnet.

Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern, deren Beschäftigung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder bei schwerbehinderten Auszubildenden ist mit Genehmigung der Agentur für Arbeit sogar eine Anrechnung auf bis zu 3 Pflichtplätze möglich (§ 76 SGB IX). Durch gezielte Einstellungen können Sie daher Ihre Beschäftigungspflicht effektiv erfüllen.

Welche Folgen drohen bei einem Verstoß gegen die Beschäftigungspflicht von Schwerbehinderten?

Kommen Sie der Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen nicht oder nicht ausreichend nach, müssen Sie jährlich eine Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt zahlen (§ 77 SGB IX). Diese müssen Sie selbst berechnen und dem zuständigen Integrationsamt die notwendigen Daten bis zum 31.3. des Folgejahres mitteilen! 

Welchen Pflichten müssen bei der Beschäftigung von schwerbehinderten Mitarbeitern erfüllt werden?

Schwerbehinderte Mitarbeiter können verlangen, dass ihr Arbeitsplatz an ihre Behinderung angepasst wird (§ 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Das können Sie als Arbeitgeber nur unter strengen Voraussetzungen ablehnen, etwa, wenn die Anpassung unmöglich oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist.

Im Gegenzug können Sie aber für viele technische Arbeitshilfen und Arbeitsplatzanpassungen staatliche Finanzspritzen beantragen. Erkundigen Sie sich beim Integrationsamt, der Agentur für Arbeit oder den Integrationsfachdiensten nach bestehenden Fördermöglichkeiten.

Freistellung von Schwerbehinderten bei Mehrarbeit

Schwerbehinderte Menschen sind auf Verlangen von Mehrarbeit freizustellen (§ 124 SGB IX). Mehrarbeit im Sinne dieser Vorschrift ist aber nur Arbeit, welche die Arbeitszeit von 8 Stunden täglich übersteigt. Beträgt die individuelle Arbeitszeit eines schwerbehinderten Mitarbeiters dagegen weniger, können Sie bis zur 8-Stunden-Grenze auch Überstunden anweisen.

Zusatzurlaub für schwerbehinderte Mitarbeiter

Schwerbehinderten Arbeitnehmern mit einem GdB ab 50 müssen Sie einen jährlichen Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen gewähren (§ 125 SGB IX).

Achtung: Gleichgestellte Arbeitnehmer haben hingegen keinen Anspruch auf Zusatzurlaub (§ 68 Abs. 3 SGB IX)!

Welche Leistungen erhalten Mitarbeiter mit Schwerbehinderung vom Integrationsamt?

Die Integrationsämter fördern Menschen mit einer Schwerbehinderung mit finanziellen Leistungen, die eben diese Mitarbeiter am Arbeitsplatz unterstützen sollen. Dazu gehören unter anderem:

  • Arbeitsassistenz: Eine Arbeitsassistenz hilft bei Arbeiten, die behinderte Kollegen wegen ihrer Behinderung nicht selbst erledigen können. Eine Arbeitsassistenz kann selbst ausgewählt werden und benötigt keine spezifische Ausbildung. Für die Arbeitsassistenz zahlt das Integrationsamt in der Regel einmal im Monat einen Betrag zwischen 275 und 1.100 € – in besonderen Fällen mehr. Nach zwei Jahren muss ein neuer Antrag gestellt werden.
  • Technische Arbeitshilfen: Technische Arbeitshilfen sind Hilfsmittel für den Arbeitsplatz, wie zum Beispiel ein besonderer Bürostuhl, die persönlich für Menschen mit Schwerbehinderung angeschafft werden und in deren Besitz übergehen. Die Integrationsämter oder die beauftragten Behörden in den Bundesländern übernehmen die gesamten Kosten – auch für die regelmäßige Überprüfung und für Reparaturen.
  • Kraftfahrzeughilfen: Es kann Mitarbeiter geben, die wegen einer Behinderung nicht mit Bus und Bahn zur Arbeit fahren können. Damit diese schwerbehinderten Menschen mit dem Auto zu ihrer Arbeitsstelle kommen können, werden Kraftfahrzeughilfen gezahlt (z.B. Kostenübernahme für den behindertengerechten Umbau des Fahrzeugs oder Zuschuss zum Führerschein)
  • Wohnungshilfe: Menschen mit Behinderung bekommen Wohnungshilfen als Zuschuss oder Darlehen, wenn sie eine für ihre Behinderung geeignete Wohnung oder ein Haus kaufen, ihre Wohnung oder ihr Haus behindertengerecht umbauen oder ausstatten möchten oder in eine neue Wohnung oder in ein neues Haus umziehen wollen, die näher an ihrer Arbeitsstelle liegt oder wegen einer Behinderung besser für sie geeignet ist.
  • Berufliche Fortbildung: Integrationsämter fördern spezielle Fortbildungen für Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung, die unter anderem die beruflichen Fähigkeiten verbessern oder auch den neuesten Stand der Technik vermitteln sollten. Einen Teil der Kosten werden übernommen für Fortbildungen, Schulungen für den beruflichen Aufstieg oder auch für Hilfen, die behinderte Kollegen bei einer Fortbildung benötigen.
  • Wirtschaftliche Selbstständigkeit: Für manchen Mitarbeiter mit Schwerbehinderung kann auch der Weg in die Selbstständigkeit eine Alternative sein. Als Hilfen kommen dabei insbesondere Darlehen und Zinszuschüsse in Betracht, aber auch eine Arbeitsassistenz oder Leistungen für Fortbildungen.

