Kettenbefristung: Mit befristeten Arbeitsverträgen maximale Flexibilität erhalten

Viele Unternehmen versuchen sogenannte Kettenarbeitsverträge durchzusetzen, da diese eine hohe Flexibilität versprechen. Allerdings sind Kettenarbeitsverträge nicht in jedem Fall rechtens. Doch wann und in welchem Umfang sind Kettenarbeitsverträge rechtlich zulässig? Und ab welcher Gesamtdauer muss von einem Rechtsmissbrauch ausgegangen werden?
Inhaltsverzeichnis

Warum setzen Unternehmen Kettenbefristung ein?

Unternehmen schätzen die Flexibilität von Arbeitsverhältnissen. Vor allem bei nicht absehbaren innerbetrieblichen oder globalen Herausforderungen sind alternative Beschäftigungsverhältnisse aus Unternehmersicht sinnvoll. Externe Beschäftigte, die in Arbeitnehmerüberlassung oder als freie Mitarbeiter arbeiten sind beweglicher einsetzbar. Sie können bei Konjunkturschwankungen schneller entlassen und später erneut eingestellt werden.

Ähnlich verhält es sich mit befristeten Mitarbeitern. Durch die Befristung im Arbeitsvertrag entstehen ebenfalls weniger Pflichten für den Arbeitgeber. Gleichzeitig sind befristete Mitarbeiter wertvolle Betriebsangehörige. Aus diesem Grund nutzen viele Betriebe sogenannte Kettenarbeitsverträge, bei denen befristete Arbeitsverhältnisse aneinandergereiht werden. 

Was sind die rechtlichen Hintergründe von Kettenbefristung?

Der Begriff Kettenarbeitsvertrag wird vom Gesetzgeber nicht offiziell verwandt. Er hat sich in den letzten Jahrzehnten als Synonym für Arbeitsverhältnisse verfestigt, die fortlaufend neu befristet werden. Ein Kettenarbeitsvertrag ist nach der aktuellen Rechtslage grundsätzlich zulässig, solange jeder befristete Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Die rechtliche Grundlage für befristete Arbeitsverträge und Kettenarbeitsverträge finden Unternehmen im Teilzeitbefristungsgesetz- und Befristungsesetz (TzBfG). Befristete Verträge bieten dabei durch die Möglichkeit der Verlängerung großes Potenzial für Missbrauch.

Wann ist Kettenbefristung in Deutschland zulässig?

Im § 14 des TzBfG werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für befristete Arbeitsverträge eindeutig dargestellt. Aus den gesetzlichen Vorgaben kann abgeleitet werden, wie häufig ein befristetes Arbeitsverhältnis als Kettenarbeitsvertrag verlängert werden darf. Unternehmen sollten vor jeder Verlängerung im Detail prüfen, ob aus rechtlicher Sicht eine erneute Befristung möglich ist. Bei Nichtbeachtung riskieren Sie bei einer Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht, dass das befristete Arbeitsverhältnis in einen unbefristeten Arbeitsvertrag umgewandelt wird.

Gemäß § 14 TzBfG sind befristete Arbeitsverhältnisse zulässig, wenn für diese ein Sachgrund vorliegt. Ohne einen Sachgrund darf ein Arbeitsvertrag nur für eine Gesamtdauer von 2 Jahren befristet werden. Als Sachgründe gelten aus rechtlicher Sicht:

  1. Der vorübergehende betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung.
  2. Eine Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern.
  3. Eine Beschäftigung in Vertretung, zum Beispiel für eine Mitarbeiterin im Mutterschutz.
  4. Wenn branchenspezifisch Befristungen üblich sind, zum Beispiel im Schaustellergewerbe.
  5. Die Befristung zur Erprobung erfolgt.
  6. In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen.
  7. Der Arbeitnehmer aus öffentlichen Mitteln vergütet wird, die für eine befristete Beschäftigung vorgesehen sind.
  8. Die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

Typische befristete Arbeitsverhältnisse entstehen, wenn Mitarbeiter als Vertretung oder als kurzzeitiger Ersatz eingestellt werden. Ebenfalls üblich ist eine zeitlich begrenzte Beschäftigung mit einem einjährig befristeten Arbeitsvertrag mit Option auf Weiterbeschäftigung bei Neueinstellungen. In diesem Fall erfolgt die Befristung auf Probe.

Ohne sachlichen Grund ist Kettenbefristung höchstens 2 Jahre möglich – mit Ausnahmen

Findet keiner der Sachgründe Anwendung, ist die Befristung zeitlich begrenzt. Eine Kettenbefristung darf im Höchstfall eine Gesamtdauer von zwei Jahren haben. In dieser Zeit darf ein befristeter Arbeitsvertrag dreimal verlängert werden. Ausnahmen bestehen bei Start-ups und neu gegründeten Firmen. Diese dürfen für befristete Arbeitsverträge Verlängerungen über die Dauer von vier Jahren aussprechen.

