Fristlose Kündigung: Schadensersatz für Azubis

Wer zu Unrecht das Ausbildungsverhältnis fristlos beendet, der muss mit Schadensersatzforderungen rechnen.

Das gilt für den Fall, dass Sie als Ausbildungsbetrieb kündigen, ebenso wie für die unwahrscheinliche Variante, dass Ihr Azubi „aus wichtigem Grund“ nach der Probezeit abspringt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jetzt die Frist, in der dieser Anspruch geltend gemacht werden muss, neu interpretiert.

In einem aktuell veröffentlichten Urteil der obersten Arbeitsrichter beginnt die 3-monatige Anspruchsfrist zur Geltendmachung von Schadensersatz nämlich erst, wenn das Ausbildungsverhältnis nach dem Ausbildungsvertrag beendet wurde. Das tatsächliche Ende, das bei einem gekündigten Ausbildungsvertrag früher liegt, spielt dabei überraschenderweise keine Rolle. Somit müssen Betriebe, die Azubis fristlos gekündigt haben, zum Teil noch Jahre später mit Schadensersatzforderungen rechnen.

Kündigung, Kündigungsschutzklage, Schadensersatzforderung

Im konkreten Fall hatte ein angehender Kommunikationselektroniker im 3. Ausbildungsjahr am 2.3.2004 die außerordentliche Kündigung erhalten. Das Ausbildungsverhältnis wurde zwischen den Vertragsparteien daraufhin nicht fortgesetzt. Der Azubi erhob allerdings Kündigungsschutzklage und kümmerte sich darüber hinaus parallel um seine Zukunft. Er schloss mit einem privaten Bildungsträger einen Vertrag, um seine Ausbildung zum Abschluss zu bringen. Hierdurch entstanden Ausbildungskosten von knapp 5.000 €. Und um dieses Geld ging es letztlich auch bei der Schadensersatzforderung. Diese Forderung wurde allerdings erst am 21.4.2005 gestellt, also mehr als ein Jahr nach Zustellung der Kündigung. Nach Ansicht des Ausbildungsunternehmens war das deutlich zu spät. Denn nach § 23 Berufsausbildungsgesetz (damals § 17) heißt es in Absatz 2, dass der Anspruch erlischt, „wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird.“

Bundesarbeitsgericht: Vertragliches Ende ist ausschlaggebend

Dieser Gesetzestext wurde bislang in der Regel so interpretiert, dass das tatsächliche Ende des Ausbildungsverhältnisses gemeint ist. In unserem Fall wäre das der 1.6.2004 (3 Monate nach dem 2.3.2004). Das Bundesarbeitsgericht kippte jedoch die Auffassung des Landesarbeitsgerichts München und legte als letzte Instanz fest, dass das Ausbildungsende im Ausbildungsvertrag maßgeblich sei (Az. 9 AZR 103/07 vom 17.7.2007). Das gilt auch dann, wenn dieses Ausbildungsende nur noch theoretische Bedeutung hat, da der Ausbildungsvertrag schon lange vorher gekündigt wurde. Im vorliegenden Fall war das vertragliche Ausbildungsende für den 28.2.2005 vorgesehen. Damit erfolgte die Geltendmachung zum 21.4.2005 noch innerhalb der 3-Monats-Frist. Der Ausbildungsbetrieb musste der Schadensersatzforderung von knapp 5.000 € plus Zinsen deshalb nachkommen.

Was bedeutet das für Sie als Ausbildungsverantwortlichen konkret?

Wenn einer Ihrer Auszubildenden zu Unrecht fristlos kündigt und Ihnen dadurch ein Schaden entsteht (z. B. Kosten für Neu-Akquise eines Auszubildenden), dann können Sie diesen noch bis zu 3 Monate nach dem gemäß Ausbildungsvertrag vereinbarten Ende der Ausbildung geltend machen. Umgekehrt ist auch Ihr Auszubildender, der gegen Sie eine Kündigungsschutzklage wie im obigen Beispiel gewinnt, bis zu diesem Zeitpunkt berechtigt, Schadensersatzforderungen zu stellen. Das kann noch lange nach dem tatsächlichen Ende der Ausbildung der Fall sein, wie das folgende Beispiel zeigt:

Beispiel: Ein Ausbildungsvertrag läuft vom 1.9.2008 bis zum 31.8.2011. Der Betrieb kündigt nach Ablauf der Probezeit am 15.1.2009 fristlos und zu Unrecht. Entsteht dem Azubi dadurch ein Schaden, so kann er diesen erfolgreich bis zum 30.11.2011 geltend machen (d. h. bis 3 Monate nach dem 31.8.2011).

Tipp: Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, nur dann fristlos zu kündigen, wenn dies Hand und Fuß hat und tatsächlich ein wirklich „wichtiger Grund“ vorliegt. Kündigen Sie also niemals in der Hoffnung, dass das „irgendwie durchgeht“. Die schlimmsten Folgen sind nämlich keineswegs nur die Wiedereinstellung und der Gesichtsverlust. Es sind vielmehr auch beträchtliche Kosten, die noch Jahre später auf Sie zukommen können.