Grafik zur Weiterbeschäftigung nach Kündigung

Weiterbeschäftigungsanspruch: Gründe, Regeln & Folgen

Ist die Kündigung ausgesprochen, darf der Arbeitnehmer seine Tätigkeit im Unternehmen in aller Regel bis zum Ende der Kündigungsfrist ausüben. Wehrt sich der Arbeitnehmer gegen die seiner Meinung nach unwirksame Kündigung, kann er je nach Sachlage gleichzeitig einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend machen. Doch welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um einen solchen Anspruch herbeizuführen. Und was sind die Folgen für den Arbeitgeber? In diesem Ratgeber informieren wir Sie über die verschiedenen Formen des Weiterbeschäftigungsanspruchs und erörtern, wie sich der Arbeitgeber dagegen wehren kann. Darüber hinaus klären wir die Frage, was es mit der Prozessbeschäftigung auf sich hat. Ist sie aus Arbeitgebersicht eine lohnende Alternative?
Inhaltsverzeichnis

Was bedeutet Weiterbeschäftigung nach Kündigung? 

Unter einer Weiterbeschäftigung versteht man die vertraglich vereinbarte Tätigkeit des Arbeitnehmers ab dem Zeitpunkt der Kündigung bis zur Klärung der streitigen Sachlage. Die Weiterbeschäftigung dauert demzufolge so lange an, bis gerichtlich geklärt ist, ob die Kündigung rechtswirksam war und das Arbeitsverhältnis somit wirksam beendet wurde. 

In einem ersten Schritt kann sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) gegen die ausgesprochene Kündigung wehren. Sie ist es auch, die als Grundvoraussetzung für eine Weiterbeschäftigung bzw. einen Weiterbeschäftigungsanspruch fungiert. 

Wenn ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer bis zum Ende des Streitfalls weiterzubeschäftigen. Dies kann entweder bis zu einem Vergleich oder bis zur Rechtskraft eines Urteils andauern. 

Die Kündigungsschutzklage im Verbund mit dem Weiterbeschäftigungsanspruch soll dem Arbeitnehmer helfen, die Zeit ohne Job zu überbrücken oder gar ganz zu verhindern. Gleichzeitig sieht sich der Arbeitgeber durch die Kündigungsschutzklage beinahe unter Zugzwang. Denn die Kündigungsschutzklage mit anhängiger Weiterbeschäftigungsklage kann ihn dazu veranlassen, beispielsweise im Gütetermin auf das Begehren des Arbeitnehmers und Klägers zu reagieren. Vor allem dann, wenn es sich um das Aushandeln einer Abfindung handelt.

Wann besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch?

Der Weiterbeschäftigungsanspruch besteht sozusagen während des arbeitsrechtlichen Verfahrens, bei dem die Rechtmäßigkeit der Kündigung überprüft wird. Er wird unterteilt in die beiden Formen:

  1. Betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch
  2. Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch

Dabei ist der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch gesetzlich in § 102 Abs. 5 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) verankert, während sich der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch aufgrund anerkannter Rechtsprechung (BAG, Beschluss vom 27.2.1985, GS 1/84) etabliert hat. 

Wann besteht ein betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch?

Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch kann im Gegensatz zum etwas „schwächeren“ allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch nur dann geltend gemacht werden, wenn das Unternehmen über einen Betriebsrat verfügt. 

So greift der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch beispielsweise nur dann, wenn der Arbeitnehmer in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht als Sieger hervorgegangen ist. Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruchs ist dagegen unabhängig vom Verfahren zu erheben.

