Freistellung von der Arbeit: Wann Mitarbeiter Anspruch auf bezahlte Freistellung haben
Die Frage: Bei uns kommt es – auch mit dem Betriebsrat – immer wieder zu Diskussionen darüber, ob und wann Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlte Freistellung haben.Können Sie uns mal eine kurze Zusammenstellung zur Verfügung stellen?Die Antwort: Aber gerne doch. Bitte schauen Sie aber auch ggfs. in den für Ihr Unternehmen geltenden Tarifvertrag, der weitergehende Regelungen enthalten kann.
Arztbesuch
Grundsätzlich sind Ihre Mitarbeiter verpflichtet, ihre Arztbesuche in ihre Freizeit zu legen (BAG, 16. 12. 1993, 6 AZR 236/93). Sie müssen einen Mitarbeiter, der nicht arbeitsunfähig krank ist, aber auch dann während der Arbeitszeit für einen Arztbesuch bezahlt freistellen, wenn der Besuch oder die medizinische Behandlung nur während der Arbeitszeit möglich ist.Beachten Sie: Gelten in Ihrem Betrieb gleitende Arbeitszeiten, besteht für Sie häufig kein Anlass, Ihre Mitarbeiter für einen Untersuchungstermin freizustellen. Denn Ihre Mitarbeiter sind grundsätzlich verpflichtet, Angelegenheiten, die sie an ihrer Arbeitsfähigkeit hindern, außerhalb der Arbeitszeit zu erledigen (BAG, 16. 12. 1993, 6 AZR 236/93). Ausnahme: Der Arzttermin muss innerhalb der Kernzeit stattfinden (LAG Köln, 10. 2. 1993, 8 Sa 894/92).
Ärztliche Untersuchung von Jugendlichen/Auszubildenden
Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, Ihre jugendlichen Mitarbeiter und Auszubildenden für die erforderlichen ärztlichen Untersuchungen freizustellen.
Außergewöhnliche familiäre Ereignisse
Seltene Familienfeiern wie die Hochzeit eines eigenen Kindes Ihres Mitarbeiters, seine eigene Silberhochzeit oder die goldene Hochzeit seiner Eltern verschaffen Ihrem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Sonderurlaub. Das gilt übrigens auch für die eigene Hochzeit Ihres Mitarbeiters:Meist sind 1 bis 2 freie Arbeitstage drin, wenn die Hochzeitsglocken läuten. Das liegt letztlich in Ihrem Ermessen. Beziehen Sie in Ihre Erwägungen mit ein, wie lange der Mitarbeiter schon bei Ihnen ist, ob er zum Fest eine lange Fahrtzeit hat etc.
Behördengänge
Für Behördengänge kann Ihr Mitarbeiter keine bezahlte Freistellung von der Arbeit verlangen (BAG, 4. 9. 1985, 7 AZR 249/83).
Betriebsfeier
Findet bei Ihnen eine Feier während der Arbeitszeit statt, haben die Teilnehmer für diese Zeit Anspruch auf bezahlte Freistellung. Will ein Mitarbeiter nicht teilnehmen, ist er verpflichtet, weiterzuarbeiten.
Betriebsratstätigkeit
Betriebsratsmitglieder können aufgrund ihrer Tätigkeit als Betriebsrat nicht mehr allen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachkommen. Deshalb sind sie für die Ausübung der Tätigkeit von ihren laufenden Aufgaben freizustellen. Entweder zeitlich begrenzt oder komplett (§§ 37 Abs. 2, 38 BetrVG).
Betriebsversammlung
Nehmen Ihre Mitarbeiter an einer Betriebsversammlung teil, müssen Sie sie dafür bezahlt von der Arbeit freistellen (§§ 43, 44 BetrVG).
Ehrenamtliche Tätigkeiten
Die Wahrnehmung eines Ehrenamts ist grundsätzlich eine Privatangelegenheit. Sie müssen Ihre Mitarbeiter deshalb für etwaige Tätigkeiten nicht bezahlt freistellen. Ausnahmen sind ehrenamtliche Tätigkeiten in einer Einrichtung des Katastrophenschutzes wie etwa dem technischen Hilfswerk (THW).Weiter müssen Sie Mitarbeitern, die als ehrenamtliche Richter (Schöffen) berufen werden, die entsprechende Freizeit gewähren. Dabei gilt: Der ehrenamtliche Richter hat – sofern das für das Studium der Akten notwendig ist – auch am Tag vor der Sitzung Anspruch auf Freistellung (LAG Bremen, 14. 6. 1990, 3 Sa 132/89).
Erkrankung, nahe Angehörige
Wird ein naher Angehöriger Ihres Mitarbeiters plötzlich krank, gilt im Prinzip das Gleiche wie bei der Pflege kranker Kinder: Auch in diesem Fall hat Ihr Mitarbeiter also einen Anspruch, 10 Tage bezahlt von der Arbeit freigestellt zu werden. Er muss aber einen ärztlichen Nachweis erbringen, dass die Pflege des Kranken unerlässlich ist und nur durch den Mitarbeiter erfolgen kann, weil eine andere Person für diesen Zweck so kurzfristig nicht gefunden werden kann.Bis zu 6 Monate unbezahlt frei nehmen kann der Arbeitnehmer, um die Pflege des pflegebedürftig gewordenen Angehörigen zu übernehmen.
