Die richtigen Konsequenzen bei sexueller Belästigung von Auszubildenden
Sollte ein Kollege oder Ausbilder, der eine Auszubildende sexuell genötigt hat, entlassen werden? Reicht eine Abmahnung aus? Darf dieser Kollege weiterhin mit der betroffenen Auszubildenden zusammenarbeiten? Was ist, wenn er alles abstreitet? Reichen Verdachtsmomente für eine Kündigung aus? Diese im Moment unter dem Hashtag #MeToo weltweit diskutierten Fragen stellen sich auch in der beruflichen Ausbildung.
Bei der Beantwortung dieser Fragen hilft ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Im entsprechenden Fall hatte ein Lehrer offenbar einige seiner Schülerinnen sexuell belästigt (2 AZR 698/15 vom 2.3.2017). Zumindest stand dieser Verdacht im Raum. Der Arbeitgeber ging der Sache nach und erstattete Strafanzeige. Seiner Ansicht nach stützten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft den Verdacht, dass es tatsächlich zu sexuellen Belästigungen gekommen war. Es folgte die fristlose Kündigung.
Verdächtigter Lehrer wehrte sich
Da dem Lehrer die Straftaten nicht nachgewiesen werden konnten, wurde er vor der Strafgerichtsbarkeit freigesprochen. Das nahm er zum Anlass, um auch gegen die Kündigung, die nur auf Verdachtsmomenten beruhte, vorzugehen. Die Angelegenheit landete schließlich vor den obersten deutschen Arbeitsrichtern des Bundesarbeitsgerichts. Diese gaben dem Lehrer zwar vorerst recht, betrachteten die Angelegenheit allerdings äußerst differenziert – und das ist aufschlussreich für Sie als Ausbildungsverantwortlichen.
So entschied das Bundesarbeitsgericht
Der Lehrer blieb nach dem BAG-Urteil zwar vorerst im Amt, die Richter machten allerdings deutlich, dass eine Kündigung durchaus zu Recht erfolgt sein könnte. Ihre Begründung: Die Vorinstanzen hätten sich vor allem auf den Ausgang des strafrechtlichen Prozesses gestützt. Die Arbeitsgerichte müssten sich jedoch ein eigenes Bild von den Ereignissen und dem Vorwurf der sexuellen Belästigung machen. Zudem deuteten die Richter an, dass durchaus genug Gründe für eine Kündigung vorliegen könnten.
Die Frage nach dem Vertrauensverhältnis
Grundsätzlich sollten Sie sich in einem vergleichbaren Fall die Frage stellen, ob das Vertrauensverhältnis zu einem Kollegen oder Ausbilder, der eine Auszubildende belästigt hat, noch vorhanden ist. Hierbei zeigen Gerichtsurteile, dass schon der Verdacht auf gravierendes Fehlverhalten das gegenseitige Vertrauen so stark erschüttern kann, dass eine weitere Zusammenarbeit unmöglich und unzumutbar wird. Die Verdachtsmomente müssen allerdings von einiger Schwere sein.
Beachten Sie: Eine Verdachtskündigung bei Kollegen, Ausbildern und Vorgesetzten ist also durchaus möglich. Ist jedoch ein Auszubildender eines schwerwiegenden Fehlverhaltens verdächtig, dann reicht dieser Verdacht in nahezu allen Fällen nicht für eine Kündigung aus. Um einem Azubi zu kündigen, müssen gesicherte Erkenntnisse (Geständnis, Zeugenaussagen) vorliegen.
Schalten Sie die Staatsanwaltschaft ein
Sollte ein Ausbilder oder Kollege eine entsprechende Straftat begangen haben, liegt es nahe, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Empfehlen Sie das Ihrer Personalabteilung. Wenn diese die Möglichkeit hat, Akteneinsicht zu nehmen, sorgt das für weitere Anhaltspunkte. Wird der Verdacht erhärtet, rückt eine fristlose Kündigung näher. Allerdings sollten Sie nicht blind auf die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft vertrauen. Das zeigt das vorliegende Gerichtsurteil. Machen Sie als Ausbildungsverantwortlicher, der seine Azubis schützen will, sich unbedingt Ihr eigenes Bild.
Tipp: Wenn dem entsprechenden Kollegen oder Ausbilder nicht gekündigt werden kann, sorgen Sie unbedingt dafür, dass er mit der betroffenen Auszubildenden – oder mit allen Auszubildenden – nichts mehr zu tun hat. Eine räumliche Trennung ist das Mindeste, was Sie zum Schutz der betroffenen Auszubildenden tun können. Falls nötig, stellen Sie den Ausbildungsplan um.