Wenn Ausbilder und Azubi in einem Büro sitzen

Im Rahmen einer Berufsausbildung kommt das häufig vor: Ausbilder und Azubi teilen sich ein gemeinsames Büro. Das bringt natürlich einige Vorteile mit sich. Es birgt aber auch Gefahren.

Wenn Sie als Ausbilder Ihrem Auszubildenden viele Stunden am Tag direkt gegenüber sitzen, dann haben Sie die zweifellos vorhandenen Vorteile bereits genießen dürfen. Dazu gehören:

  • Ihnen entgeht nichts. Sie können die Leistungsfähigkeit Ihres Auszubildenden tatsächlich einschätzen. Für die anstehenden Beurteilungen sind Sie bestens gewappnet.
  • Sie werden Ihrer Ausbilder-Rolle bestens gerecht. Sie sind ansprechbereit, können in der Regel sofort reagieren und Wissenslücken beim Azubi zeitnah stopfen. Zudem räumen Sie Probleme durch spontane Gespräche aus dem Weg, bevor diese sich ausweiten können.
  • Ihr Auszubildender lernt auch Ihre Rolle im Unternehmen kennen und schätzen. Das führt zu mehr Verständnis für Ihre Entscheidungen. Nebenbei lernt er von Ihnen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, indem er Sie beobachtet und seine Folgerungen zieht.
  • Sie pflegen die Azubi-Ausbilder-Beziehung intensiv. Durch die enge Zusammenarbeit wird das Verhältnis zwischen Ihnen und dem Azubi vertrauensvoll. Wenn Sie sein Vertrauen gewinnen können, wird er Sie früher auf Probleme ansprechen; möglicherweise auch auf private, die auch die Ausbildungsleistung negativ beeinflussen können.

Nutzen Sie diese Vorteile – ohne allerdings zu übersehen, dass es auch eine Kehrseite der Medaille gibt.

Diese Gefahren sollten Sie kennen …

… damit Sie im Falle eines Falles angemessen reagieren können. Beobachten Sie sich selbst und analysieren Sie die zwangsläufig enge Azubi-Ausbilder-Beziehung von Zeit zu Zeit ganz bewusst. Welche der folgenden Gefahren könnte möglicherweise akut werden?

Gefahr 1: Eine gesunde Distanz geht verloren

Als Ausbilder sind Sie gegenüber dem Azubi weisungsbefugt. Das gilt für alle Tätigkeiten, die mit Ihrem (gemeinsamen) Aufgabengebiet im Rahmen der Ausbildung zu tun haben. Diese hierarchische Grundordnung zwischen Ihnen beiden darf – unabhängig davon, ob Sie sich siezen oder duzen – nie verloren gehen. Denken Sie daran, dass Sie den Azubi zum Ende der Ausbildung beurteilen werden. Ohne eine gewisse, gesunde Distanz wird Ihnen das schwer fallen.

Ihre Maßnahmen: Sie weisen regelmäßig Arbeiten zu, kontrollieren die Qualität, befragen zur Berufsschule und führen Gespräche zur Leistung des Auszubildenden. Kurz: Sie treten als Ausbilder auf. So bleibt auch in engen und freundschaftlichen Beziehungen sichtbar, dass Sie die Fäden in der Hand halten. Das schafft die notwendige Distanz.

Gefahr 2: Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr

Wenn Sie sehr eng zusammenarbeiten – möglicherweise viel enger, als bei anderen Azubis – wird es grundsätzlich schwierig, die Leistung des Auszubildenden im Vergleich zu anderen Azubis zu bewerten. Schließlich arbeiten Sie sehr detailliert mit dem Azubi zusammen und haben deswegen möglicherweise weniger Überblick über die Gesamtleistung. Außerdem besteht die Gefahr, dass Sie manches Überdurchschnittliche als selbstverständlich hinnehmen oder unbewusst sich selbst als Maßstab heranziehen.

Ihre Maßnahmen: Nehmen Sie sich von Zeit zu Zeit den Ausbildungsplan zur Hand und machen Sie sich damit deutlich, was der Azubi können muss und was er tatsächlich kann. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse gedanklich mit denen früherer bzw. anderer Azubis.

Gefahr 3: Sie vermissen diskrete Momente

Auch Sie würden gerne mal ungestört telefonieren oder Besuch empfangen. Zumindest aber hätten Sie es gerne, dass kein Azubi dabei ist – schließlich würden Sie auch gerne über Themen sprechen, die den Azubi nichts angehen. Mit dem Azubi das Büro teilen, heißt aber leider auch: manches private und berufliche Geheimnis mit ihm zu teilen.

Ihre Maßnahmen: Nutzen Sie die Tage, an denen Ihr Azubi in der Berufsschule ist. Legen Sie sich kleine „Büro-Besprechungstermine“ bewusst in diese Zeit. Es ist dann im Übrigen recht praktisch, dass ein Schreibtisch frei ist, der sich unmittelbar in Ihrer Nähe befindet. Ansonsten pflegen Sie Kontakte bewusst in den Büros Ihrer Kollegen, gehen auch für Meetings, bei denen sonst Ihr Büro einen ausreichenden Rahmen geboten hätte, in einen Besprechungsraum oder „leihen“ den Azubi regelmäßig oder ausnahmsweise an einen Kollegen aus.

Gefahr 4: Ihr Azubi fühlt sich gehemmt

Sie haben das Gefühl, dass sich Ihr Azubi mit Ihnen im Büro nicht ganz wohl fühlt. Er macht einen gehemmten Eindruck und fühlt sich offenbar beobachtet. Das wirkt sich negativ auf seine Leistung aus.

Ihre Maßnahmen: Sorgen Sie für Abwechslung (von Ihnen). Für welchen Kollegen kann er noch arbeiten? Nutzen Sie solche Möglichkeiten, bitten Sie aber den Kollegen, darauf zu achten, ob auch er einen ähnlichen Eindruck hat. Zudem sorgen Sie dafür, dass der Azubi „raus kommt“ (Botengänge) und phasenweise ganz allein arbeiten kann. Beachten Sie aber auch: In den meisten Fällen verflüchtigt sich dieser Eindruck schnell. Manche Azubis brauchen halt ein bisschen länger, um sich mit der neuen Situation anzufreunden und mit Ihnen warm zu werden.