Der Fall: In einem arbeitsgerichtlichen Vergleich hatten Arbeitnehmer und Arbeitgeberin vereinbart, dass diese vom Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers nur aus wichtigem Grund abweichen darf.
Die Arbeitgeberin hielt sich grundsätzlich an den Entwurfstext, steigerte allerdings die ohnehin sehr guten Bewertungen durch Hinzufügung von Begriffen wie „äußerst“, „extrem“ und „hervorragend“.
Den Vorschlag „Wir bewerten ihn mit sehr gut“ ersetzte sie durch „Wenn es bessere Noten als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen“. Die Formulierung „Herr F. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern“ ersetzte sie durch „Herr F. ( ...), was wir zur Kenntnis nehmen.“
Der Arbeitnehmer beantragte beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgelds, weil er der Auffassung war, die Arbeitgeberin habe ihrer Pflicht zur Erstellung eines Zeugnisses aus dem Vergleich nicht genügt. Die geänderten Formulierungen seien dazu geeignet, das gesamte Zeugnis wertlos zu machen.
Die Änderungen dienten nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit, sondern zögen vielmehr den Zeugnistext ins Lächerliche. Das Arbeitsgericht entsprach dem Antrag. Die Beschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Das Zeugnis musste von der Arbeitgeberin also entsprechend abgeändert werden.
Zeugniserteilung: So meistern Sie die Gratwanderung
Mitarbeiter haben Anspruch auf eine wohlwollende Beurteilung in ihrem Arbeitszeugnis. Das bedeutet für Sie als Arbeitgeber jedoch einerseits nicht, dass Sie sämtlichen ausscheidenden Mitarbeitern ein gutes Zeugnis erteilen müssen.
Andererseits dürfen Sie das Zeugnis aber auch nicht lächerlich wirken lassen, indem Sie übertrieben formulieren. Schließlich soll das Zeugnis der Unterrichtung eines Dritten dienen, der den Arbeitnehmer einstellen möchte. Dessen Belange sind gefährdet, wenn Sie Ihren ehemaligen Beschäftigten überbewerten.
Für den Inhalt des qualifizierten Zeugnisses gelten folgende Grundsätze
Das Zeugnis muss wahr sein. Es soll zwar den Mitarbeiter in seinem beruflichen Werdegang nicht unnötig behindern, ihn aber auch nicht zu gut bewerten.
- Der Text muss in sich schlüssig sein. Dies bedeutet, dass das Zeugnis insgesamt stimmig sein muss, die Einzelbeurteilungen müssen sich mit der Schlussnote decken. Das Zeugnis muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind. Achtung: Erwähnen Sie jedoch einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind, nicht (auch wenn Sie sich darüber geärgert haben).
- Sie dürfen und müssen wahre Tatsachen und Beurteilungen nur insoweit in das Zeugnis aufnehmen, als ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an deren Kenntnis haben kann. Beispiel: Straftaten sind für ein Zeugnis nur von Belang, wenn sie mit dem (zukünftigen) Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen und erwiesen sind. Ein laufendes Ermittlungsverfahren dürfen Sie in das Arbeitszeugnis nicht aufnehmen. Keinesfalls dürfen Sie Hinweise auf Krankheiten oder auf eine Schwerbehinderung geben.
- Wichtig sind klare Formulierungen und das Vorhandensein aller gängigen Formeln (z. B. „zur vollen Zufriedenheit“). Es darf weder durch Wortwahl und Satzstellung noch durch Auslassungen zu Irrtümern oder Mehrdeutigkeiten kommen.
Zu spät oder verkehrt: Diese Schadenersatzansprüche kann Ihr Mitarbeiter haben
Ein Beschäftigter, der ein qualifiziertes Zeugnis von Ihnen möchte, kann aus den folgenden Gründen einen Schadenersatzanspruch haben:
- wegen Nichterfüllung, Nichterteilung oder verspäteter Erteilung des Zeugnisses. Sie haften in diesen Fällen für den Minderverdienst, der diesem dadurch entsteht, dass er bei Bewerbungen kein ordnungsgemäßes Zeugnis nachweisen kann. Es genügt für den Anspruch, dass der Mitarbeiter Tatsachen darlegen kann, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit des entgangenen Verdienstes ergibt.
- aus der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten wegen unvollständiger oder unrichtiger Zeugniserteilung.