In Tarifverträgen können anderweitige Regelungen zu Kettenbefristungen bestehen. Nicht tarifgebundene Arbeitnehmer können mit Arbeitgebern ebenfalls die Geltung des Tarifvertrages vereinbaren. Im Tarifvertrag der Metallindustrie findet die Möglichkeit einer längeren Befristung zum Beispiel Anwendung. Im Rahmen der Corona-Pandemie konnten mit der Öffnungsklausel im Teilzeit- und Befristungsgesetz mehr als 300 Beschäftigte in einem Betrieb gehalten werden. Ohne die tarifvertragliche Regelung hätten die befristeten Mitarbeiter in diesem Fall aufgrund der angespannten konjunkturellen Lage entlassen werden müssen.

Eine weitere Besonderheit gilt für Mitarbeiter, die zu Beginn des befristeten Arbeitsvertrages das 52. Lebensjahr überschritten haben oder vor der Einstellung in eine Fördermaßnahme der Agentur für Arbeit einbezogen wurden. Sie können bis zu fünf Jahre lang befristet angestellt werden. In dieser Zeit ist eine mehrfache Verlängerung der Kettenbefristung zulässig.

Befristete Arbeitsverhältnisse enden auf Grundlage von § 15 TzBfG mit Ablauf der im Arbeitsvertrag festgelegten Zeitspanne. Ein Kettenarbeitsvertrag muss nicht ordentlich gekündigt werden.

Wichtig für Unternehmer und Personaler: Wird ein Kettenarbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Vertragszeit mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt, gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert. Um dies zu verhindern, müssen die arbeitsvertraglichen Regelungen in einem Kettenarbeitsvertrag proaktiv beachtet werden. Dies bedeutet für Arbeitgeber, das befristete Arbeitsverhältnis schriftlich in Kettenbefristung zu verlängern, statt dieses ohne weitere Aussage weiterlaufen zu lassen.

Auswirkungen eines EuGH-Gerichtsentscheids auf die sachliche Befristung

Bis zum Jahre 2012 war es möglich, einen sachlich befristeten Arbeitsvertrag regelmäßig erneut zu befristen. Es entstand eine Kettenbefristung, die beispielsweise bei wissenschaftlichen Mitarbeitern an Universitäten üblich war. Die Befristung erfolgte aufgrund der Tatsache, dass Forschungsvorhaben in der Regel zeitlich befristet sind und der Bedarf vorübergehend besteht. Konnte der wissenschaftliche Mitarbeiter in ein anderes Forschungsprojekt vermittelt werden, wurde das Arbeitsverhältnis in Kettenbefristung verlängert. Dieser Art der Kettenbefristung wurde in zahlreichen Fällen oft unter vorgeschobenen Umständen missbräuchlich von Arbeitgebern genutzt

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes EuGH vom 26.01.2012 (C-586/10) wurde diese Praxis der Kettenbefristung infrage gestellt. Ausganslage war ein Fall einer Mitarbeiterin der Zivilprozessabteilung des Amtsgerichts Köln, die über mehr als 10 Jahre mit einem Kettenarbeitsvertrag beschäftigt war. Der befristete Vertrag wurde laufend mit dem Sachgrund des Vertretungsbedarfs verlängert. Nachdem der EuGH den Streitfall an das Bundesarbeitsgericht zurückgegeben hat, urteilte das Gericht für die Klägerin.

In der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt es auszugsweise:

„Die Befristung eines Arbeitsvertrags kann trotz Vorliegens eines Sachgrunds aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein. Für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs können insbesondere eine sehr lange Gesamtdauer oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sprechen.“

Für die Praxis bedeutet dies, dass Kettenarbeitsverträge unwirksam sein können, wenn bestimmte Grenzen bei der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses oder bei der Anzahl der Kettenbefristungen erreicht werden. Das Bundesarbeitsgericht legte mit dem Fall den Grundstein um Kettenverträge ohne triftigen Grund missbräuchlich zu verlängern.

Was ist bei Kettenbefristung zu beachten?

Wird eine Kettenbefristung vor einem Arbeitsgericht als unwirksam erklärt, steht ein Rechtsmissbrauch des § 14 TzBfG im Raum. Dieser kann dazu führen, dass das befristete Arbeitsverhältnis mittels Gerichtsentscheid in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis überführt wird. Damit Arbeitgeber auf der sicheren Seite sind und befristete Arbeitsverträge weiterhin verlängern können, sollte auf die folgenden Punkte geachtet werden:

  1. Gibt es einen eindeutigen Sachgrund für den Kettenarbeitsvertrag?
  2. Wurde das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit häufig befristet?
  3. Wie lange ist der Mitarbeiter insgesamt im Unternehmen beschäftigt?