Welche finanziellen Leistungen erhalten Arbeitgeber für Mitarbeiter mit Schwerbehinderung?

Die wichtigsten Ansprüche sind in § 26 SchwbAV geregelt. Dabei geht es um Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen.

Danach können Arbeitgeber Darlehen oder Zuschüsse bis zur vollen Höhe der entstehenden notwendigen Kosten für folgende Maßnahmen erhalten:

  • die behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte,
  • die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen, insbesondere wenn eine Teilzeitbeschäftigung mit einer Dauer auch von weniger als 18 Stunden, wenigstens aber 15 Stunden, wöchentlich wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist,
  • die Ausstattung von Arbeits- oder Ausbildungsplätzen mit notwendigen technischen Arbeitshilfen, deren Wartung und Instandsetzung sowie die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch der geförderten Gegenstände und
  • sonstige Maßnahmen, durch die eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Betrieben oder Dienststellen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann.

Gleiches gilt für Ersatzbeschaffungen oder Beschaffungen zur Anpassung an die technische Weiterentwicklung.

Wie können Schwerbehinderte gekündigt werden?

Wollen Sie einem schwerbehinderten Mitarbeiter ordentlich oder außerordentlich kündigen, benötigen Sie immer die vorherige Zustimmung des zuständigen Integrationsamts (§ 85 SGB IX). Anderenfalls ist Ihre Kündigung allein aus diesem Grund unwirksam!

Kündigung ohne Schwerbehindertenvertretung ist jetzt unwirksam

In Betrieben mit mindestens 5 schwerbehinderten Arbeitnehmern ist eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen (§ 94 SGB IX). Soweit in Ihrem Betrieb eine solche Schwerbehindertenvertretung besteht, müssen Sie zwingend auch diese zur beabsichtigten Kündigung anhören.

Unterlassen Sie diese Anhörung, ist Ihre Kündigung nach aktueller Gesetzeslage jetzt unwirksam (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX)!

Wann gilt der Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderten nicht?

Der Sonderkündigungsschutz besteht zwar unabhängig davon, ob Sie als Arbeitgeber von der Schwerbehinderung wussten. Er findet aber keine Anwendung, wenn die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung weder

  • offensichtlich
  • noch durch Bescheid nachgewiesen oder
  • weniger als 3 Wochen vor der Kündigung beantragt worden ist.

Außerdem genießt Ihr schwerbehinderter Mitarbeiter ausnahmsweise keinen Sonderkündigungsschutz, sodass Sie ohne Zustimmung des Integrationsamts kündigen können, wenn bei Zugang der Kündigung

  • das Arbeitsverhältnis noch keine 6 Monate besteht oder
  • der Schwerbehinderte das 58. Lebensjahr vollendet, einen Anspruch auf Abfindung oder Entschädigung aufgrund eines Sozialplans und Ihrer Kündigungsabsicht nicht widersprochen hat.