Feiertage
An gesetzlichen Feiertagen müssen Sie Ihre Mitarbeiter grundsätzlich bezahlt von der Arbeit freistellen (§§ 2 EFZG, 9 ArbZG). Nicht freistellen müssen Sie die Arbeitnehmer aber dann, wenn die Arbeiten nicht an einem Werktag vorgenommen werden können (z. B. im Krankenhaus: Der Patient muss auch an Neujahr gepflegt werden).
Geburt eines Kindes
Bekommt die Ehefrau eines Ihrer Mitarbeiter ein Kind, erhält der Vater mindestens 1 Arbeitstag bezahlten Sonderurlaub. Bei der Niederkunft der Lebensgefährtin besteht hingegen kein bezahlter Freistellungsanspruch (BAG, 18. 1. 2001, 6 AZR 492/99).
Gerichtstermine
Einen Mitarbeiter, der als Zeuge geladen wird, müssen Sie nur dann bezahlt freistellen, wenn das Erscheinen im öffentlichen Interesse ist. Muss Ihr Mitarbeiter in eigener Sache vor Gericht erscheinen (z. B. als Kläger oder Angeklagter), brauchen Sie ihn nicht bezahlt freizustellen (BAG, 8. 12. 1982, 4 AZR 134/80).
Kinder, Erkrankung
Muss einer Ihrer Mitarbeiter zu Hause bleiben, weil er sein Kind wegen einer akuten Erkrankung pflegen muss, hat er prinzipiell Anspruch auf bezahlte Freistellung. Dies setzt aber voraus, dass es sich um eine unvorhergesehene Erkrankung handelt, die die häusliche Krankenpflege gerade durch Ihren Mitarbeiter erfordert, und die Verhinderung nur eine verhältnismäßig unerhebliche Zeit ausmacht. Außerdem muss Ihr Mitarbeiter Ihnen die Notwendigkeit der Betreuung durch Attest nachweisen.
Musterung
Wird einer Ihrer Mitarbeiter von der Erfassungs- oder Wehrersatzbehörde aufgefordert, sich aufgrund der Wehrpflicht dort persönlich zu melden oder vorzustellen, müssen Sie ihn bezahlt von der Arbeit freistellen (§ 14 Abs. 1 ArbPlSchG).
Religiöse Feste
Auch religiöse Feste wie die Konfirmation oder Erstkommunion des eigenen Kindes sind oft Gründe für eine bezahlte Freistellung.Als Arbeitgeber kommen Sie zunehmend mit der Frage in Berührung, wie es mit einer Freistellung bei religiösen Festen nicht christlicher Religionen aussieht (denken Sie etwa an die Beschneidung muslimischer Jungen).Auch hier müssen Sie Mitarbeitern anderer Glaubensrichtungen für die Teilnahme an einem wichtigen familiären Ereignis mit religiösem Hintergrund eine bezahlte Freistellung gewähren.
Stellensuche
Haben Sie einem Mitarbeiter gekündigt bzw. hat er das Arbeitsverhältnis gekündigt, müssen Sie ihm eine „angemessene Zeit“ für die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle gewähren, wenn diese nur während der Arbeitszeit stattfinden kann und Ihr Mitarbeiter keinen Urlaubsanspruch mehr hat.
Stillzeiten
Ist eine Ihrer Mitarbeiterinnen Mutter geworden, kann sie von Ihnen verlangen, für das Stillen von der Arbeit freigestellt zu werden (§ 7 MuSchG).
Tod eines Angehörigen
Hier gibt es keine von der Rechtsprechung festgelegten Vorgaben über die Anspruchsdauer. In solchen Fällen ist deshalb Ihr besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Je näher das Verwandtschaftsverhältnis ist, desto länger sollten Sie den Sonderurlaub gewähren.Beim Tod des Ehegatten oder des Kindes des Arbeitnehmers gewähren Arbeitgeber häufig 3 bis 4 freie Tage; geht es um den Tod eines Elternteils, sind 1 bis 2 Tage üblich.
Umzug
Ein gesetzlicher Anspruch auf Sonderurlaub bei einem Umzug besteht nur, wenn der Umzug während der Arbeitszeit objektiv notwendig ist. Das ist z. B. der Fall, wenn ein Mitarbeiter an einen anderen Standort versetzt wird. Neben diesen betrieblichen Gründen können aber auch persönliche Gründe eine Rolle spielen. Beispiel: Ihr Mitarbeiter muss seine Telefonleitung noch freischalten lassen. Der Techniker kommt aber nur an Werktagen.
Unterricht
Ihre Auszubildenden müssen Sie für die Zeit, an der sie am Berufsschulunterricht, an Prüfungen und an sonstigen Ausbildungsmaßnahmen außerhalb Ihres Betriebs teilnehmen, bezahlt freistellen (§ 15 BBiG).
Vormund
Bei einem amtlich bestellten Vormund müssen Sie die entsprechende Freizeit gewähren.
Wahlhelfer
Einen Wahlhelfer bei öffentlichen Wahlen müssen Sie die entsprechende Freizeit gewähren. Gleiches gilt, wenn sich Ihr Mitarbeiter für eine Wahl ins Parlament zur Verfügung stellt.