Anhand der bisherigen Urteile des Bundesarbeitsgerichts ist abzulesen, dass Kettenbefristungen, die mehr als fünfmal hintereinander erfolgt sind, vor Gericht unwirksam sein könnten. Ein aus rechtlicher Sicht haltloser Kettenarbeitsvertrag ergibt sich ebenfalls, wenn der Mitarbeiter über Jahre befristet auf demselben Arbeitsplatz beschäftigt wurde, während gleichzeitig Positionen im Unternehmen ausgeschrieben wurden. Bei befristeten Arbeitnehmern, die im Laufe der Kettenbefristung auf unterschiedlichen Stellen wegen Vertretungsbedarf beschäftigt wurden, ist im Gegensatz offenkundig, dass nicht von einen Rechtsmissbrauch ausgegangen werden muss.

Zusammenfassend legen die Urteile des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts nahe, dass jahrelange Kettenbefristungen trotz Sachgrund unwirksam sein können. Arbeitgeber sollten proaktiv und auf Grundlage von aktuellen Rechtssprüchen des Arbeitsrechts prüfen, ob befristete Mitarbeiter weiterhin mit Sachgrund mit einem Kettenarbeitsvertrag beschäftigt werden können. Besteht das Risiko, dass der befristete Arbeitsvertrag unter Umständen unwirksam ist, muss gehandelt werden. Die Umstände unterscheiden sich natürlich von Fall zu Fall.

Zeitliche Unterbrechung und erneuter Kettenarbeitsvertrag – unter Auflagen möglich

Arbeitgeber mit Beschäftigten in Kettenbefristung stehen vor der Frage, ob eine zeitliche Unterbrechung des befristeten Arbeitsvertrags hilfreich ist, um einen Mitarbeiter erneut befristet einzustellen. Grundsätzlich sind ein Auslaufen des Arbeitsvertrages und eine erneute befristete Anstellung möglich. Entscheidend ist, dass das Arbeitsverhältnis über mehrere Monate nicht besteht und es somit keine Aneinanderreihung bzw. Kettenverträge darstellt.

Ein erneutes Onboarding nach ein oder zwei Monaten ist nicht ausreichend, um eine abermalige Befristung zu rechtfertigen, da es im § 14 TzBfG heißt: „Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“

In der Praxis sollte der Mitarbeiter mindestens vier bis sechs Monate lang aus dem Betrieb ausgeschieden sein, um die wiederholte Anstellung als neues Arbeitsverhältnis werten zu können. Wird ein befristeter Arbeitsvertrag in wesentlichen Vertragsbestandteilen adaptiert, gilt er ebenfalls als neuer Arbeitsvertrag. Hierfür muss zum Beispiel die Tätigkeit grundlegend verändert werden. Wird deutlich, dass marginale Änderungen oder eine Kündigung ausschließlich erfolgt sind, um den Arbeitsvertrag nach kurzer Zeit unter ähnlichen Modalitäten fortzusetzen, ist dies kontraproduktiv. Es besteht die Gefahr, dass der Kettenarbeitsvertrag in einer Einzelfallentscheidung als durchgehend gewertet wird.

Was sind die Vor- und Nachteile von Kettenbefristung für Arbeitgeber?

Arbeitgeber benötigen in Bezug auf ihr Personal Flexibilität. Die Möglichkeiten die das Befristungsgesetz bietet, Beschäftigte mit Verträgen auszustatten, ohne die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes beachten zu müssen, ist einer der wesentlichen Vorteile von befristeten Arbeitsverträgen. Ein bedeutsamer Nachteil von Befristungen sind die Unsicherheit und die erhöhte Fluktuation bei Mitarbeitern ohne festen Arbeitsvertrag. Trotz dieser Tatsachen besteht in vielen Unternehmen die Notwendigkeit, neben der Stammbelegschaft befristete Arbeitnehmer einzustellen. Werden befristete Arbeitsverträge regelmäßig verlängert, spricht man von einem Kettenarbeitsvertrag.

Grundsätzlich dürfen Arbeitsverhältnisse befristet werden, wenn ein Sachgrund vorliegt. Wichtige Sachgründe sind auf Grundlage des TzBfG beispielsweise die Vertretung von erkrankten Mitarbeitern oder die Arbeit auf Probe. Liegt kein Sachgrund vor, darf ein Arbeitsverhältnis nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Höchstfall dreimal in zwei Jahren erneut befristet werden.

Bei einem nachvollziehbaren Sachgrund ist es generell möglich, eine Kettenbefristung unbegrenzt weiterzuführen. Der Mitarbeiter erhält in diesem Fall turnusmäßig einen befristeten Arbeitsvertrag, der den Sachgrund für die Befristung beinhaltet. Kettenarbeitsverträge sind bis zu einer Gesamtdauer von mehreren Jahren oder Befristungen rechtssicher möglich. Besteht der befristete Arbeitsvertrag seit mehr als fünf Jahren und ist der Mitarbeiter auf demselben Arbeitsplatz beschäftigt, kann ein Rechtsmissbrauch vorliegen. Arbeitgeber sollten aus diesem Grund die Rechtsgrundlage von Kettenarbeitsverträgen regelmäßig prüfen, da befristete Verträge ebenfalls Möglichkeiten für Missbrauch bieten.