Arbeitszeugnis: Unterdurchschnittliche Beurteilungen mit überdurchschnittlichem Risiko
In der Praxis hat sich nämlich eine Zufriedenheitsskala durchgesetzt, mit deren Hilfe Sie als Arbeitgeber „durch die Blume“ die Leistungen Ihres Mitarbeiters benoten können. Die folgende Tabelle zeigt Ihnen, welche Note hinter welcher Formulierung steckt.
Die Zufriedenheitsskala
Formulierung | Note |
Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben … stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht entsprochen. | 1 |
stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt | 2 |
zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt | 3 |
zu unserer Zufriedenheit erledigt | 4 |
im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt | 5 |
Er/Sie hat sich bemüht, die übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen. | 6 |
Wichtiger Hinweis!
Bei der Ausstellung seines Arbeitszeugnisses hat Ihr Mitarbeiter aber nur einen Anspruch auf eine wahrheitsgemäße Beurteilung seiner Leistung. Davon, dass Ihr Mitarbeiter von Ihnen als Arbeitgeber ein gutes oder sogar sehr gutes Zeugnis verlangen kann, weil dies seinem beruflichen Fortkommen am wenigsten schadet, steht nirgendwo etwas geschrieben.
Vorsichtig sollten Sie aber mit unterdurchschnittlichen Bewertungen sein. Auf der Zufriedenheitsskala beginnen diese mit der Formulierung „zu unserer Zufriedenheit“, also mit der Note 4 (LAG Köln, Urteil vom 02.07.1999, Aktenzeichen 11 Sa 255/99).
Beispiel: Wenn zwei sich streiten, entscheidet das Gericht
Vicky L. hat gekündigt. Als Sie der jungen Controllerin nach 10 Jahren Beschäftigung am letzten Arbeitstag das Zeugnis überreichen, kommt es zum Eklat: Vor versammelter Abteilung erklärt Vicky L., sie habe all die Jahre nicht nur „zur Zufriedenheit“ gearbeitet. Sie verspricht ein baldiges Wiedersehen vor dem Arbeitsgericht, wenn Sie ihr keine bessere Leistung bescheinigen.
Folge: Sollten es tatsächlich zu einem Prozess kommen, müssen Sie vorbereitet sein. Als Arbeitgeber müssen Sie die Tatsachen, die zu der unterdurchschnittlichen Beurteilung geführt haben, spätestens vor dem Arbeitsgericht auf den Tisch legen. Fehlen Ihnen die Beweise für die schlechte Beurteilung, sollten Sie über eine außergerichtliche Korrektur des Zeugnisses nachdenken.
Wichtiger Hinweis!
Als Arbeitgeber müssen Sie die Gründe, die zu der unterdurchschnittlichen Beurteilung Ihres Mitarbeiters geführt haben, vor dem Arbeitsgericht nachweisen. Mit anderen Worten: Sie trifft die Beweislast dafür, dass Ihr Mitarbeiter tatsächlich eine unter dem Durchschnitt liegende Note, also eine 4, 5 oder 6, verdient hat (BAG, Urteil vom 14.10.2003, Aktenzeichen: 9 AZR 12/03).
Tipp!
Nehmen Sie Ihrem Mitarbeiter vorzeitig den Wind aus den Segeln und formulieren Sie wie folgt: „Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.“
Mit dieser Beurteilung sind Sie auf der sicheren Seite, weil sie zwar knapp, aber immerhin noch über dem Durchschnitt liegt (LAG Bremen, Urteil vom 09.11.2000, Aktenzeichen: 4 Sa 101/00).
Auf diese Weise punkten Sie außerdem doppelt:
Einerseits sticht die lediglich knapp überdurchschnittliche Leistung aus der Flut guter und sehr guter Beurteilungen bei einem künftigen Arbeitgeber heraus, so dass dieser erkennen kann, dass Sie mit den Leistungen Ihres Mitarbeiters nicht ganz zufrieden waren. Andererseits muss bei einer durchschnittlichen Beurteilung Ihr Mitarbeiter in einem späteren Arbeitsgerichtsprozess beweisen, dass er besser war, als Sie meinen. Das wird regelmäßig schwer fallen.
Extra-Tipp:
Clever beurteilen: Der Trick mit der Schlussformel
Eine nur knapp überdurchschnittliche Leistung ist nicht die einzige Möglichkeit, wenn Sie Ihrem ausscheidenden Mitarbeiter auf völlige legale Art und Weise ein schlechtes Zeugnis ausstellen und seinen zukünftigen Arbeitgeber auf Ihre Unzufriedenheit hinweisen möchten: Verzichten Sie einfach auf die Schlussformel, in der Sie als Arbeitgeber Ihrem Mitarbeiter noch einmal für die Zusammenarbeit danken und ihm Glück für seinen weiteren beruflichen Werdegang wünschen können. Diese klingt meist so:
„Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden und danken für die stets gute Zusammenarbeit. Für die Zukunft wünschen wir ihm/ihr alles Gute und viel Erfolg!“
Bei einem miserablen Mitarbeiter ist aber meist das genaue Gegenteil dessen, was in der Schlussformel zum Ausdruck kommt, der Fall: Meistens sind Sie froh, einen solchen Arbeitnehmer endlich los zu sein. Bevor Sie sich verbiegen müssen, können Sie die Schlussformel auch einfach weglassen. Ihr Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf eine Schlussformel mit Dank und Glückwünschen. Fehlt sie, kann man Ihnen als Arbeitgeber daraus keinen Strick drehen (BAG, Urteil vom 20.02.2001, Aktenzeichen: 9 AZR 44/00).