Erhalten Sie von den Finanzbehörden einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid, sollten Sie die offene Nachzahlung umgehend begleichen. Anschließend können Sie zunächst einmal davon ausgehen, dass die Sache erledigt ist. Tauchen aber weitere Tatsachen in einem anderen Sachverhalt auf, darf das Finanzamt nachträglich einen weiteren Haftungsbescheid nachlegen. Dies geht aus einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs hervor (BFH, Urteil vom 15.2.2011, Az. VII R 66/10).
Insolvenz und Betriebsprüfung
Im Streitfall meldete ein Unternehmen Insolvenz an. Da es keine Lohnsteuer für das Jahr 2005 abgeführt hatte, wurde diese vom Finanzamt geschätzt und per Haftungsbescheid nachgefordert. Im Jahr 2006 fand eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt. Der Prüfer kam zu dem Schluss, dass die Lohnsteuerzahlung für das Jahr 2005 nach wie vor zu gering ausgefallen war. Das Finanzamt erließ erneut einen Haftungsbescheid und forderte für das Jahr 2005 Lohnsteuer nach. Die geschätzten Lohnsteuerbeträge seien zu gering gewesen, weil einige Spesenzahlungen nicht versteuert worden waren. Das Unternehmen wehrte sich und hatte vor dem Finanzgericht Erfolg:
Das FG urteilte dass der Haftungsbescheid rechtswidrig und daher aufzuheben sei, soweit darin die Klägerin für Lohnsteuer des Jahres 2005 in Haftung genommen worden ist.
Der BFH kassierte das Urteil
Das Finanzamt durfte auch den zweiten Haftungsbescheid erlassen. Die Begründung des Gerichts:
- Ein zweiter Haftungsbescheid ist zulässig, wenn die Haftungsinanspruchnahme für verschiedene Sachverhalte oder zu verschiedenen Zeiten entstandene Haftungstatbestände erfolgen soll.
- Dies war hier der Fall: Der erste Haftungsbescheid betraf angemeldete bzw. geschätzte Lohnsteuern, während der zweite Haftungsbescheid die Lohnsteuer erfasste, die auf die – erst durch die Lohnsteuer-Außenprüfung ermittelten und nicht versteuerten – Spesenzahlungen entfiel. Erst durch die Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, dass an die Arbeitnehmer Spesen gezahlt worden sind, die zu Unrecht nicht der Lohnsteuer unterworfen wurden.
- Auch Vertrauensschutz fällt hier nach Ansicht des BFH aus. Da die Lohnsteueranmeldung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§§ 168, 164 AO) und eine Schätzung naturgemäß ungewiss ist, musste die Arbeitgeberin bei einer Erhöhung der Lohnsteuerschuld infolge einer Außenprüfung mit einem ergänzenden Nachforderungsbescheid rechnen.
- Auf Vertrauensschutz kann sich das Unternehmen auch deshalb nicht berufen, weil es durch die unzutreffende Lohnsteueranmeldung für das zweite Kalendervierteljahr 2005 und durch die fehlenden Lohnsteueranmeldungen für das dritte und vierte Kalendervierteljahr 2005 die zu geringe erste Haftungsinanspruchnahme selbst verursacht hat.
Schützen Sie sich von vornherein Sie sehen: Haben Sie einen Haftungsbescheid erhalten und die entsprechende Schuld beglichen, können Sie sich nicht immer in Sicherheit wiegen. Gibt es noch mehr zu beanstanden, könnte dies noch aufgedeckt und angemahnt werden. Allerdings bietet Ihnen eine Lohnsteuer-Außenprüfung ein gewisses Maß an Sicherheit.
ACHTUNG
Grundsätzlich sind die Mitarbeiter Schuldner der Lohnsteuer. Das Finanzamt muss die Entscheidung, ob es Ihr Unternehmen oder den Mitarbeiter als Steuerschuldner per Haftungsbescheid in Anspruch nimmt, nach pflichtgemäßem Ermessen treffen. In einigen Fällen, wenn es einfacher ist, Sie in Anspruch zu nehmen, oder wenn Sie einen vermeidbaren Fehler gemacht haben, haftet Ihr Unternehmen von vornherein.