Die folgenden Voraussetzungen müssen umfassend erfüllt sein, damit ein betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch geltend gemacht werden kann. Ist dies der Fall, besteht das Arbeitsverhältnis weiter und der Arbeitgeber muss den Mitarbeiter – bis der Rechtsstreit beendet ist – weiterbeschäftigen:

  1. Der Betriebsrat muss der Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen haben. Dies muss innerhalb einer Woche, nachdem der Betriebsrat Kenntnis von der Kündigung erlangt hat, schriftlich erfolgen.
  2. Der Arbeitnehmer hat Kündigungsschutzklage erhoben.
  3. Wichtig: Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber spätestens vor Ablauf der Kündigungsfrist ausdrücklich seinen Wunsch mitteilen, dass er an einer Weiterbeschäftigung Interesse hat. 
  4. Eine weitere Voraussetzung ist, dass es sich nicht um eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB handeln darf.

Wann besteht der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch?

Den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch können alle Arbeitnehmer geltend machen, die in einem Unternehmen tätig sind, das über keinen Betriebsrat verfügt. Ebenfalls wie beim betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch kann der Anspruch im Rahmen der Kündigungsschutzklage geltend gemacht werden – alternativ in einem arbeitsgerichtlichen Eilverfahren. 

Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch greift nach den geltenden Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts unter den folgenden Voraussetzungen:

  • Das Interesse des Arbeitnehmers an der vertraglich vereinbarten Weiterbeschäftigung muss das Interesse des Arbeitgebers überwiegen. Da jedoch bis zur erstinstanzlichen Entscheidung grundsätzlich das Arbeitgeberinteresse gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers als schützenswerter gilt, ist dies nur bei offensichtlich unwirksamer Kündigung anzunehmen.
  • Ausnahmsweise kann bei offensichtlich unwirksamer Kündigung ein überwiegendes, schutzwertes Interesse des Arbeitnehmers angenommen werden. Dies ist allerdings eher selten der Fall, so z. B. bei Nichtbeachtung des Sonderkündigungsschutzes, wenn es sich beim Arbeitnehmer um einen Schwerbehinderten handelt oder einer Schwangeren gekündigt wurde.

Hat das Arbeitsgericht erstinstanzlich zugunsten des Arbeitnehmers entschieden und somit der Kündigungsschutzklage stattgegeben, ist dies meist gleichbedeutend mit einem zu bejahenden Anspruch auf weitere Beschäftigung. Das bis zu diesem Zeitpunkt schützenswerte Arbeitgeberinteresse, das eigentlich aus der Ungewissheit über den Verfahrensausgang resultiert, wird hiernach zurückgestuft. 

Übersicht: Wann kommt es zu einer Weiterbeschäftigung?

  1. Der Arbeitnehmer wehrt sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung seines Arbeitgebers.
  2. Mit der Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs soll die Tätigkeit im Unternehmen auch nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Verfahrensende erreicht werden.

Zu unterscheiden sind folgende zwei Arten:

1. Art: Betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG

  • Der Betriebsrat muss fristgerecht und ordnungsgemäß widersprechen.
  • Der Arbeitnehmer muss die Weiterbeschäftigung rechtzeitig und ausdrücklich verlangen.

2. Art: Allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch (nach Beschluss des Bundesarbeitsgerichts im deutschen Arbeitsrecht anwendbar)

  • Greift nur bei offensichtlich unwirksamer Kündigung bzw. bei Vorliegen des Sonderkündigungsschutzes.
  • Anwendbar für Arbeitnehmer eines Unternehmens, das über keinen Betriebsrat verfügt.

Wie lange müssen Arbeitgeber die Gekündigten weiterbeschäftigten?

Reicht der Arbeitnehmer nach der Kündigung durch den Arbeitgeber die Kündigungsschutzklage ein, so muss er im Fall die gewünschte Weiterbeschäftigung ausdrücklich verlangen. Ist dies erfolgt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer bis zum Ende des Streitfalls weiterzubeschäftigen. 

