Befristung bei der Übernahme: Geht das – oder geht das nicht?
Die Frage: Wir gründen soeben eine neue GmbH, die eine Gaststätte betreiben wird an einem Standort wo schon ein andere Gaststätte betrieben wird. Der bisherige Wirt betreibt sein Lokal bis zum vorletzten Tag seines gekündigten Mietvertrages und geht dann in Rente. Wir werden einen Großteil seiner Einrichtung übernehmen obwohl der Stil, das Konzept, und das Angebot unseres Lokals dem alten kaum ähnelt. Es wird deswegen auch kaum eine Betriebsruhe geben zwischen dem letzten Betriebstag des alten Betreibers und unserem ersten Tag (maximal eine Woche zum umdekorieren!!). Deswegen erwägen wir auch die Mehrheit seiner Belegschaft zu übernehmen.
Mir wurde aber erklärt, dass die Belegschaft durch die fehlende Unterbrechung Ihre Betriebszugehörigkeit (in Bezug auf Kündigungsfristen, Urlaubsanspruch, …) trotz Wechsel zu einem neuen Betrieb (ohne Betriebsverkauf!!) beibehalten wird, weil die Unterbrechung so kurz sein wird und demnach, obwohl der Betrieb nicht gekauft wurde, von einer Weiterführung ausgegangen wird bzw. eine unterstellt wird.
Wenn dies stimmen sollte, dann würden wir auch nur den Neueinstellungen und nicht den Übernommenen einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag geben können, ohne dass ein solcher Vertrag von einem Arbeitsgericht als unbefristet behandelt wird.
Wie sehen Sie diese Situation? Wo habe ich möglicherweise einen Denkfehler gemacht oder ein Detail nicht berücksichtigt?
Die Antwort: Das Thema „Betriebsübergang“ beschäftigt die Gerichte leider immer wieder. Gerade aus dem von Ihnen angesprochenen Grund, dass Rechte der Arbeitnehmer aus dem alten Betrieb im neuen Betrieb unter ungünstigen Umständen weiterleben können – und diese Umstände liegen bei Ihnen, so wie Sie den Fall schildern, tatsächlich vor. Denn auch bei einem Pächterwechsel greifen die Spielregeln des Betriebsübergangs. Die jetzt laufenden Arbeitsverhältnisse nachträglich zu befristen, ist damit nicht möglich. Doch der Reihe nach:
Bei einem Betriebsübergang (§ 613a BGB) übernehmen Sie als Erwerber nicht nur den Betrieb, sondern auch die Arbeitsverhältnisse. Erst dann spricht man übrigens überhaupt von einem Betriebsübergang.
Das sind die Voraussetzungen des Betriebsübergangs
Vorliegen eines Betriebs oder Betriebsteils
Es muss immer der gesamte Betrieb oder ein Teil davon übertragen werden.
Übertragung von wesentlichen Betriebsmitteln bzw. von wesentlichem Personal
Bei Produktionsbetrieben kommt es darauf an, dass die materiellen Betriebsmittel (z.B. Maschinen) übertragen werden. Bei Handelsbetrieben müssen die materiellen wie auch die immateriellen Betriebsmittel (z.B. Kundenstämme) übergehen. Und in reinen Dienstleistungsbetrieben kommt es eher auf die immateriellen Betriebsmittel an.
Übergang durch Rechtsgeschäft
Die häufigsten Fälle in der Praxis sind hierbei Kauf- und Pachtverträge. Die Rechtsfolgen von § 613a BGB treten aber auch bei Umwandlungen in Form einer Schenkung, Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung ein.
Keine wesentliche zeitliche Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit
Schwierigkeiten machen in der Praxis immer wieder Fälle, in denen der Unternehmer den Betrieb einstellt und der Betrieb erst nach einer Weile vom Nachfolger weitergeführt wird. Dies geschieht häufig in der Absicht, einen Betriebsübergang zu vermeiden. Das gelingt letztlich aber nur, wenn auch der ernstliche und endgültige Entschluss vorlag, die Geschäftstätigkeit für einen unbestimmten, wirtschaftlich erheblichen Zeitraum einzustellen. Der Stilllegungswille muss dabei greifbare Formen angenommen haben, z.B. durch die Einstellung der Produktion.
Wechsel des Betriebsinhabers
Der Betrieb muss durch einen neuen Inhaber fortgeführt werden. Inhaber ist dabei, wer über die arbeitsrechtliche Organisations- und Leitungsmacht verfügt. Ein Inhaberwechsel liegt z.B. auch vor, wenn der Pächter wechselt.
Wahrung der Identität
Die bisherige Tätigkeit des Betriebs muss im Wesentlichen mit der Tätigkeit im Erwerberbetrieb übereinstimmen. Ansonsten liegt kein Betriebsübergang vor.
All das ist im geschilderten Fall gegeben!
Wie sich der Inhaberwechsel auf die Arbeitsverhältnisse auswirkt
Die wichtigste Folge des Betriebsübergangs ist, dass die bestehenden Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber übergehen. Wobei es ja passieren kann, dass ein Arbeitnehmer mit dem Betriebsübergang nicht einverstanden ist:
In diesem Fall kann der Mitarbeiter den Übergang seines Arbeitsverhältnisses dadurch verhindern, dass er dem Betriebsübergang widerspricht (§ 613a Abs. 6 BGB). Folge ist, dass er dann weiter beim bisherigen Arbeitgeber beschäftigt bleibt. Allerdings läuft der Mitarbeiter dann Gefahr, dass sein Arbeitsverhältnis vom alten Arbeitgeber gekündigt wird, weil dieser keine Verwendung mehr für ihn hat – was bei einem in Pension gegangenen Wirt zweifelsohne der Fall sein wird.
Den Widerspruch muss der Arbeitnehmer allerdings innerhalb eines Monats gegenüber dem alten oder neuen Arbeitgeber schriftlich äußern. Achtung: Die einmonatige Widerspruchsfrist beginnt erst zu laufen, wenn der Mitarbeiter vollständig über den Betriebsübergang informiert wurde. Ist die Information nicht oder nicht vollständig erfolgt, läuft die Frist nicht an!
Sie müssen die Mitarbeiter also rechtzeitig informieren
Die Verpflichtung zur Information trifft sowohl den Betriebsveräußerer als auch den Erwerber. Die Unterrichtung sollte schriftlich erfolgen. Aus der Information muss hervorgehen, von wem sie stammt. In jedem Fall ist über folgende Punkte zu informieren:
1. Den (geplanten) Zeitpunkt des Betriebsübergangs
Diesen sollte sicherheitshalber der Erwerber mitteilen. Denn in der Praxis kann sich ein Betriebsübergang z.B. aufgrund von technischen Umstellungsschwierigkeiten in der Produktion, EDV oder Gehaltsabrechnung sehr schnell verzögern.
2. Den Grund für den Übergang
Hier muss die Belegschaft in verständlicher Form über den Rechtsgrund der Übertragung, z. B. Verkauf, Umwandlung etc., informiert werden. Dazu gehört auch, dass die wirtschaftlichen Motive zumindest in groben Zügen erläutert werden.
3. Die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Arbeitnehmer
- Zu den rechtlichen Folgen gehören der grundsätzliche Übergang der Arbeitsverträge auf den Erwerber, welche Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen künftig gelten und welche Folgen ein Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB haben kann.
- Die wichtigste wirtschaftliche Folge ist die Frage, welcher Arbeitgeber für eventuelle Ansprüche des Arbeitnehmers haftet.
- Bei den sozialen Folgen geht es vor allem darum, welche Kündigungsschutzregeln gelten.
4. Die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht gestellten Maßnahmen
Hierbei geht es um Weiterbildungsmaßnahmen, die die berufliche Entwicklung der Arbeitnehmer im neuen Betrieb betreffen. Gehen Sie am besten folgendermaßen vor:
- Erwerber und Veräußerer sollten möglichst frühzeitig gemeinsam eine schriftliche Information an alle Arbeitnehmer herausgeben. Hierin sollten Sie die oben geschilderten Punkte ansprechen. Teilen Sie im Zweifel eher zu viel als zu wenig mit. Beraumen Sie anschließend eine Versammlung an, in der Sie für Fragen Ihrer Mitarbeiter zur Verfügung stehen.
- Lassen Sie sich in Form einer Empfangsquittung von jedem einzelnen Mitarbeiter bestätigen, dass er vollständig informiert wurde. Denn in einem Arbeitsgerichtsprozess sind Sie für die vollständige Unterrichtung beweispflichtig.
- Möchten Sie das Risiko eines Widerspruchs von vornherein ausschließen, können Sie die Mitarbeiter auch auffordern, auf ihr Widerspruchsrecht zu verzichten. In diesem Fall lassen Sie sich bitte schriftlich bestätigen, dass die Mitarbeiter vollständig von Ihnen informiert wurden und auf ihr Widerspruchsrecht verzichten.
Was mit bestehenden Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen geschieht
Dieser Punkt betrifft den geschilderten Fall nicht, sei hier aber der Vollständigkeit halber erwähnt:
- Tarifverträge gelten im neuen Unternehmen weiter, wenn sie entweder allgemeinverbindlich sind oder beide Seiten tarifgebunden sind.
- Betriebsvereinbarungen gelten im Erwerberbetrieb weiter, wenn der Betrieb vollständig übertragen wird und in seiner Identität erhalten bleibt. Wird nur ein Teil des Betriebs übertragen, gilt die Betriebsvereinbarung demnach nicht weiter.
- Gehen Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung nicht auf den Erwerber über, gelten sie unter Umständen dennoch weiter – wenn auch in anderer Form:
Denn Regelungen eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung, die den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses betreffen (z.B. Entgelt, Urlaubsdauer), werden zum Inhalt der Arbeitsverträge zwischen den Arbeitnehmern und dem Erwerber. Diese Regelungen dürfen dann ein Jahr lang nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgeändert werden. Allerdings gelten die Regelungen nur mit dem Inhalt, den sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten. Spätere Tariferhöhungen etwa haben auf die Arbeitsverträge also keine Auswirkung.
Die alten Regelungen werden nicht Inhalt der Arbeitsverträge, wenn im Erwerberbetrieb bereits ein Tarifvertrag bzw. eine Betriebsvereinbarung existiert, die dieselben Bereiche regelt. Verbesserungen zugunsten der Arbeitnehmer sind jederzeit möglich. Nach Ablauf eines Jahres können Sie mit jedem einzelnen Mitarbeiter einen neuen Arbeitsvertrag mit schlechteren Konditionen abschließen oder eine Änderungskündigung aussprechen.