Im „Normalfall“ muss der Arbeitgeber bei der Kündigung die bisherige Dauer der Beschäftigung berücksichtigen, um die Kündigungsfrist bestimmen zu können. Sie reicht von zwei Wochen (in der Probezeit) bis zu sieben Monaten (bei insgesamt mehr als 20 Beschäftigungsjahren). Wird seitens des Arbeitnehmers keine Kündigungsschutzklage erhoben, muss er in all diesen Fällen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beschäftigt werden und die entsprechende Vergütung erhalten. 

Wird jedoch der Weiterbeschäftigungsanspruch im Zuge der Kündigungsschutzklage bestätigt, so dauert das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Verfahrens an. Auch hier ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen Arbeitnehmer wie bisher weiterzubeschäftigen. Das bedeutet, dieser erhält für die entsprechende Tätigkeit weiterhin den gleichen Lohn ausgezahlt. Dabei ist es unerheblich, wie lange der Kündigungsschutzprozess andauert. Er kann sich unter Umständen über mehrere Monate erstrecken – auch länger als ein Jahr dauern. 

Grund für die lange Weiterbeschäftigungspflicht seitens des Arbeitgebers während des Verfahrens ist der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer sonst unmittelbar nach Ablauf der Kündigungsfrist arbeitslos melden müsste. Diesem Schritt will der Gesetzgeber vorsorgen. Denn es ist zu dem Zeitpunkt eben noch nicht geklärt ist, ob der Arbeitnehmer nicht vielleicht doch im Recht ist, sollte die Kündigung unwirksam gewesen sein.

Kann sich der Arbeitgeber gegen den Weiterbeschäftigungsanspruch wehren? 

Der Arbeitgeber muss den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers bis zu einem Urteil nicht wehrlos hinnehmen. So wie der Arbeitnehmer sowohl den betriebsverfassungsrechtlichen als auch den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch notfalls in einem Eilverfahren geltend machen kann, besteht auch für den Arbeitgeber die Möglichkeit, diesen Anspruch per einstweiliger Verfügung zu stoppen.

§ 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG nennt hierzu drei Voraussetzungen, von denen einer für einen erfolgreichen entsprechenden Antrag vorliegen muss:

  1. Es besteht keine hinreichende Aussicht, dass der Arbeitnehmer mit seiner Klage Erfolg haben wird. Gleiches gilt, wenn die Klage mutwillig erscheint.
  2. Die Weiterbeschäftigung darf zu keiner unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen.
  3. Des Weiteren hat der Antrag Erfolg, wenn der Widerspruch des Betriebsrats „offensichtlich unbegründet“ war.

Im Fall des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs überwiegt bis zur Beendigung der ersten Instanz ohnehin das Interesse des Arbeitgebers gegenüber dem Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Lediglich bei offensichtlich unwirksamer Kündigung verhält es sich umgekehrt, sodass ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu bejahen wäre.

Kann der Anspruch auf Weiterbeschäftigung durch Verzicht ausgeschlossen werden? 

Ja, die vertragliche Vereinbarung, wonach ein (Weiter-)Beschäftigungsanspruch durch Verzicht gilt, ist rechtlich möglich. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Verzicht bezüglich einer solchen Freistellungsphase erklärt wird, die im konkreten Fall bevorsteht. Wenn sich demnach beide Vertragsparteien bereit erklären, den Verzicht bzgl. des Beschäftigungsanspruchs auf die Freistellung innerhalb der Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses zu beziehen, steht der Wirksamkeit einer solchen Klausel nichts entgegen. 

In den folgenden Konstellationen sind derartige Verzichtserklärungen denkbar: 

Allerdings ist ein Verzicht auf den Beschäftigungsanspruch nicht in jedem Fall rechtlich zulässig. Wenn die Verzichtsvereinbarung Teil eines vorformulierten Vertragsinhaltes ist, so ist sie rechtlich als unzulässig zu bewerten. Denn eine im Voraus nicht näher bestimmte Vertragsbedingung auf eine „Freistellung“ bezogen kann nicht wirksam vereinbart werden.

Was ist eine Prozessbeschäftigung und wie sinnvoll ist diese für Arbeitgeber?

Unter einer Prozessbeschäftigung versteht man einen vorübergehenden Arbeitsvertrag, der nur für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens gelten soll. 

Wenn kein Weiterbeschäftigungsanspruch existiert bzw. geltend gemacht wurde, erbringt der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Ende des Kündigungsschutzverfahrens keine Arbeitsleistung. Obsiegt der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage, riskiert der Arbeitgeber, dass er den entstandenen Lohnausfall bis zur Urteilsverkündung nachzahlen muss. 

Um diese oftmals beachtliche Lohnzahlung zu vermeiden, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Prozessbeschäftigung anbieten. Denn dieser neu befristete oder auflösende bedingte Arbeitsvertrag sorgt dafür, dass der Arbeitgeber eine Arbeitsleistung für die Lohnzahlung erhält. 

Darüber hinaus kann sich das Modell der Prozessbeschäftigung noch in einem weiteren Punkt positiv für den Arbeitgeber auswirken: Der für die Prozessbeschäftigung vereinbarte sogenannte Zwischenlohn kann in der Summe unter dem im Arbeitsvertrag bisherigen vereinbarten Lohn liegen. Lehnt der Arbeitnehmer die Prozessbeschäftigung seitens des Arbeitgebers ab, so ist der Arbeitgeber im Falle einer Prozessniederlage nur verpflichtet, die Differenz zwischen dem Zwischenlohn und dem ursprünglichen Lohn zu zahlen. Denn zumindest für die Höhe des Zwischenlohns hat er dem Arbeitnehmer ja eine Arbeitsstelle angeboten.

Welche Nachteile bringt die Prozessbeschäftigung für den Arbeitgeber mit sich?

Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung an, stellt sich automatisch die Frage nach der Notwendigkeit der Kündigung. Die Tatsache, dass er dem Arbeitnehmer auch weiterhin eine Tätigkeit im Unternehmen anbieten kann, kann ihm im Hinblick auf den vorgebrachten Kündigungsgrund nachteilig ausgelegt werden. Und dies betrifft u. U. jede Art der drei Kündigungsgründe:

  • Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss überprüft werden, inwiefern der Wegfall des Arbeitsplatzes Bestand hat.
  • Im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung stellt sich die Frage der Unzumutbarkeit, wenn der Arbeitnehmer weiterhin im Unternehmen arbeiten „darf“.
  • Ähnliches gilt für den Fall einer personenbedingten Kündigung, wenn der Arbeitnehmer „doch“ fähig ist, die bisherige oder eine vergleichbare Arbeitsleistung zu erbringen. 

Des Weiteren kann die Prozessbeschäftigung aus rein formellen Gründen Risiken in sich bergen. Bei Missachtung des Schriftformerfordernisses gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG kann es passieren, dass das Arbeitsverhältnis dadurch auf unbestimmte Zeit geschlossen wird – selbst wenn sich die Kündigung später als wirksam herausstellen sollte.

Was sind die Folgen einer gewonnenen Kündigungsschutzklage?

Ist der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage im arbeitsgerichtlichen Verfahren erfolgreich, ändert sich für den Arbeitnehmer im Fall einer Weiterbeschäftigung nichts. Das Arbeitsverhältnis bleibt weiterhin bestehen, der Arbeitnehmer erledigt bei gleichbleibender Lohnfortzahlung seine bisherige Arbeit im Unternehmen weiter. 

Wurde der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist dagegen nicht weiterbeschäftigt, droht dem Arbeitgeber nach dem Urteil womöglich eine empfindlich hohe Nachzahlung der Löhne aus der Zeit zwischen Ende der Kündigungsfrist und Urteilsfindung. Nach dem verlorenen Kündigungsschutzverfahren muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer den weiterhin gültigen Vertragsinhalten entsprechend weiterbeschäftigen.